Teststrecke interessiert nicht nur Öffentlichkeit, sondern sogar Medien
Crushpiler und recycelter Würfel
Nach einer Woche der Baustelleneinrichtung und Installierung aller Arten von Mess- und Überwachungsequipment für Beweissicherung, Erschütterungs-, Schall- und Abgasemissionsmessungen an der Teststrecke Paul-Lincke-Ufer/ Ecke Forster Straße verpresst das japanische Hi-Tech-Gerät wunderbar leise und als bestünde die Kanalsohle tatsächlich „nur aus Matsche“, wie ein Zuschauer meinte, der Bauingenieur zu sein und sich am Ort auszukennen behauptete. Doch ganz im Gegenteil wurden diese fünfzig Meter unter dem Kriterium besonderer Bodenfestigkeit ausgesucht, den gerade an solchen hochverdichteten Mergel- und Geschiebeschichten scheiterte die Firma Mette Wasserbau mit herkömmlichem Pressen bzw. Rammen im Bereich Corneliusstraße in Mitte, wo seither die rostigen Stahlbohlen wie schlechte Riesenzähne unregelmäßig aus dem Wasser ragen. Mette sollte daraufhin ein Konzept für sog. verrohrtes Bohren ausarbeiten, das Bodenaustausch, mindestens zwei Arbeitsdurchgänge und vor allem viel Zeit erfordert hätte −, bis eine Bürgervertreterin vom Fach im TU-Spundwandseminar das Potential der GIKEN-Technologie erkannte, die extra für extrem harte Böden sowie den Einsatz im innerstädtischen Wohnbereich entwickelt worden ist. Es bedurfte viel hartnäckiger Überzeugungsarbeit − weniger im Fall der anderen Forumsmitglieder als vielmehr von WSA und WSD − doch jetzt, über ein Jahr später, genauer: seit Montag (29.3.) ist es endlich so weit und der sog. Crush Piler im Einsatz. Dieses millionen- und tonnenschwere Gerät bohrt in einem Arbeitsgang mit einer verrohrten Schnecke vor und presst zugleich die Doppel-Z-Bohle − also ein jeweils breites Stück Spundwand − ein, und das vergleichsweise so erschütterungsfrei, leise und abgasarm, dass es die allermeisten der AnwohnerInnen und interessierten Passanten sichtlich beeindruckt.
Millimeterarbeit
Crush Piler
GIKEN, eigentlich nur Gerätehersteller/ -verleiher und nur bei diesem Test ausnahmsweise Hauptauftragnehmer, hat Mette Wasserbau als Subunternehmer verpflichtet, und die Kooperation zwischen japanischen und deutschen Ingenieuren und Technikern klappt, soweit wir das beurteilen können, hervorragend. Besonders der Kranführer, der die 11,50m-Bohlen anreicht, ist uns für seine exakte Millimeterarbeit schon gut bekannt, seit er nur unwesentlich kürzere Teile ohne nennenswerte Astschäden durch die Lindenkronen am Tempelhofer Ufer gefädelt hat. Lässig platzierte er auch einen Hänger mit Messgeräten unter einen Baum, ohne einen Zweig zu berühren.
Heute (Mittwoch, 31.3.) hatte sich auch die rbb-Abendschau angesagt, führte etliche Interviews , filmte den „japanischen Riesen“ bei der Arbeit , und im gesendeten Beitrag (ab min 23:50) kommt trotz der Kürze das Wesentliche rüber: dass es beim Sanieren der rund elf Kilometer Uferwand in 120 Jahre alter Regelbauweise den VertreterInnen von BI/Verein BaL und der AnwohnerInnen vor allem auf den Schutz der Uferbäume und -vegetation ankommt.
Bohlenanreichung
Hierfür ist der Crush Piler wegen der immensen Arbeitshöhe eher nicht geeignet, doch GIKEN hat, wie an anderer Stelle schon wiederholt berichtet, noch einiges mehr in petto: Beim sog. GRB-System z. B. fährt der Kran nach einer Startphase auf der Spundwand selber, steht nicht auf einer breiten verankerten Schute und hat damit einerseits wegen des festeren Stands eine weit höhere Kapaziät und beansprucht andererseits einen viel geringeren Teil der Fahrrinne , so dass die Ausflugsschiffe passieren können. Das bedeutet, dass die Arbeiten auch in der warmen Jahreszeit vonstatten gehen können und nicht immer auf die winterliche Sperrzeit verlegt werden müssen, die sich dem Wasserbau zuweilen ausgesprochen ungünstig zeigt. Dadurch würde vielleicht doch noch in absehbarer Zeit den malträtierten Kastanien (und natürlich auch den AnwohnerInnen!) an der Corneliusstraße geholfen, wenn eben das GRB-System Bestandteil der geplanten EU-weiten Ausschreibung wird und die Brockelmannschen Würfel, welche seit Sommer ’07 die privat finanzierte Promenade verschandeln, vielleicht doch noch im Laufe dieses Sommers verschwinden können.
Bohlenanreichung 02
Bei dieser Gelegenheit möchten wir uns auch noch dahingehend berichtigen, dass der Bezirk Mitte nicht einfach „eingeknickt“ ist, wie wir fälschlich behaupteten, sondern sich vielmehr vom WSA garantieren ließ, dass der Göttinger Professor Weihs mit georadiologischen und elektromagnetischen Widerstandsmessungen ein Gutachten über die Notwendigkeit der Betonklötze erstellt und im Übrigen das Amt für die Instandsetzung und -haltung der Promenade bis zu ihrer endgültigen Fertigstellung aufkommt. − Leider wurde versäumt, die BürgervertreterInnen über diese Vereinbarungen zu informieren [was womöglich seinerzeit ihre Enttäuschung und Frustration gelindert hätte −, aber darum kann’s freilich nicht gehen…]
Sodann aber hat’s da noch GIKENs relativ brandneuen Gyro Piler, der eine nur sehr geringe Arbeitshöhe beansprucht und, für den Einsatz unter Brücken konzipiert, auch für den unter überhängenden Kronen prädestiniert wäre. Doch diese Wunderwaffe gibt’s zurzeit nur als Unikat in Japan und kann nicht mal eben zu Testzwecken auf eine dreiwöchige Schiffsreise um die halbe Welt geschickt werden −, doch wenn sich mählich doch noch herauskristallisiert, auf wie langen Strecken mit Kronenüberhang er eingesetzt werden könnte, sollte sich auch diese Option weiter konkretisieren lassen.
Startwidrigkeiten
Bohleneinfädeln
Zum Missvergnügen der GIKEN-Ingenieure verhindern zahlreiche Störungen und Unterbrechungen bei der Arbeit an der ohnehin nur arg kurzen Teststrecke am Paul-Lincke-Ufer, dass das System seine Effizienz voll entfalten kann. Alle Überwachungszurüstungen und installierten -anlagen sollen ja nicht zuletzt dem Vergleich mit den diversen Verspundungsverfahren konkurrierender Hersteller dienen. − Die Einrichtung der Baustelle, zunächst mit der besonderen Startkonstruktion, und das Launching nahmen einige Zeit in Anspruch, und nun muss das ganze Equipment eilends wieder abgeräumt werden, um über die Osterfeiertage den Kanal für die Fahrgastschifffahrt freizugeben. Am 6. April wird dann alles wieder aufgebaut. − Seltsam auch, dass die Firma Kemmerer, welche die Verspundung am abgerutschten Riedel-Anleger Kottbusser Brücke mittels einer Hydraulikpresse durchgeführt und am 25.3. erfolgreich abgeschlossen hat, gerade am Starttag des Crush Pilers binnen zwei Stunden fünf- bis sechsmal darauf bestand, mit ihren Schuten die Teststrecke zu passieren, weshalb dort jedes Mal die Arbeiten unterbrochen werden mussten.
Infos für Interessierte vor Ort − Feed back erwünscht!
Verspundeter Riedel Anleger Maybachufer
Gleichwohl sind alle Beteiligten guten Mutes, dass der Test des Crush Pilers erfolgreich verlaufen wird. Und auch die AnwohnerInnen und Interessierten, die zahlreich vorbeikommen, zeigen sich durchweg beeindruckt von den geringen Erschütterungen, Lärm- und Abgasentwicklungen.
Morgen noch mal 14:30 bis 15:30 Uhr und dann ab 6.4. (Mo, Mi und Fr 11 bis 12 Uhr und Di, Do und Sa 14:30 bis 15:30 Uhr) werden nahe der Infotafel, die jetzt auch mit einem Brief-, Kummer- und Vorschlagskasten bestückt worden ist, VertreterInnen der BaL und AnwohnerInnen Interessierte nicht nur über die konkreten Arbeiten informieren, sondern diese immer auch in den weiteren Kontext der ökologisch nachhaltigen Kanal-Sanierung stellen und erläutern, was an Aufgaben noch zu bewältigen ist: von der Entscheidung über sog. Primärsanierungs- oder -sicherungsvarianten unter der Wasseroberfläche; der Erprobung von Sanierungsvarianten der eigentlichen Ufermauer über der Wasserlinie; die Verzahnung mit der Planung eines durchgängigen Uferradwanderwegs; der Schaffung einer Infrastruktur für emissionsfreie Solarschiff- und Bootsfahrt bis hin zur ökologischen Aufwertung von Gewässer und Uferbereichen im Interesse von Biotop- und Artenschutz, aber auch wassernahem Naturerleben und Erholen
Nach Ostern soll zunächst die Prüfung der insgesamt 14 vorliegenden Sanierungsvarianten anhand des komplexen Kriterienkatalogs des Mediationsforums abgeschlossen und der Inhalt der auszuschreibenden Baumkartierung vom Mediationsforum abgesegnet werden.
rbb-Abendschau-Team
Was nun ein ganz anderes Geschehen an einem anderen Berliner Kanal angeht, so war bezeichnenderweise niemand bislang an der Teststrecke, den wir auf Grund seiner Zuständigkeit daraufhin hätten ansprechen können, weder Amtleiter Scholz (der sich seinerzeit sogar den fulminanten Start des Dieselbären am Tempelhofer Ufer nicht entgehen ließ), und Sachbereichsleiterin Frau Riemer schon gar nicht. Frau Bugner von der WSD hat Urlaub, und ihr Vertreter, Jan Hädecke, ist „an eine andere Fachrichtung gebunden“ und will lieber gar nichts als etwas Falsches sagen, was zu respektieren ist. Jedenfalls würde die Sache im Hause gegenwärtig bearbeitet. Wir dürfen gespannt sein. − Und auch die rbb-MitarbeiterInnen, die ebenfalls informiert sein müssten, sprachen das Thema erwartungsgemäß nicht an.
Es zeugt tatsächlich noch zusätzlich von einiger Unverfrorenheit, ausgerechnet im Augenblick eines gemeinsam errungenen Erfolges oder zumindest erreichten Etappe nur wenige Kilometer entfernt wieder in längst überwunden geglaubter Manier loszulegen − fast schon ein déjà vu.