Gutachten und Planwerke für nachhaltige Kanalsanierung

Auf dem Weg zum Scoping

Bei notwendiger Bestandserhebungen zwei Jahre verschenkt!

Ausgangsfragen

Ausgangsfragen

Schon im vergangenen Juli hatte sich die WSD Ost zur der von BaL, BUND und NABU geforderten und schließlich auch von der Planfeststellungsbehörde in Magdeburg empfohlenen Durchführung einer Umweltverträglichkeitsstudie (UVS) und der Erstellung eines Landschaftspflegerischen Begleitplans (LPB), wenn auch widerstrebend, bereiterklärt, da die Kanal-Sanierung ja als Unterhaltungs- und nicht als Erweiterungsmaßnahme gilt, die keiner Planfeststellung, welche den Einsatz dieser Instrumente zwingend vorschriebe, bedürfe. − In derselben 17. Forumssitzung am 6.7.09 hatte Amtsleiter Scholz als notwendigen Vorgriff auf eine umfassende floristische Kartierung auch die baldige Erfassung der überhängenden Baumkronen entlang der Ufer in Aussicht gestellt. − Dazu im folgenden mehr.

Lösungssondierungsgruppe

Lösungssondierungsgruppe

Auf der Sitzung der Lösungssondierungsgruppe „Gutachten und Planwerke“ am letzten Montag (25.1.) sollten nun „Inhalte, Ziele und Schnittstellen der angeschobenen und teilweise beauftragten Gutachten, Kartierungen und Planwerke für den Landwehrkanal besprochen werden“, doch − wie gesagt − angeschoben und beauftragt ist in dieser Richtung mit Ausnahme der Fortschreibung und Aktualisierung des Großen denkmalpflegerischen Gutachtens (GgG) von Bappert/Geyer/Wenzel (1990f.) noch nichts (wenngleich die erwähnte Kartierung der überhängenden Bäume zwischendurch auch schon mal für bereits durchgeführt erklärt wurde. − Dazu unten noch mehr!).

Fünf Schritte zum Scoping

Fünf Schritte zur Umweltverträglichkeitsstudie

Fürs GgG-Update sollte ein detaillierter Fragenkatalog ursprünglich schon nach der Sommerpause 2008 vorgelegt werden, war sodann − in angereicherter Form − für Anfang 2009 angekündigt [siehe auch hier und hier], wurde aber auch in der letzten Forumssitzung am 23.11.09 nicht vorgelegt, dafür aber, weil nun, wie berichtet, das WSA, also der Bund, vier Fünftel der Kosten trägt, seinen Autoren endlich der Auftrag erteilt.

Naturschutzverbände fehlen

Ziel des Scoping-Termins

Ziel und Produkt des §5-Gesprächs

Weil natürlich gebetsmühlenartig Finanzierungsfragen ins Feld geführt werden, hatten wir auch unter diesem und nicht nur dem fachlichen Aspekt die Einbeziehung der BfG auf dem Wege der Amtshilfe beharrlich gefordert und freuten uns nun, mit Detlef Wahl und Karin Karras gleich zwei ihrer VertreterInnen vom Referat für Vegetationskunde und Landschaftspflege auf genannter Sitzung begrüßen zu können. − Das Fernbleiben der eigens eingeladenen Forumsmitglieder von gleich allen drei Naturschutzverbänden, BUND, NABU und Grüne Liga, die im Rahmen der vorgeschriebenen Verbändebeteiligung an PFV mit diesen Instrumenten über einige Erfahrung verfügen, musste demgegenüber sehr enttäuschen.

Strukturplan 01

Vorschlag Struktur- und Ablaufplan 01

Von bezirklicher Seite war nur die Vertreterin von F’hain-Kreuzberg erschienen, von Senatens zeigte sich niemand. Dabei hätte uns bspw. interessiert, ob nunmehr, da ja vorgegangen wird, als ob es sich um ein PFV handele, z.B. die laut Dr. Gödde, Referatsleiter Landschaftsplanung und Naturschutz bei SenStadt, separat betriebenen Untersuchungen zum Biotopverbund, wovon Derk Ehlert, Wildtierbeauftragter von SenStadt, in der 4. Sitzung des AK Naturhaushalt und Landschaftsbild am 4.7.08 berichtet hatte, nunmehr „eingespeist“ werden können.

UVS und LPB

Strukturplan 02

Vorschlag Struktur- und Ablaufplan 02

So blieben die TeilnehmerInnen zunächst auf den Fachvortrag der Vertreterin der Planfestellungsbehörde Magdeburg, Astrid Swieter, verwiesen, die auch schon in der zweiten Forumssitzung am 10.12.07 über das PFV im allgemeinen referiert hatte und nun den rechtlichen Hintergrund dieser Planungsinstrumente erläuterte. Obschon es im konkreten Fall nur um eine Unterhaltungs- und Instandsetzungsmaßnahme gehe, liefere die UVS eine nützliche und zuverlässige Entscheidungsgrundlage innerhalb des Mediationsverfahrens, während die eigentliche Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) entfalle. Normalerweise bildet die UVS deren Grundlage, indem sie einerseits die ökologische Ausgangssituation ermittelt, andererseits das Vorhaben einschließlich der technischen Verfahren sowie dessen Auswirkungen auf die Schutzgüter beschreibt und bewertet. Als Schutzgüter gelten

  1. Menschen einschließlich ihrer Gesundheit, Tiere, Pflanzen und die biologische Vielfalt
  2. Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft
  3. Kulturgüter und sonstige Sachgüter sowie
  4. die Wechselwirkungen zwischen diesen Schutzgütern. (§ 2 Abs.1 UVPG)

Bis zur UVS sieht nach Paragraph 5 des UVPG fünf Schritte vor:

  1. Bestandserfassung zur Vorbereitung des sog. Scoping-Termins
  2. Erarbeitung von technischen Lösungen
  3. Erstellung einer Tischvorlage für den Scoping-Termin, die den Untersuchungsrahmen umreißen soll (Abgrenzung des Untersuchungsgebiets, Definition des schutzgutbezogenen Untersuchungsrahmens sowie Festlegung des Umfangs der ergänzenden Untersuchungen und Unterlagen)
  4. der eigentliche Scoping-Termin oder das „§5-Gespräch“ (wobei das Vorhaben z. B. auch im Hinblick auf die Vorgaben nach FFH und WRRL erörtert wird)
  5. Festlegung des Untersuchungsrahmens und Fertigung einer Niederschrift durch die Planfeststellungsbehörde.

Die UVS beschreibt und bewertet einerseits die Umwelt, andererseits das Vorhaben und seine Auswirkungen, liefert einerseits eine Status-quo-Prognose, also eine Beschreibung des Nullfalls, andererseits eine langfristige Prognose der zu erwartenden Umweltauswirkungen im Planungsfall und vor diesem Hintergrund dann dessen Gesamtbewertung. Insbesondere aber soll die UVS Hinweise auf Maßnahmen für eine Vermeidung bzw. Minderung der Umweltauswirkungen des Vorhabens bieten sowie für deren Ausgleich und Ersatz.

Strukturplan 03

Vorschlag Struktur- und Ablaufplan 03

Der LPB (durchaus auch dann erstellt, wenn sich die Unterhaltung verändert hat bzw. eine Instandsetzung erst nach sehr langer Zeit erfolgt!) bewertet und beschreibt im Rekurs auf die UVU kurz die für die Bewertung von Naturhaushalt und Landschaftsbild relevanten Schutzgüter im Ist-Zustand, liefert dann eine detaillierte Konfliktanalyse und Eingriffsermittlung und gibt eine ebenso detaillierte Darstellung der möglichen Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verminderung negativer Umweltauswirkungen sowie jener zur Kompensation unvermeidlicher Beeinträchtigungen. Ferner gibt er Kriterien an die Hand, um die Maßnahmen von Eingriff und Kompensation zu vergleichen und nachvollziehbar zu bilanzieren. Rechtsverbindlich sei er jedoch nicht −, doch die Leiterin der AG LWK, Frau Dr. Ernst, versicherte sogleich, dass er für das WSA selbstverständlich verbindlich sei, sonst würde er gar nicht erst auf den Weg gebracht.

Erste Reaktionen und Anmerkungen

Strukturplan 04

Vorschlag Struktur- und Ablaufplan 04

Mediator Kessen wandte ein, dass es eigentlich nicht angehen könne, dem Forum eine Unterlage zu servieren, sondern dass es an diesem sei, den Untersuchungsrahmen zu setzen, und hierauf gab es auch gleich unterschiedliche Wortmeldung, z.B.

  • dass der Naturhaushalt gegenüber dem Landschaftsbild, der zweiten Säule der Eingriffsregelung, inklusive Sach- und Kulturgüter, also dem Denkmal, viel zu kurz käme, die Kulturgutbewertung jedoch längst erfolgt und ihre fachlich objektive Bewertung rechtlich verankert sei.
  • dass die längst überfällige Kartierung der überhängenden Bäume unabhängig von der floristischen Gesamtkartierung durchzuführen sei, um die parallel zur UVS zu entwickelnde und umzusetzende technische Lösung darauf abzustimmen [s.u.].

Schnittstellen zum GgG-Update?

WSV-Aktivitäten

Bisherige WSV-Aktivitäten

Wie vorher Prof. Geyer, verwies diesmal Theseus Bappert auf die Notwendigkeit der Verknüpfung mit den anderen floristisch-faunistischen Untersuchungen und der notwendigen Verschränkung von UVP und GgG bei der Erstellung des LPB, wogegen wir auf Grund der höchst unterschiedlichen Perspektiven und Schwerpunktsetzungen hier weit mehr Konfliktpotential als gemeinsame Schnittmengen sehen, auch im Hinblick auf die mittelfristig zu erstellenden ökologischen respektive denkmalpflegerischen Unterhaltungspläne.

Struktur und Timing der umweltrelevanten Planungen

Zur Präsentation der Leiterin der AG LWK, Frau Dr. Ernst

Strukturplan 06

Vorschlag Struktur- und Ablaufplan 05

Vor dem Hintergrund der in gut zwei Jahren Mediation von den verschiedenen Fachleuten einerseits, von der WSV andererseits erbrachten Vorleistungen, unterbreitete Annette Ernst einen detaillierten Vorschlag zur Einbindung der UVS in den weiteren Planungsprozess [bitte Fotos anklicken!], welcher sich an jenem orientiert, der unter Federführung des WNA Magdeburg (Ina Behrends) inzwischen unter der Überschrift „Struktur und Ablauf der umweltrelevanten Planungen für die Kanalsanierung“ erarbeitet worden ist.

Vorbereitung des Scoping-Termins bis zur Festlegung der Untersuchungsinhalte

Strukturplan 07

Vorschlag Struktur- und Ablaufplan 06

Die nächsten Schritte müssten der Vorbereitung des Scoping-Termins dienen, so dass er in ca. vier Monaten stattfinden könne. Die zentrale Aufgabe besteht in der Festlegung der Inhalte der Bestandserfassung und -bewertung, wobei Stadtökologie, der Lebensraum Wasser (WRRL) sowie Baum- und Artenschutz im Fokus stehen. [Im Hinblick auf den Biotopverbund darf die Erwähnung der FFH-Richtlinie nicht fehlen.] Die in Text- und Planform gegossenen Ergebnisse des Scopings soll ein Forumsbeschluss absegnen, damit im Anschluss daran der Vorhabenträger Gutachter bzw. Institutionen beauftragen könne, nicht zuletzt im Hinblick auf den zu erstellende Entwurf-HU (Haushaltsunterlage). Vordringlich soll das Baumkataster extern beauftragt werden, und dafür, wie prinzipiell für alle Gutachten, seien die Auftrags- und Auswahlkriterien gemeinsam festzulegen. Zu diesem Zweck wird die Bildung eines kleinen Experten-Teams angeregt, in das z. B. Frau Hähnel, bei SenGUV für Gewässerschutz zuständig, oder Derk Ehlert, Wildtierbeauftragter bei SenStadt, zu berufen vorgeschlagen wurde und in dem auch ein Vertreter für den Bereich Sach- und Kulturgüter nicht fehlen darf.

Strukturplan 08

Vorschlag Struktur- und Ablaufplan 07

In Anlehnung an die 5 Schritte zur UVS vom Swieters-Vortrag (s.o.), der unter 1. und 2. die Bestandserfassung und sodann die Entwicklung technischer Lösungen auflistet, zitierte Frau Ernst aus dem BfG-Leitfaden für Umweltverträglichkeitsprüfung an Bundeswasserstraßen: „Auf der Grundlage der Vorhabensbeschreibung und geeigneter allgemein verfügbarer Informationen über den Planungsraum gemäß Anlage 2 sind die Vorhabenswirkungen nach Art sowie zeitlichem und räumlichem Ausmaß zu identifizieren und ihr Einfluss auf die Schutzgüter grob abzuschätzen. Dabei sind auch Abhängigkeiten und Wechselwirkungen zwischen den Schutzgütern zu beachten. Hieraus ist ein Vorschlag des vorläufigen Untersuchungsumfangs für die UVU in Text und Plan als Unterlage für das § 5-Gespräch zu erarbeiten. Mit diesem Arbeitsschritt kann der TdV einen geeigneten Fachgutachter oder eine geeignete Institution beauftragen.“

Problematik einer verfrühten Vorhabensbeschreibung

Ausblick auf UVS und LPB

Ausblick auf UVS und LPB

Dies unterstellt indessen eine bereits beschlossene Variante, deren messbare Umweltauswirkungen abgeprüft werden können −, und so stellte ein Anwohnervertreter denn auch sogleich die Frage, welche technische Lösungsvariante denn hier vorausgesetzt werde. Und selbst Mediator Kessen geht die Vorhabensbeschreibung um einiges zu schnell, und er erkennt im Kriterien-Katalog des Mediationsforums bereits einen weit umfänglicheren Untersuchungsrahmen für die Abschätzung von Varianten-Auswirkungen.

In der Abfolge der von Frau Ernst präsentierten Verfahrensschritte erfolgt die „Variantenuntersuchung unter Anwendung des Interessen- und Kriterienkatalogs des Mediationsverfahrens“ nämlich nach der Vorhabensbeschreibung (sowie der Erstellung der Entwurf-HU), d. h. aus dieser Sicht setzt die jeweilige Beurteilung der Auswirkungen verschiedener technischer Lösungsvarianten eine unabhängig von einer bestimmten Variante erfolgte Bestandserfassung voraus.

Einbindung der Oberbehörden

Einbindung der Oberbehörden

Als Ziel des Scopings wird dabei u.a. festgehalten: „Abstimmung einer klaren, verbindlichen Aussage über das weitere Vorgehen in den umweltrelevanten Planungen, die durch einen Beschluss des Mediationsforums mitgetragen werden kann. D.h. die Berücksichtigung aller umweltrelevanten Interessen des Mediationsforums soll in der Festlegung des Untersuchungsumfangs für die UVS aufgehen.“

Untersuchungsumfang und -tiefe

Untersuchungsinhalte

Inhalte der Bestandserfassung

Diese Vorgaben aber machen deutlich, dass der Untersuchungsrahmen und -umfang so breit und tief gefasst und vom Forum beschlossen werden muss, dass die Auswirkungen eines Spektrums möglicher technischer Lösungsvarianten eingeschätzt werden können, zumal bislang bekanntlich nur auf 370 Metern eine temporäre Variante für die wasserseitige Sicherung der maroden Ufermauer zugleich auch als dauerhafte Komponente der eigentlichen Sanierung beschlossen [siehe auch hier]und (teilweise) umgesetzt wurde, für deren die Mauer betreffende Ausgestaltung bislang jedoch noch keinerlei konkrete Konzepte vorgestellt, geschweige erprobt worden sind. − In diesem Zusammenhang wurde indessen versichert, dass die Planfeststellungsbehörde dies keinesfalls restriktiv handhabe, sondern eher für mehr statt weniger Untersuchungen plädiere.

Floristische Kartierung, Baumkataster und Erfassung der überhängenden Bäume

Zeitplan

Zeitschiene bis 2013

Erfahrungsgemäß braucht die Erstellung einer UVS Zeit − wovon bekanntlich schon viel ungenutzt verflossen ist. Nach Auskunft der BfG-VerteterInnen aber müssen die Standards eingehalten, die Entscheidungen nachvollziehbar und belastbar sein, und das Mediationsverfahren zur „Zukunft des LWK“ sollte diese Chance eines konzeptgeleiteten Vorgehens nutzen. − Auf der Zeitschiene findet sich also in unserm Fall für den Abschluss der UVS die Station September 2012, für den LPB der Januar 2013.

Deshalb noch einmal zur Klarstellung: bis dahin kann mit der Fortsetzung der wasserseitigen Sicherung der Ufermauer schon aus Verkehrssicherungsgründen und um ihre weitere Schädigung zu verhindern, nicht gewartet werden. Damit aber hat die Kartierung der überhängenden Bäume (als Teilmenge der floristischen Baum- bzw. Vegetationskartierung), die, wie gesagt, seit nunmehr acht Monaten in Aussicht gestellt bzw. sogar schon für durchgeführt erklärt wurde, absoluten Vorrang!

Minderwertige Bäume?

Als Inhalt des Verfahrensschritts Baumkataster werden nun u.a. „Vitalität, Alter, Lebenserwartung“ der Bäume aufgezählt, was den Verdacht nahelegt, es solle hier eine Baumwertermittlung stattfinden, die alte kranke Bäume als minderwertiges Schutzgut und damit als nicht weiter zu berücksichtigende Fällkandidaten klassifiziert, wenn sie Baumaßnahmen im Wege stehen.

Rotkehlchen am Heckmannufer

Rotkehlchen am Heckmannufer

An dieser Stelle möchten wir, auch wenn’s vielleicht überflüssig erscheint, noch mal betonen, dass wir die Auffassung teilen, wonach die mutmaßliche Lebenserwartung eines Altbaumbestands bei der Ermittlung seines Werts − von seinen ökologischen Funktionen fürs (Klein)Klima, Lufthygiene, für Erholung, Naturerlebnis und -ästhetik und nicht zuletzt als Lebensraum eines enormen Artenspektrums − nur eine sehr nachrangige Rolle spielt. Und im Hinblick auf seinen Eigenwert bemühen wir hier gerne wieder die Analogie, dass wir auch alte Menschen nicht einschläfern, wenn die Erhaltung ihres Lebens Kosten verursacht.

Die BaL stehen für Sanierung ohne Fällung

Dies berührt auch den Kernbereich dessen, wofür BI und Verein Bäume am Landwehrkanal stehen: nämlich für eine ökologisch behutsame und nachhaltige Sanierung des LWK möglichst ohne jede Baumfällung. Wenn im Einzelfall ein etwa direkt auf der Krone der Mauer stehender Baum bei deren Sanierung fallen muss, wird die umfassende Einschätzung seines ökologischen, naturschutzfachlichen und kulturellen Werts in der oben beschriebenen Weise die Maßgabe für dessen Ausgleich liefern −, doch Leitvorstellung muss bei Planung wie wasserbaulicher Umsetzung tunlichst die Vermeidung solcher Eingriffe sein!

Wir hoffen auf Problembewusstsein und eine differenzierte Diskussion, wenn dieser WSV-Vorschlag zu Struktur- und Ablaufsplanung bis zum Scoping-Termin am nächsten Montag (8.2.) den Forumsmitgliedern anlässlich ihrer 21. Sitzung präsentiert wird.

Auf dem Studentenbad

Auf dem Studentenbad

Update vom 2.2.: Einen wichtigen Hinweis zur im März in Kraft tretenden Novellierung, oder besser gesagt Verwässerung, des Bundesnaturschutzgesetzes haben wir glatt vergessen: Ausgleich und Ersatz werden fürderhin als gleichrangig behandelt, d. h. es bleibt dem Vorhabenträger überlassen, ob er Eingriffe in Natur und Landschaft ortsnah ausgleicht oder eben dafür bezahlt, sich eine Lizenz zur Naturzerstörung erkauft. Siehe auch hier. − Und es kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass sich dies nicht auch im Rahmen der Kanalsanierung nachteilig auswirkt!

Emissionsfrei auf dem Landwehrkanal

Erste kreuzungsfreie Ost-West-Verbindung in Berlins weißem Wegenetz

So stark frequentiert wie in diesen Tagen ist der Landwehrkanal allenfalls während der sommerlichen Paddelparade, und auch wie bei dieser Gelegenheit geschieht das rege Treiben komplett emissionsfrei, ganz ohne Dieselruß und Lärmemission, wenn wir mal vom begeisterten Kindergeschrei absehen. − Solche ungewohnten Bilder lassen uns denn doch sinnieren, ob diese eine der Plass’schen Sanierungsvarianten, nämlich jene, die ein Zuschütten mit schmalem Bächlein in der Mitten vorsieht, vielleicht gar keine so schlechte Idee sei.

zugefroren

Improvisierter Einstieg

Anders als manche im WSA wollen die BürgerInnen mehrheitlich ja ohnehin nicht zurück zur Fracht- und Güterschifffahrt, und wenn’s also eh beim denkmalgeschützten Schmuckkanal mit so genannter Freizeit- und Erholungsnutzung bleiben soll, ist die BesucherInnenzahl unter den derzeit obwaltenden Umständen eindeutig am höchsten! Die Reparatur der maroden Mauern wäre ebenfalls vergleichsweise ein Klacks, und im Nu hätten wir sommers einen grünen Kanal à la Erwin Barth, und Klaus Lingenauber könnte den ehem. Luisenstädtischen für immer in Ruhe lassen…

Eiskanal

Pilotprojekt 'Multifunktionaler Eiskanal'

Nur um die Beschäftigten von Stern und Kreis und Riedel und wie sie alle heißen, machen wir uns Gedanken, denn so viele Fahrrad-Rickshaws müssten wahrscheinlich öfters zu längeren Staus führen. − Auch die vielen Plötzen und wenigen Hechte, Aale und Moderlieschen müssten nach irgend einem Schlüssel in anderen innerstädtischen Kanälen, in Stadtspree und Havel Asyl finden…

Und andererseits ist doch sommers eine Schiffs- oder Bootsfahrt auf dem Kanal oder Radfahren und Wandern dran entlang auch immer lustig, wär’s halt noch weit mehr, wenn es so gestank-, lärm- und stressfrei vonstatten gehen könnte, wie heuer das ungewohnte Schlittschuhlaufen und Wandern mitten auf dem Kanal (und sogar mit Kinderwagen!), das auch bisschen an jene autofreien Sonntage auf der Autobahn erinnert, wenn kurzzeitig Menschen statt Autos diesen öffentlichen Raum für sich beanspruchten.

Engagieren wir uns also weiterhin für einen emissionsfreien Schiffs- und Bootsverkehr, für die Anlage eines durchgängig grünen Radwanderwegs entlang des Kanals auf der einen und naturnaher Grünzüge auf der anderen Seite, mit vielen Gelegenheiten zum Verweilen, Sicherholen und Entspannen und vielen Habitatsmöglichkeiten für unsere floristische und faunistische urbane Mitwelt, und nicht nur zu Lande, sondern auch im Wasser.

Weißverbindung

Erste Berliner Weißverbindung

Bürgermeister Schulz zur Rahmenplanung Luisenstadt

BürgerInnen-Inititative Bäume für Kreuzberg

Auch Bezirksverordnete unzureichend informiert

Von der letzten Sitzung des Stadtplanungsausschusses

In der nächsten Woche wird, nachdem die Bürgervoten auch des 2. Bürgerabends am 13.1. noch rasch eingearbeitet worden seien, die „Angebotsplanung“ von Herwarth + Holz zum „Integrierten Stadtentwicklungskonzept“ (INSEK) oder zur „Städtebaulichen Rahmenplanung Luisenstadt“ den Verantwortlichen in der Senatsverwaltung übergeben. − Wenn wir uns recht erinnern, hatte es allerdings geheißen, nachdem das 200-Seiten-Konvolut den insgesamt wohl fünf beteiligten StadträtInnen von Mitte bzw. F’hain-Kreuzberg vorgelegt worden sei, würde dasselbe auch im Falle der beiden Kommunalparlamente geschehen, doch in der letzten Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Bauen der F’hain-Kreuzberger BVV am 20.1. erklärte Matthias Peckskamp, Fachbereichsleiter Stadtplanung, dass es nun zunächst und vor allem um die Frage gehe, aus welchen Fördertöpfen − für städtebaulichen Denkmalschutz, Stadtumbau West und/oder Städtebauförderung − die bezirksübergreifende Stadterneuerungs- und -entwicklungsmaßnahme finanziert und ob die Luisenstadt überhaupt als Sanierungsgebiet anerkannt werde.

Keine Einmischung in die inneren Angelegenheiten des Bezirks Mitte!

Dazu skizzierte das Bezirksamt in Gestalt von Bürgermeister Franz Schulz persönlich den Ausschussmitgliedern in groben Zügen  nur den Sachstand, nannte die Planung eine Fortschreibung bzw. Aktualisierung des „Planwerks Innenstadt“ [Planer Herwarth hatte indessen wiederholt von einer „Abkehr“ gesprochen], mit nur geringen Veränderungen auf Kreuzberger Seite und keinerlei Konfliktpunkten. Die Brachflächen entlang des ehemaligen Grenzverlaufs lägen zudem alle im Bezirk Mitte, in dessen innere Angelegenheiten sich F’hain-Xberg nun mal nicht einmischen könne. Dr. Schulz streifte auch den Aspekt der BürgerInnen-Beteiligung, beurteilte sie mit Verweis auf jene beiden gut besuchten Bürgerabende vom 20.10.09 und 13.01.10 als durchaus zufrieden stellend. Dies bekräftigte auch der Fachbereichsleiter Stadtplanung.

Umweltausschuss über Ergebnisse der BürgerInnen-Beteiligung noch immer in Unkenntnis

Aber auch die Ausschussmitglieder stellen sich eine bezirksübergreifende Planung, wofür ausdrücklich eine Kooperation beider Bezirke vereinbart worden war, wohl anders vor. Bezirksverordnete von B’90/Die Grünen, nämlich Fraktionssprecherin Antje Kapek und Ute Kätzel, zeigten sich darüber verwundert, dass der Bürgermeister die Verkehrs- und Grünflächenplanung offenbar an der Bezirksgrenze enden lasse und auch beim Stichwort Nachverdichtung, also der Errichtung neuen Wohnraums, mögliche Auswirkungen auf den Ortsteil Kreuzberg mit Blick auf Mietpreisentwicklung und befürchtete Gentrifizierung nur gering einschätze. − Und beim Thema BürgerInnen-Beteiligung erinnerte Frau Kapek an die Zusage, den Ausschussmitgliedern jene Mindmaps mit den BürgerInnenvoten aus der ersten Veranstaltung zukommen zu lassen. Dies sei leider nicht geschehen.

Die BürgerInnenvoten seien doch alle in den Planentwurf eingegangen, beeilte sich Peckskamp zu versichern, wobei weiterhin offen bleibt, welche und in welcher Form. − Dazu sollte man vielleicht noch wissen, dass, rein quantitativ, gerade mal ein Prozent des Berichts zum Planentwurf vom 17.12.09 der Darstellung der Sicht der BürgerInnen gewidmet ist. (Was von der zweiten Veranstaltung Eingang fand, bleibt gänzlich offen.) Und dass dieser Bericht, wenngleich nur in einer Kurzfassung, lediglich dem Bürgerverein Luisenstadt zugänglich gemacht wurde. [ Präsentation und dabei verwendete Planunterlagen wurden, wie berichtet, inzwischen auf der Website von Herwarth + Holz zugänglich gemacht. ]

Bezirksamt schaukelt die Sache schon

Daraufhin  legte der Bürgermeister dar, dass sich der Bezirk ohnehin mit all seinen Anliegen habe durchsetzen können: etwa der Schaffung grüngliedernder Elemente entlang von Alexandrinen- und Oranienstraße, Beibehaltung des nordwestlichen Moritzplatzes als Grünanlage mit Vorhalten einer Fläche für ein Berliner-Mauer-Projekt sowie keine Rückkehr zu straßenbündiger Blockrandbebauung entlang des Kreuzberger Teils der Heinrich-Heine-Straße.

Beteiligte BürgerInnen werden nicht gehört

Die der Ausschusssitzung als Gäste beiwohnenden BürgerInnen, die am beiden Bürgerabenden teilgenmmen hatten und nun gerde ergänzend u.a. vom Unmut etlicher TeilnehmerInnen des 2. Bürgerabends angesichts des unzureichenden Informationsstands berichtet hätten, welchem durch Online-Veröffentlichung des genannten Berichts [er enthält auch viele Pläne und sehr interessante historische Aufnahmen] doch sehr leicht abzuhelfen (gewesen) wäre, bekamen bedauerlicherweise kein Rederecht. − Aufschlussreich auch, dass, wie bereits berichtet, der Bürgerverein Luisenstadt von insgesamt immerhin vier Bürgerveranstaltungen spricht, sich also seine Sonderbehandlung im Rahmen der BürgerInnen-Beteiligung bewahren konnte.

Leitbild Grünraum steht aus!

Sodann wäre zu betonen, dass im Vorfeld der Anlage/Stärkung der auch aus Sicht der Planer quantitativ und qualitativ unzureichenden Grünflächen, deren Größe sich nach dem vorliegenden Entwurf ja mitnichten erhöht, unbedingt unter BürgerInnen-Beteiligung ein bezirksübergreifendes Leitbild  entwickelt werden sollte, sowohl was Qualifizierung als auch was Pflege betrifft. Denn dass z. B. die allenthalben vorgenommene Auslichtung der bestehenden Parkanlagen zur Beseitigung von „Angsträumen“, Erhöhung der Transparenz und damit der  sozialen Kontrolle Teil eines solchen Leitbilds sein sollte, ist auch im weiblichen Bevölkerungsteil sehr umstritten und ließe für die „Stärkung“ der Grünverbindung nichts Gutes erwarten.

Der von uns immer wieder eingeforderte Paradigmenwechsels in der Grünflächenpflege hin zum Dulden von Spontanaufwuchs, eigendynamischer Vegetationsentwicklung mit natürlicher Verjüngung und einem Zulassen von „Wildnis im urbanen Raum“ [was im Fall der Brachflächen entlang des Grenzverlaufs sogar eine kulturelle Konnotation erhielte],  und all dies nicht nur aus ökologischen (Klima- und Artenschutz), umweltpädagogischen (authentische Naturerlebnisräume), sondern sogar aus haushalterischen Gründen: Nicht selten ohnehin scheiternde Neupflanzungen wären in geringerem Maße erforderlich; pflegerische Eingriffe müssten zwar sehr fachkundig, könnten dafür aber umso seltener erfolgen, seltener jedenfalls als z. B. bei ständig zu mähenden und zu wässernden Kurzrasenflächen, die während sommerlicher Hitzeperioden in aller Regel dann doch großflächig vertrocknen.

Nachtrag zur Umweltausschusssitzung

Im Nachgang zur letzten Umweltausschusssitzung am 19. Januar sei auch noch angemerkt, dass nicht einmal die von der Linken eingebrachte Beantragung einer Beschlussempfehlung für die BVV angenommen wurde, aus ökologischen Gründen unter Büschen und Hecken das Laub liegen zu lassen [Schutz vor Erosion, Habitat für Kleinlebewesen, Humusbildung − ausgenommen selbstredend das von den Larven der Miniermotte kontaminierte Laub der weißblühenden Rosskastanie] −, weil sich die Fraktion von B’90/Die Grünen unverständlicherweise enthielt bzw. dagegen stimmte und damit dem Gegenantrag von John Dahl (SPD) zur Mehrheit verhalf. − Ungeachtet dessen soll für den „Laub-Antrag“ in der nächsten BVV-Sitzung am 27.Januar, also nächsten Mittwoch, dennoch eingebracht und für eine Annahme geworben werden.

Bereits umgesetztes Konzept wird dem Ausschuss nächstes Mal erläutert

Was die Gestaltung des Görlitzer Parks und besonders seinen Ostteil angeht, bestätigte Baustadträtin Kalepky, dass die drei rot punktierten Bäume gegenüber der einen der beiden neuen Toreinfahrten stehen bleiben dürfen. Was die nämlichen roten Punkten auf zahlreichen Bäumen nahe der neuen Treppe bedeuten, konnte Frau Kalepky nicht sagen. Ansonsten werde sie dem Umweltausschuss auf seiner nächsten Sitzung im Februar das Planungskonzept, das angeblich mit BürgerInnen-Beteiligung ausgewählt wurde, ausführlich vorstellen. − Das hat einen  Schönheitsfehler, dass nämlich dieses Planungskonzept (nach den eigenen Worten Frau Kalepkys) weitestgehend umgesetzt ist. − Auf das uns schon vor Monaten zugesagte Protokoll jener entscheidenen Planungswerkstatt, das die BürgerInnen-Beteiligung, von der zumindest niemand der AnwohnerInnen, mit denen wir sprachen und die schlicht entsetzt sind,  etwas mitbekommen hat, warten wir übrigens noch immer, was nun sogar ganz offiziell protokolliert worden ist.

Vandalismus im Grunewald

Mit Harvester und Kettensäge durchs Naturschutzgebiet

Sichtschneise nahe Grunewaldturm

Sichtschneise am Grunewaldturm

Bei jeder einschlägigen Gelegenheit brüsten sich SenStadt-VertreterInnen voller Stolz mit dem grünen Berlin, der − mit ihrem ca. 29.000 Hektar knapp zwanzig Prozent ihrer Fläche einnehmenden Stadtwald − nach Wien zweitwaldreichsten europäischen Metropole, mit einer schon 2002 nach FSC– und den noch strengeren Auflagen des Naturland-Siegels zertifizierten ökologischen Waldbewirtschaftung. − Doch wenn man sich in diesen winterlichen Tagen in den Grunewald verirrt, z. B. ins Revier Saubucht und das dortige Naturschutzgebiets (NSG), in die Gegend des Grunewaldturms oder auch den Hangwald unterhalb der Stallupöner Allee entlang wandert: überall bietet sich ein Bild brachialer Durchforstung, ja streckenweise regelrechter Verwüstung, und all dies angerichtet unter Einsatz schweren Geräts, so genannter Harvester.

Harvester

Harvester in Aktion

Diese Maschinen sind schon wegen der Bodenverdichtung in einem NSG grundsätzlich unzulässig, ruinieren aber auch sonst die Waldwege und verursachen in Hanglagen die Erosion fördernde, breite Abflussrinnen. Auch die SpaziergängerInnen, auf die man trifft, empören sich über den „Vandalismus“, der die Waldränder entlang der Wege rücksichtlos zerfranst. (Nicht nur) ökologisch wertvolle alte Eichen, Kiefern, Birken, sog. Z- (= Zukunfts) Bäume, werden auch manuell mit der Kettensäge umgelegt, während nebenan krüpplige Lärchen oder ganze Stangenholz-Äcker wie etwa entlang der Tapiauer Allee, die seit Jahren einer Auslichtung bedürften, weiterhin unbehelligt bleiben. − Offensichtlich scheint es auch bei dieser Waldwirtschaft weniger um Ökologie als vielmehr um Ökonomie zu gehen.

Und der „Runde Tisch Wald“ ?

Saubucht

In der Saubucht

Die engagierten Berliner Naturschutzverbände, die mit VertreterInnen der Berliner Forsten am Runden Tisch „Berliner Wald“ sitzen, einer schon seit 1999 bestehenden „richtungsweisenden Einrichtung“ (Staatssekretärin Krautzberger), die „einen unbürokratischen Umgang und Gedankenaustausch ermöglichen“ soll, sind bei geplanten Holzeinschlägen dieser Dimension und insbesondere in Naturschutzgebieten auf jeden Fall im Vorfeld nicht nur zu informieren, sondern an der Erörterung der fachlichen Notwendigkeit und Art der Durchführung der geplanten Maßnahmen zu beteiligen, soll diese Institution nicht als bloßes Feigenblatt dienen −, doch die Verbände wissen von den aktuellen umfänglichen „Baumarbeiten“ im Grunewald nichts.

Förster in Urlaub

In der Saubucht

dito

Wir hören, dass die Berliner Forsten, offenbar selbst nicht im Bilde, nun einen Ortstermin in der zweiten Februarhälfte vorgeschlagen haben, nämlich dann, wenn der zuständige Revierförster aus dem Urlaub zurück sei − und sich vom bestandsschonenden Vorgehen der beauftragten „Baumpflegefirma“ post festum überzeugt hat?

Stopp der Maßnahmen bis zum Ortstermin!

Naturschutz-Eule

Naturschutz-Eule auf der Strecke

Wir meinen, mindestens bis zu diesem Ortstermin unter Beteiligung von VertreterInnen der Naturschutzverbände sollte der Holzeinschlag, der − für ein Kind ersichtlich − eben nicht „bestandsschonend“ erfolgt, ja sogar symbolträchtig einen Baum mit der Naturschutz-Eule niedermähte, sofort eingestellt werden!

Es kann und darf einfach nicht sein, dass jetzt auch noch externe, fachlich nicht ausreichend qualifizierte oder instruierte Fremdfirmen nicht nur unsere Straßenbäume verkrüppeln oder die Parkanlagen mit der Kettensäge pflegen, sondern − und auch noch unbeaufsichtigt vom zuständigen Revierförster oder sonstiger naturschutzfachlicher Kompetenz − inmitten von Naturschutzgebieten mit schweren Maschinen ökologisch wertvollste Altbäume „ernten“, unter Zurücklassung von Schneisen der Verwüstung. Oder die Waldwirtschaft der Berliner Forsten hat nicht mehr länger Anspruch auf die genannten Öko-Siegel!

Kettensäger

Entasten einer gefällten Alteiche

SenatsvertreterInnen können erst wieder 2012

Umweltausschuss versuchte, sich mit Gleisdreieck-Wäldchen zu befassen

Nunmehr bereits zum dritten Mal haben VertreterInnen von SenStadt den Friedrichshain-Kreuzberger Bezirksverordneten, die sie in den Fachausschuss für Umwelt, Verkehr und Wohnen am vergangenen Dienstag (19.1.) eingeladen hatten, um Näheres über die umstrittene Umsetzung des Loidl-Entwurfs auf dem Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs und darüber hinaus zu erfahren, einen Korb geben müssen: Man sei derzeit von der berlinweiten Umsetzung diverser Förderprogramme (u.a.  im Kulturbereich) derart in Beschlag genommen, dass es aus personellen Gründen nicht möglich sei, vor 2012 einer solchen Einladung ins ehemalige Kreuzberger Rathaus Folge zu leisten – mithin erst dann, wenn der Park am Gleisdreieck schon ein Jahr lang der Öffentlichkeit übergeben worden sein dürfte. − Auch die ebenfalls eingeladenen Vertreter der senatseigenen Grün Berlin GmbH und des Atelier Loidl waren daraufhin erwartungsgemäß ebenfalls nicht erschienen.

Nichtachtung der BVV

Lichtung im Wäldchen

Lichtung im Wäldchen

Wenn so mit den Mitgliedern eines Kommunalparlaments verfahren wird, in deren Zuständigkeitsbereich Maßnahmen der Landesregierung, wie z. B. die Rodung und Planierung artenreicher Stadtnatur zur Erstellung eines „nutzbaren“ Parks von gesamtstädtischer Bedeutung, sowie die nun − in einer weiteren eigenmächtigen, ohne Beteiligung von offiziellen oder „nur“ delegierten BürgervertreterInnen vorgenommenen Modifizierung des ursprünglichen Loidl-Entwurfs − auch noch geplante dreifache Durchwegung des noch einzig übrigen, doch ökologisch wertvollsten Teils der ehemals einzigartigen Brachlandschaft, des sog. Wäldchens, auf erbitterten Protest engagierter BürgerInnen gestoßen sind und weiterhin stoßen, andererseits aber die Xhainer BVV das Bezirksamt schon im vergangenen Frühjahr ersucht hat, sich bei der Obersten Naturschutzbehörde für die Unterschutzstellung genau dieses Wäldchens als Geschützten Landschaftsbestandteil (GLB) und für die einstweilige Sicherstellung eines Veränderungsverbots bis zur Klärung der Möglichkeit einer Unterschutzstellung einzusetzen −, ja dann brauchen sich die BürgerInnen eigentlich nicht zu wundern, wenn ihre Proteste ignoriert und stattdessen lieber vollendete Tatsachen geschaffen werden.

Erneute Darlegung der Schutzwürdigkeit überflüssig

Zäunchen im Wäldchen

Dackelschutz im Wäldchen

Baustadträtin Kalepky brachte dem Umweltausschuss einen weiteren Zwischenbericht zum Betreiben des Unterschutzstellungsverfahrens zur Kenntnis, denn: „Nur die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung kann, soweit es aus deren Sicht erforderlich ist, bis zur Unterschutzstellung Veränderungsverbote/ einstweilige Sicherstellung aussprechen“, doch der Unteren Naturschutzbehörde, also dem Xhainer Fachbereich Naturschutz und Grünflächen obliege es, „mit Hilfe von bereits vorhandenen Gutachten und eigenen Vor-Ort-Begehungen die naturschutz-fachlichen Aspekte, die die Notwendigkeit der Unterschutzstellung untermauern,“ − erneut zu untermauern. Dabei ist auch nach Ansicht der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN) die Datenlage vollkommen ausreichend. − Womöglich erhoffen sich auch die Verantwortlichen, dass sich infolge des von Grün Berlin mitten in der letzten Brutperiode vorgenommenen, mit dem BA ebenfalls nicht abgesprochenen Abriss des seinerzeit in seinem Auftrag errichteten mannshohen Schutzzauns ums Wäldchen (der schließlich nach Monaten durch eine 60 cm hohe Miniatur ersetzt wurde), die Schutzwürdigkeit schon etwas relativiert hat.

Zerschneidung konterkariert Biotopverbund

In Kürze, so Jutta Kalepky, finde jedenfalls eine Unterredung zwischen VertreterInnen des BA und Grün Berlin statt, weshalb denn auch am Rande der Ausschusssitzung die als Gäste anwesenden Mitglieder der AG Gleisdreieck der Baustadträtin noch einmal ihre entschiedene Ablehnung der „Erschließung“ des Wäldchens durch drei Wege deutlich machten, die ganz unabhängig von Breite und Art der Versiegelung durch den dadurch initiierten hohen Nutzungsdruck u.a. negative Auswirkungen auf die vorhandene Avifauna (nicht nur für Bodenbrüter wie Zilpzalp, sondern auch Heckenbrüter von Zaunkönig bis Gelbspötter und Greifvögeln wie dem Mäusebussard, der hier seinen Horst hat) unvermeidliche Konsequenz sei. − Die Baustatadträtin sicherte indessen zu, in entsprechender Weise zu argumentieren bzw. ihre Mitarbeiterin zu instruieren, mochte sich jedoch die Forderung eines Fäll-Moratioriuns, wie sehr die BürgervertreterInnen auch darauf insistierten, offenbar nicht zu eigen zu machen.

abgetrennte Ecke

Mit schwerem Gerät bereits abgetrennter Südwest-Zipfel

Wiedergewinnung von Stadt

BürgerInnen-Inititative Bäume für Kreuzberg

Vom 2. Bürgerabend zur Städtebaulichen Rahmenplanung Luisenstadt

Ein Angebot an die BürgerInnen?

Gestaltung

Das Gestaltungskonzept

Die sog. Angebotsplanung von Herwarth + Holz, steht bzw. Anregungen und Kritik des Bürgerabends Numero 2 am vergangenen Donnerstag (13.1.) werden rasch, sehr rasch noch eingearbeitet, denn am 15. Januar, also gestern, war schon Redaktionsschluss: Dann wird der Entwurf zur „Städtebaulichen Rahmenplanung Luisenstadt“ den zuständigen Stadträten von Mitte und F’hain-Kreuzberg vorgelegt, und diese wiederum leiten sie an die beiden Kommunalparlamente weiter − „zur Kenntnisnahme“, wie es heißt.

Der diesmal ausreichend beheizte Kirchenraum war seltsamerweise so abgeteilt und bestuhlt, als würde nurmehr die Hälfte interessierter BürgerInnen erwartet als zur Auftaktveranstaltung am 20. Oktober, doch trotz völlig unzureichender Bewerbung kamen diesmal zur sichtlichen Überraschung der VeranstalterInnen noch deutlich mehr, so dass Frau Thomas von der katholischen Pfarrgemeinde St. Michael auch noch die Treppe als gute Sitzgelegenheit empfehlen musste…

Der Informationsstand der von der geplanten „Wiederentdeckung von Stadt“ Betroffenen − immerhin 22.000 EinwohnerInnen im zweieinhalb qkm großen Planungsgebiet − den wir schon anlässlich jenes ersten Bürgerabends vor drei Monaten bemängelten, hat sich trotz gegenteiliger Beteuerungen zwischenzeitlich kaum verbessert, ja vor der Weihnachtspause hatten sich z. B. auch die Mitglieder der entsprechenden Fachausschüsse der BVV F’hain-Xberg noch wenig bis gar nicht informiert bzw. interessiert an diesem „großen Ost-West-Projekt“ gezeigt, da es doch ganz überwiegend nur Mitte betreffe…

Erste Garnitur der beteiligten Bezirke terminlich verhindert

Podium

Das Podium

Die Damen der Verwaltung, die auf dem Podium Platz genommen hatten: Gudrun Matthes von SenStadt, Abt. IV., mit den Bereichen Stadterneuerung, Soziale Stadt sowie Mittelvergabe gemäß Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz; Kristina Laduch, Fachbereichsleiterin Planen im Bezirksamt Mitte, die Baustadtrat Gothe vertrat; und Jutta Kalepky, Baustadträtin von Xhain, in Vertretung von Bürgermeister Schulz −, sie alle gaben sich überzeugt, dass für ausreichende Öffentlichkeitsarbeit gesorgt worden sei, doch außer Pressemitteilungen (die von der Presse nicht aufgegriffen wurden und auch im Web nicht zu finden sind) und die Verteilung von Flyern an die direkten AnwohnerInnen wussten sie wenig aufzuzählen. − Die Pläne hätten bei Bürgerfesten ausgelegen, seien intensiv mit dem Bürgerverein Luisenstadt sowie in „Stadtteilrunden“ diskutiert worden, beeilte sich noch der auch diesmal den Abend moderierende Carl Herwarth von Bittenfeld vom beauftragten Architekturbüro Herwarth + Holz zu ergänzen.

Keine Partizipation2.0 − kein webbasierter Dialog

Gestaltung 02

Gestaltungsvorschläge

Die Anregung, das Internet nicht nur einkanalig als virtuellen Schaukasten, sondern als interaktives, zweikanaliges und dazu unschlagbar kostengünstiges Medium einzusetzen, also mit Wiki, Forum oder wenigstens einer digitalen „Pinnwand“ echten Dialog zu ermöglichen, um bei diesem Großprojekt, das auf Grund seines Bezirks- und Verwaltungsebenen übergreifenden Charakters immerzu, und jetzt auch wieder von Frau Matthes, als modellhaft gepriesen wird, die gesetzlich ja nun mal vorgeschriebene BürgerInnenbeteiligung gleichermaßen modellhaft anzugehen −, dieser schon am vorigen Bürgerabend unterm Motto einer Partizipation2.0 dringend angeratene Weg wurde wieder nicht beschritten. Und das Reden von „wir haben dies und jenes eingestellt“ [was noch nicht einmal stimmte], nährt den Verdacht, dass hier was beharrlich [und vorsätzlich?] missverstanden wird.

Ausgangssituation

Herwarth von Bittenfeld beschreibt die Ausgangssituation

Natürlich ist dieses „Einstellen“ von Unterlagen, Plänen, Protokollen etc. notwendige Bedingung5, denn sonst erhalten, wie mehrere, darunter vor allem jüngere, TeilnehmerInnen zu Recht hervorhoben, die zu „Gebietsexperten“ beförderten BürgerInnen eine Stunde lang eine frontale Breitseite unterschiedlichster Daten, Fakten, Hintergründe und haben dann eine weitere Stunde Gelegenheit zur Replik [„die letzte“, wie die Senatsvertreterin zu allem Überfluss auch noch dramatisierte], aber eben keine Möglichkeit, sich im Vorfeld in Ruhe mit der Materie auseinanderzusetzen (die lt. Herwarth ein 200-Seiten-Kompendium umfasst), mit prinzipiellen wie mit Detailfragen, was doch angesichts der Komplexität des auf eine zehnjährige Umsetzungsphase angelegten Vorhabens selbstverständlich sein müsste. − Und so bleibt eben nur, sich entweder auf Einzelheiten zu kaprizieren, die mehr oder minder direkt den eigenen Wohnbereich berühren, oder allzu abstrakt übers große Ganze zu extemporieren − auf die Gefahr hin, sich in Schlagworten und Gemeinplätzen zu verlieren, was dann auf gleicher Ebene gekontert werden kann und den Nährwert des Austauschs gegen Null tendieren lässt.

Problembewusstsein der Planer6

Leitziele

Leitziele

Erfreulicherweise zeigen Herwarth + Holz, was das Gebot der Stunde, sei’s in ökologischer oder sozialer Hinsicht, angeht, ein beachtliches Maß an Problembewusstsein. Die Planer müssen jedoch den Vorgaben der (Haupt-)Verwaltung nachkommen, die durch allerlei Kampagnen für Klima- und Artenschutz, Grünes Leitbild, Lärm- und Feinstaubminderung oder Förderung des Radverkehrs zwar wenig Nachhaltiges, aber viel fürs Greenwashing tut, an ihren konkreten Taten gemessen, jedoch täglich unter Beweis stellt, das es ihr vor allem um „Aufwertung“ im monetär-materiellen Sinn geht, um in einem unserer Meinung nach völlig überholten Verständnis von „Investorenfreundlichkeit“ die „harten Standortfaktoren“ der urbanen Mitte Berlins zu stärken. Ums zuzuspitzen: Wenn vom Erhalt der „Grünen Metropole“ und unseres „ungeheuren Grünvolumens“ geredet wird, ist hauptsächlich die Tourismusindustrie der Adressat; wenn grüne, soziale und kulturelle Infrastruktur „qualifiziert“ werden sollen, dann vor allem, um die solventere Klientel in der City zu halten oder zur Rückkehr aus dem Speckgürtel zu locken.

Fördermittel von Land, Bund und EU

Frau Matthes betonte also noch mal das besondere Interesse der Senatsverwaltung an der Luisenstadt und resümierte, dass in Fortführung des Stadterneuerungsprogramms aus 66 geprüften Gebieten 13 ausgewählt worden seien, um sie binnen zehn Jahren aufzuwerten, darunter eben die nördliche Luisenstadt, für die nun vorbereitende Untersuchungen liefen, ob sie die Kriterien eines Sanierungsgebiets erfülle, so dass neben den Fördermitteln aus dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz auch solche für Stadterneuerung und -umbau fließen können.

Das städtebauliche Leitbild

Schwerpunktthemen

Schwerpunktthemen

Herwarth von Bittenfeld präsentierte das städtebauliche Leitbild der Rahmenplanung, in das die vielfältigen Anregungen der BürgerInnen eingearbeitet worden seien, ohne freilich auszuführen, welche wo und wie, aber nach Beschluss dieser „Angebotsplanung“ durch die beiden BVVen würden ja erst die einzelnen Projektplanungen ausgeschrieben, und bei deren konkreter Ausführung gebe es für die Betroffenen dann noch viel Gelegenheit, sich einzubringen und mitzuwirken, so dass es sich bei der gegenwärtigen Veranstaltung also keineswegs schon ums Finale handele. Die Botschaft hörten wir wohl −, doch prangen auf den Plänen bspw. schon reichlich hell- und dunkelrote Felder, die entweder Vorplanungen für Neubauvorhaben oder einen bereits verbindlich Planungsstand, nämlich die vielen bereits erteilten Bauvorbescheide signalisieren, das Ergebnis zahlreicher intensiver Arbeitsgespräche, von denen Frau Laduch vom Stadtplanungsamt Mitte berichtete. (Am 1.12. hatte es ferner eine geschlossene Veranstaltung mit den eigentlichen „Gebietsexperten“ gegeben: „Institutionen, Eigentümern, Verwaltungen“, worüber nichts an die Öffentlichkeit gedrungen ist −, doch es wurde versichert, dass denen gar nichts anderes präsentiert worden sei als uns jetzt.)

Die Ausgangslage

Maßnahmen

Maßnahmen

Städtebaulich zeigt die Luisenstadt gegenwärtig nach Westen, zum Stadtzentrum hin (Achse Lindenstraße) eine sehr urbane „Mantelzone“ mit wenig Wohnbebauung und hohem Dienstleistungsanteil, die nordöstlich entlang der Spree stark gewerblich geprägt ist. Nach Südosten hin folgen auf den „Mantel“ lockere Strukturen von mit Gewerbe durchmischter Wohnbebauung und relativ hohem Grünanteil, woran sich dann auf Kreuzberger Seite die „gründerzeitlichen“ Strukturen hochverdichteter Wohnquartiere anschließen, mit Läden, Gastronomie, kulturellen Einrichtungen, Agenturen etc., kurz: der Kreuzberger Mischung vor allem im Erdgeschoss. − Ins Auge springt die Heterogenität der städtebaulichen Struktur, die Koexistenz der Gegensätze, die durch „die Geschichte“ erzeugten Brüche und Brachen, ein Nebeneinander von Zerstörung und Aufbau.

Justierung

Wallstraßenblock

Der Wallstraßenblock

Angesichts dieser Ausgangssituation präsentierten Herwarth + Holz als städtebauliches Leitbild für die Luisenstadt eine „Justierung zwischen der (Über)Urbanisierung der Gründerzeit und der (Unter)Urbanisierung der Moderne.“ In Bewahrung und Nutzung des historischen Gedächtnisses dieses Stadtteils gelte es, seine Gebäudesubstanz (mit Ausnahme einiger abzureißender Lagerhallen am Spreeufer) zu erhalten, behutsam weiterzuentwickeln und zu ergänzen, die Lücken und Brachen zu verbinden und zu vernetzen.

Von der Wiedergewinnung eines Stadtteils zur Wiedergewinnung von Stadt

„Wiedergewinnung von Stadt“ meine in diesem Fall, das Erreichen einer hohen Wohn-, Aufenthalts- und Lebensqualität durch Entwicklung der sozialen, kulturellen und grünen Infrastruktur, Verflechtung der Luisenstadt nach innen und außen, ihre Heranführung „an neue Ufer“, also das der Spree, Schaffung bzw. Stärkung stadtraumbedeutsamer Grünverbindungen, zentraler Orte und des Geschäftszentrums, die Entwicklung der Straßen zu öffentlichen Räumen für AnwohnerInnen, Beschäftigte und BesucherInnen.

Gestaltung

Sebastianblock

Der Sebastianblock

Entlang der Achse Prinzen- und Heinrich-Heine-Straße, also in der „Mantelzone“, soll durch zahlreiche Bauvorhaben über die Schaffung von „Synapsen“ die Verschmelzung beider Stadtteile, Luisenstadt und Mitte, an zentraler Stelle beispielhaft gelingen. Nördlich der Annenstraße könne noch verdichtet und in der Folge das Heinrich-Heine-Forum als „Marktort“ in seiner Zentrumsfunktion gestärkt werden. − Die Grünanlage am Moritzplatz sei weiterzuentwickeln, auch die Erinnerung an den Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße als eine Art „Klein-Checkpoint Charlie“ zu bewahren. − Längs der Köpenicker Straße sollen die „zerfransten“ Blockränder ergänzt werden; gegenüber des ver.di-Gebäudes gebe es noch einen Großstandort für Baugruppen. − In Abkehr vom Planwerk Innenstadt und seiner Wiederherstellung straßenbündiger Blockrandbebauung solle es entlang der Alexandrinenstraße grüngliedernde Elemente geben und auch eine entsprechende Qualifizierung entlang Heinrich-Heine- und Oranienstraße, eine Vernetzung der Grünanlagen, wenn auch nicht in direktem Anschluss, so doch  im Geiste Lennés, und eine Anbindung über Michaelkirch- und Lichtenberger Straße bis zum Volkspark Friedrichshain. − Neben dem genannten Planwerk seien auch alle übrigen kontroversen Planungen gründlich gesichtet und hinterfragt und, nach Übernahme des Brauchbaren, nunmehr ersetzt worden im Bestreben, „aus Gräben Baugruben“ zu machen, worüber übrigens verwaltungsübergreifend bereits Konsens herrsche.

Unter bzw. hinter dem Mantel definierten die Planer sechs Großräume oder Schwerpunktbereiche, und zwar der

  • Wallstraßen-
  • Sebastian-
  • Dresdener-
  • Annen-
  • Holzufer- und der
  • Stallschreiberblock

Maßnahmen

Dresdenerblock

Der Dresdenerblock

Zu den hier geplanten Maßnahmen [siehe auch unsere  − angeklickten − Fotos]: der Bebauung; bzgl. der Straßen, Wege und Plätze; der Grünanlagen und -verbindungen sowie der sozialen Infrastruktur äußerte sich Herwarth-Kollege Thomas Fenske in sehr gedrängter Form, da er ja nicht von dem Stündchen Diskussionszeit noch was abknapsen mochte. Er betonte − sicher auch in Reaktion auf das Thesenpapier (S. 1 + 2) der AG Verkehr im BV −, dass keinerlei neuen Straßenöffnungen geplant seien (auch die Dresdener Straße werde mitnichten wieder Durchgangsstraße), stattdessen aber viel radverkehrliche Maßnahmen, besonders auch auf der Annenstraße, dazu Straßenverengungen etwa durch Baumpflanzungen: Das Votum der Verkehrsberuhigung sei also aufgenommen und nur noch auf der Köpenicker, der Oranien- und der Heinrich-Heine-Straße 50 km/h vorgesehen, überall sonst aber Tempo 30 oder noch darunter! Ferner sei der ÖPNV zu verbessern, namentlich die Bus-Frequenz, der U-Bhf. Heinrich-Heine-Straße aufzuwerten, und sodann der Spreeuferweg als Freiraum offen zu halten, mit „grünen Fenstern und Trittsteinen“ (und in Absprache mit den Eigentümern), ferner der Köllnische Park zu qualifizieren und das Märkische Museum aus seinem Dörnröschenschlaf zu wecken. Die Grenze mit ehemaligem Mauerstreifen sei endgültig zu überwinden, und über Brachflächen seien bauliche Brücken zu schlagen.

Keine Chance zu qualifizierter Stellungnahme

Annenblock

Der Annenblock

Es würde unseren Rahmen sprengen, hier Leitbild, Entwicklungsziele, Gestaltungsprinzipien und „-vorschläge“ im Einzelnen zu diskutieren und zu bewerten [die offiziellen sind unseren − angeklickten − Fotos zu entnehmen], wie auch das durch die Zubilligung nur einer einzigen Stunde für Verdauung und Reaktion einigermaßen überforderte Publikum in der sogleich sehr lebhaft aufbrandenden Debatte nur einige wenige Details und Gesichtspunkte quasi herauspicken konnte und angesichts dieses künstlich erzeugten, für ernstgemeinte Beteiligung absolut kontraproduktiven Zeitdrucks einigen Unmut bekundete. Es hätte, wie gesagt, für eine qualifizierte Diskussion im Sinne wenigstens rudimentärer Beteiligungsansätze einer eingehenden Vorbereitung anhand der (kommentierten) Planunterlagen bedurft −, doch auf der anderen Seite verblüffte der Vorsitzende des Bürgervereins Luisenstadt, der offenbar in alter Tradition einmal mehr als privilegierter Träger der BürgerInnen-Beteiligung mit einigen Materialien bedacht worden war, indem er sich über die Fülle des ihm Übersandten beklagte.

Einige Schlaglichter

Nachverdichtung, Brachen und Grünanlagen

Daten

Daten

Wenn z. B. die 16 ha Brachflächen alternativ als „untergenutzte Flächen“ figurieren und andererseits für den erwarteten Bevölkerungszuwachs von 5 bis 8000 Menschen 4100 neue Wohneinheiten entstehen sollen, wird schnell klar, dass neben der Frage, in welchem Preissegment sich diese Wohnungen bewegen werden − was heißt denn in diesem Zusammenhang „Aufwertung“? −, die Art und Weise der Nachverdichtung interessieren muss. Denn angesichts der Folgen des Klimawandels, die insbesondere unsere Region und genau solche innerstädtischen Bereiche schon in wenigen Dekaden heimsuchen werden, muss Nachverdichtung sorgsam gegen den Bedarf an Freiflächen, Schattenzonen und Kaltluftentstehungsgebieten abgewogen werden. Und wenn auch die Pläne prima facie einen ordentliches grünes Netz aufzuweisen scheinen und ja auch viel von Qualifizieren, Stärken und Verbinden die Rede war, so bleibt festzuhalten, dass sich unterm Strich der Grünanteil keineswegs erhöht und hierfür von der Verwaltung auch gar kein Bedarf gesehen wird, weise dieses Stadtviertel doch einen außerordentlich guten Index auf, wenn es um fußläufig erreichbare Grünflächen gehe − so als sei Grünfläche gleich Grünfläche; so als habe ein Grünstreifen, auch wenn mitunter türkisch-deutsche Familien zum Verschnaufen damit Vorlieb nehmen mögen, irgendeine Aufenthaltsqualität. − Hier ist, wie schon öfter in diesem Blog betont, eine öffentliche, stadtnaturschutzfachlich unterlegte Leitbild-Debatte überfällig, nach welchen Kriterien wir unser öffentliches Grün künftig gestalten und pflegen wollen, um endlich den Anforderungen an ökologische Nachhaltigkeit zu genügen, und dies auch mit Blick nicht nur aufs Ballspielen, sondern auf die Naturerfahrung von Kindern und Jugendlichen und das Existenzrecht unserer nichtmenschlichen urbanen Mitwelt!

Stallschreiberblock

Der Stallschreiberblock

Und über dem Totschlagsargument, die Brachflächen, auf denen oft wertvolle Ruderalvegetation in schon weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadien gedeiht, seien derart von Altlasten kontaminiert, dass sie erstmal eines kompletten Bodenaustauschs bedürften, sollten wir dies doch bitteschön zunächst im Einzelfall überprüfen und abwägen, anstatt das Ganze umstandslos als Bauland auszuweisen, und uns ansonsten konsequenterweise auch so akribisch um die Altlasten von morgen bekümmern, die unser heutiger Lebensstil tagtäglich produziert.

An die Wohnungsbaugesellschaften sei jedenfalls das Angebot ergangen, unter Wahrung der grün geprägten Wohnstrukturen und dem Aspekt seniorengerechten Wohnens ihren Bestand weiterzuentwickeln, doch für Standard und Ausstattungsniveau, worin private Investoren Wohnraum bereitstellen, könnten, so Senats- und Bezirksvertreterin Mitte unisono, selbstverständlich keinerlei Vorgaben gemacht werden. Primär bemesse sich die Qualität von Wohnraum ohnehin an seiner Lage. − Hier muss vor allem z. B. per Grundbucheintrag festgeschrieben werden, dass die Innenbereiche nicht unbegrenzt versiegelt und überbaut werden dürfen.

Erhalt von Möglichkeitsräumen

Unbefriedigend sei auch die Situation der alternativen Wohn- und Lebensprojekte wie z. B. des Schwarzen Kanal, die sich nur einer geduldeten Zwischennutzung auf Privatgrund mit ständiger Räumungsdrohung erfreuen. Sondernutzungsformen wie der Tresor u.a. und Möglichkeitsräume für Experimente würden auf diese Weise schrittweise verdrängt. Obwohl den Leuten lt. Frau Laduch vom Planungsamt Mitte unter persönlichem Einsatz von Stadtrat Gothe „20 bis 30 Alternativstandorte“ [sic!] angeboten worden seien, habe keiner ihren Anforderungen genügt.

In Reaktion auf die Forderung, den Mauerweg unbedingt auch weiterhin als geschichtliche Spur zu betonen und entsprechend offenzuhalten, versicherte Senatsvertreterin Matthes, das bleibe selbstverständlich weiterhin Thema.

Auch im Hinblick auf die Verkehrsberuhigung setzte es einerseits heftige Kritik seitens eines Bürgervereinsvertreters, der im „Nadelöhr“ Michaelkirchstraße, das durch einen Radstreifen noch weiter verengt werden soll, den Hauptgrund für den zweimal täglichen Rückstau des Autoverkehrs bis zum Moritzplatz sieht, deshalb also vehement für Erweiterung eintrat und dabei Schützenhilfe von AnwohnerInnen erhielt, die schließlich mit ihrem Auto nach Hause und von dort auch wieder wegkommen müssten −, während andere das vorgestellte Verkehrsberuhigungskonzept ausdrücklich lobten, das Autofahren in der Luisenstadt ja gerade unattraktiv machen solle, aber in der Ergänzung der Blockrandbebauung, zumal in Nord-Süd-Richtung, also etwa entlang der Heinrich-Heine-Straße, Schluchten entstehen sehen, die durch die hier nun mal vorherrschenden Westwinde nicht mehr durchlüftet werden könnten. Und vollends grotesk sei es, die Blockränder als Lärmschutz fürs private Grün der Innenhöfe zu errichten, zumal wir doch davon ausgehen sollten, dass Lärm und sonstige Emissionen produzierender Individualverkehr, der in Berlin schon jetzt erfreulich rückläufig sei, bald ganz der Vergangenheit angehören müsse, wenn denn überhaupt noch Verkehr in unseren Ballungszentren möglich sein soll. − Die Straße werde durch Blockrandschließung mitnichten zum öffentlichen Raum, sondern dabei allenfalls nach dem „Presswurst-Prinzip“ verfahren: ein langer eng gequetschter Abschnitt bar jeder Aufenthaltsqualität; dann eine Ab- (oder in diesem Fall Auf-)schnürung durch ein Grün- oder Freiraumsegment, woran sich der nächste schluchtartige Abschnitt anschließt.

Und wie geht’s weiter?

Mehrfache Nachfragen, wie denn im weiteren Verlauf die BürgerInnen-Beteiligung, die es bislang und ausgerechnet bei diesem modellhaften Großprojekt wieder nur in Schrumpfform gegeben habe, gehandhabt und ihrerseits noch aufgewertet werden solle; wie sich Interessierte etwa in Bebauungsplanverfahren einbringen könnten, wenn sie nicht einmal darüber informiert würden; ob nicht die Einrichtung einer Management- oder Anlaufstelle für Partizipation Sinn mache − all das blieb unbeantwortet. Pünktlich und reichlich mürrisch aufbrechende SeniorInnen lieferten den VeranstalterInnen den willkommene Anlass zum Hinweis, dass doch nun wohl genug diskutiert worden sei…


5 Carl Herwarth von Bittenfeld hat die zeitnahe Übersendung der weiter modifizierten Pläne zugesagt, die wir dann, wie schon beim letzten Mal, hier anstelle der Fotos veröffentlichen werden. Obschon gestern, wie gesagt, „Redaktionsschluss“ war, ist bislang allerdings noch nichts eingetroffen.
[Update, 21.01.
: Die Präsentation von Herwarth + Holz sowie die zugehörigen Planunterlagen finden sich nach Abschluss der Endredaktion nunmehr auf der Firmen-Website (unter den ersten beiden Fotos).]
6 Siehe auch den Herwarth-Vortrag „Klima Berlin – erste Arbeitsergebnisse“ auf der kürzlichen StadtForums-Veranstaltung 2 Grad Plus am 7. Januar im EnergieForum.

2 Grad plus − oder eher mehr

Wie reagiert Stadtentwicklung auf die Klimaveränderung?

Bericht von einer aufschlussreichen Veranstaltung

Auditorium mit VIPs

Auditorium mit VIPs

Das EnergieForum Berlin, ein Niedrigenergiebau am Stralauer Platz, Mitte der 1990er Jahre mit ungestümem Enthusiasmus als Internationales Solarzentrum Berlin und Leuchtturmprojekt für die große Energiewende zur „Solarhauptstadt“ geplant (in der Dekaden später gerade mal 1,87 Prozent des Energiebedarfs von Erneuerbaren gedeckt wird) −, das EnergieForum also erschien SenStadt der geeignete Ort, um am vergangenen Donnerstag (8.1.) im Rahmen des Stadtforums Berlin drei Stunden lang einer inzwischen wahrlich drängenden Frage nachzugehen:
Wie reagiert Stadtentwicklung auf die Klimaveränderung? Und diese Frage scheint nach dem Gipfel des Scheiterns in Flopenhagen zu Beginn der neuen Dekade auch eine immer größere Zahl von BürgerInnen umzutreiben, denn nach Verstreichen von ein, zwei akademischen Vierteln konnte sich das rund 300köpfige Auditorium in einen überfüllten Uni-Hörsaal versetzt fühlen.

Zur Begrüßung

Staatssekretärin Krautzberger

Staatssekretärin Maria Krautzberger

Staatssekretärin Maria Krautzberger, zuständig für Stadtplanung und Verkehr, stellte ungeachtet der aktuellen Winterkälte klar: „Der Klimawandel kommt nicht, er ist schon da!“ und verwies auf den 80prozentigen Anteil, den die Städte zu den Treibhausemissionen beitrügen, sodann aber auf schon Geleistetes, nämlich das gemäß der Deklaration der Bürgermeister [nein, nicht jener zur COP15 im Hinblick aufs prognostizierte Scheitern, sondern der Berliner Erklärung der Bürgermeister von 2006] bereits 2008 formulierte klimapolitische Arbeitsprogramm des Senats, eben die Berliner Klimastrategie, „Klima schützen, Umwelt stärken, neue Arbeit schaffen“, mit ihren vier Säulen

  1. Klimaschutz durch weitere CO2-Reduktion (und zwar 40 Prozent bezogen auf 1990, wobei Berlin im European Green City Index in der Luftqualität den achten Rang belegt)
  2. Schaffung neuer Arbeit auf grünen Märkten (einschließlich der Region Brandenburg)
  3. Fortbestehen als grüne Metropole mit 42 Prozent klimaentlastendem Grünanteil und
  4. frühzeitige Einstellung auf die Folgen des Klimawandels

Nach einer im Auftrag von SenStadt erstellten und genau vor einem Jahr veröffentlichten Studie des PIK ist für die Region Berlin-Brandenburg, die das UBA als „besonders stark verwundbar“ einstuft, bis 2050 ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2,5 Grad zu gewärtigen − mit dramatischen Folgen wie sommerliche Hitze- und Dürreperioden und winterliche Starkregenereignisse.

Auditorium

Vollbesetzes Auditorium

Angesichts dieses Szenarios wurde unter Stadt-, Landschafts- und UmweltplanerInnen die Konzipierung eines Stadtentwicklungsplans (StEP Klima) ausgelobt, der die bisherigen Aktivitäten flankieren soll. − Besonders in hochverdichteten und damit unterversorgten City-Bezirken müssten fußläufig erreichbare Schattenzonen geschaffen sowie das klimaaktive Grünvolumen erhöht werden, um die Entstehung innerstädtischer Wärmeinseln zu verringern. Die Problematik der Nachverdichtung müsse neu durchdacht, Kaltluftentstehungsgebiete und Stadtgrün müssten erhalten bzw. neu geschaffen bzw. nachgepflanzt werden. Ein intelligentes Wassermanagement solle die Extreme von Knappheit und Überschuss ausbalancieren.

Vor allem komme es auf systematische Antworten seitens der Wissenschaft und Fachwelt an und nicht zuletzt auf den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Nach dieser Revue von eigentlich schon Bekanntem, aber beim Übergang zum Tagesgeschäft der ökonomischen Krisen, Sachzwänge und leeren Kassen alsbald wieder Verdrängten klang der fulminante Vortrag von PIK-Chef Prof. Hans-Joachim Schellnhuber wie ein Weckruf (und wohl nicht nur wir fragten uns unwillkürlich, wie so jemand unsere zaudernde, eigen- und leidenschaftslose Obermoderatorin aus dem Kanzlerinnenamt aushält, als deren Klimaberater er bekanntlich fungiert).

Stadt Land Fluss

Schellnhuber mit Nobelpreisträger-Appell

Schellnhuber mit Nobelpreisträger-Appell

Nach einer meteorologischen Erläuterung der für die aktuelle schneereiche Witterung verantwortlichen Genuazyklone, die sich durchaus mit jener vergleichen lasse, die zu anderer Jahreszeit 2002 das verheerende Elbhochwasser hervorrief, machte Schellnhuber noch einmal seinem Frust über das Scheitern von Kopenhagen Luft − von „globalem Klimakitsch“ hatte er gegenüber der Süddeutschen gesprochen − und zog, da eine verbindliche Vereinbarung entschiedenen Handelns gegen die Erderwärmung top down nicht erreicht werden konnte, den radikalen Schluss, dass vorderhand Hilfe nur bottom up zu erwarten sei, also von den Kommunen, den vielen regionalen und lokalen Initiativen, kurz: der Zivilgesellschaft kommen müsse.

Den Zweiflern an der anthropogen verursachten Klimaveränderung, den „pensionierten Gewerbelehrern oder skeptischen Hobbymeteorologen“, hielt Schellnhuber den im November ’09 von rund 60 Nobelpreisträgern unterzeichneten Appell an die Regierenden dieser Welt entgegen, ein verbindliches Abkommen zum Klimaschutz auszuhandeln. Wiewohl es dazu bekanntlich nicht gekommen sei, habe die Wissenschaft dennoch einen „tragischen Triumph“ gefeiert, da die zwei Grad Celsius, um die sich die Durchschnittstemperatur verglichen mit vorindustrieller Zeit nicht erhöhen dürfe, wenn denn die Auswirkungen noch beherrschbar bleiben sollen, immerhin anerkannt worden seien. − Und im Hinblick auf die geringe Sonnenaktivität hätte bspw. 2008 eins der kühlsten Jahre sein müssen, erwies sich jedoch umgekehrt als eins der acht, neun wärmsten seit der Temperaturaufzeichnung.

Schon 2 Grad plus nur fauler Kompromiss!

Schellnhuber mit CO2-Budget

Das globale CO2-Budget

Doch diese zwei Grad seien keine magische Grenze: hüben alles im grünen Bereich und nur drüben das Desaster, sondern als absolutes Maximum des noch Beherrschbaren selber bereits ein politischer Kompromiss, der sich angesichts der weit früher als prognostiziert eingetretenen negativen Auswirkungen, was etwa die Schmelze von Gletschern, Grönlandschelf und antarktischem Meereis oder die Zerstörung der Korallenriffe betreffe, als fauler Kompromiss erweise: Erschienen 2002 die Korallenriffe bei einer Begrenzung auf zwei Grad  noch knapp diesseits des kritischen Bereichs, so sind sie inzwischen bei derselben Zielmarke längst in den roten geraten, d.h. zu 70 Prozent gefährdet und zu erheblichen Teilen schon längst zerstört − mit kaum abzusehenden negativen Auswirkungen auf Meeresfauna und Küstenregionen.

Kipp-Elemente

Und Gletschereis, Korallenriffe oder die Regenwälder sind Bestandteile des Erdsystems, die als sog. tipping elements beschrieben werden müssen und die korrespondierenden Entwicklungen als tipping dynamics, und zwar deshalb, weil man sich gemeinhin die Klimaveränderung als graduell und ontogenetisch nur wenig bemerkbar vorstellt. Doch durchs Umstoßen dieser Kippelemente wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu plötzlichen, sprunghaften, unumkehrbaren Veränderungen im unendlich komplexen Gefüge des globalen Gesamtsystems kommen, mit hochgradig nicht-linearen Entwicklungen und unbeherrschbaren katastrophischen Folgen.

Abwarten bis zur Kriegswirtschaft

Schellnhuber mit Assessments

Die Assessments tendieren zu 3,5°+

Angesichts der 750 Gigatonnen CO2 [entspricht einer Konzentration von 450 ppm] die unsere Atmosphäre bis 2050 nur noch verkraften kann, wenn die 2°-Latte nicht gerissen werden soll (und selbst dafür gibt’s nur eine 67prozentige Wahrscheinlichkeit, spielen wir also „amerikanisches Roulette“ mit zwei Patronen im sechsschüssigen Revolver statt nur einer wie beim russischen), muss bei weiterem Zögern und Zuwarten ab einem Peak Year 2011 die globale Emission von Treibhaus-Gasen jährlich um 3,7 Prozent reduziert werden, während ihr gänzliches Runterfahren noch nach 2050 erfolgen kann; ab 2015 aber schon um 5,9 Prozent p.a. (d.h. „ein Kyoto pro Jahr“) sowie dem zusätzlichen Zwang, sie schon vor 2050 gänzlich auf Null zu reduzieren; beim Abwarten bis 2020 indessen um jährliche 9 Prozent, damit der Ausstoß von Treibhausgasen bereits 2040 total gestoppt ist. − Diese Option würde allerdings Rationierungsmaßregeln und Zwangsmaßnahmen zu ihrer Einhaltung erfordern wie in einer Kriegswirtschaft [und damit, ums offen zu benennen, eine Art Öko-Diktatur.]

Das Scheitern von Kopenhagen lastet Schellnhuber ausdrücklich der amerikanischen Seite an, die etwa für die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Klimawandel-Adaption ab 2020 jährlich den Gegenwert von sechzig Stunden Irakkrieg anbot. − Fünf Personen, darunter keine aus der EU, handelten in einem Hinterzimmer ein unverbindliches Papier aus, wovon, wie bekannt, anschließend das Plenum lediglich Notiz nahm −, doch sei dieser Ausgang eindeutig besser als eine verbindliche Vereinbarung unzureichender Ziele, ein irrelevantes Ergebnis einem definitiv schlechten vorzuziehen. Das Positive des Scheiterns bestehe darin, dass der Prozess weiterhin ergebnisoffen sei. Nunmehr müssten die Akteure der Zivilgesellschaft die Sache selbst in die Hand nehmen!

3,5 Grad plus als best guess

Bis Monatsende gelte erstmal das „Klingelbeutelprinzip“: jede Nation könne nach Gutdünken ihre Selbstverpflichtung „reinwerfen“. Die Notwendigkeit einer 2°-Begrenzung wurde zwar anerkannt, doch  günstigste Einschätzung sei jetzt eine 3,5°-Erwärmung und daher Berlin zu entscheiden aufgerufen, was jetzt Deutschland davon noch „wegzuschnippeln“ bereit sei.

Große Tränke vertrocknet

Schellnhuber mit Großer Tränke

Szenario für die Großer Tränke

Bei einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur um 3,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau bzw. einer atmosphärischen CO2-Konzentration von 550 ppm sei bspw. ein Hitzesommer wie 2003 mit 35.000 Toten in Europa jedes zweite Jahr zu erwarten. Was den regionalen Wasserhaushalt betrifft, wird in „normalen“ Sommern der Pegel an der Großen Tränke, dem Zuflusspegel zum Berliner Gewässersystem, um achtzig Prozent niedriger liegen, in Hitzesommern aber auf Null sinken, d.h. die Spree wird trockenfallen und ein aufwendiges künstliches Wassermanagement mit Wasserüberleitungen von der Oder, Talsperren etc. notwendig, um Berlin mit Wasser zu versorgen − und den Spreewald mit Touristen [von der Fahrgastschifffahrt auf Stadtspree und LWK mal zu schweigen, da solch mittelfristige Überlegungen nun mal als ökonomisch nicht nachhaltig gelten].

Schellnhuber mit Großer Tränke 02

Herausforderungen ans Wassermanagement

Die Waldbrandgefahr wird einerseits natürlich steigen, aber ein erheblich verbessertes Management konnte die Zahl tatsächlicher Brandausbrüche in trockenen Sommern schon jetzt deutlich verringern. Und als positive Auswirkung bleibe festzuhalten, dass sich die Produktivität unserer Kiefernwälder um 10 bis 20 Prozent steigern werde, die Kiefer also Baum der Wahl bleiben sollte. [Allgemeine Heiterkeit.]

Die Stadtentwicklung, die gleichermaßen die Ziele Vermeidung und Adaption verfolgen müsse, bedürfe eines integrierten Energie- und Klima-Programms. Der Gebäudebereich berge das höchste CO2-Einsparpotential, selbstredend besonders beim Neubau bzw. der Bebauung seit 1970. Für den Altbaubestand jedoch würden erhebliche Sanierungsinvestitionen nötig, und Schellnhuber schlug vor, nach Einstellung des Flugverkehrs auf dem Gelände des Flughafens Tegel eine Bauausstellung für Null- bzw. Plus-Energie-Häuser zu veranstalten und sie gestalterisch an einem fraktalen Schnitt quer durch alle Berliner Bezirke auszurichten. Dem Plus-Energie-Haus, das im Unterschied zu Niedrigenergie- und sog. Passivhäusern eine positive Energiebilanz aufweist, also als kleines Kraftwerk überschüssige Energie ins Netz einspeist, gehöre die Zukunft, doch der Weg dorthin sei teuer. − Und damit eilte Schellnhuber von hinnen.

Unsere [hoffentlich nicht zu] ausführliche Darstellung seines beeindruckenden Vortrags geht natürlich leider auf Kosten der anschließenden Beiträge, die ebenfalls manch Bedenkenswerte enthielten, aber im folgenden nur kursorisch dargestellt werden können.  [Überhaupt soll’s ja in Kürze eine Dokumentation der Veranstaltung auf der SenStadt-Site geben.]

Schellnhuber mit Wasserüberleitung

Handlungsoption Wasserüberleitung von Oder zur Spree

Von Hopenhagen nach ResBONNsibility

Holger Robrecht, Bereichsleiter Nachhaltigkeitsmanagement von ICLEI(International Council of Local Environmental Initiatives)-Local Governments for Substainability, und trotz Daisy und der Deutschen Bahn rechtzeitig, aus Freiburg kommend, im EnergieForum eingetroffen, gab einen Überblick über die kommunalen Wege zur Klimaanpassung unterm vorgenannten launigen Motto.

Robrecht und Hi-Tech-Beispiel

Robrecht und Hi-Tech-Beispiel

Als Management-Experte bemängelte Robrecht an COP15 zunächst einmal die Vagheit des Leitziels sowie das Fehlen von Wegebeschreibung, Monitorings- und Evaluierungsinstrumenten − was freilich bei einem vagen Ziel nicht weiter verwundern kann. An die Stelle von Ernst Blochs Prinzip Hoffnung müsse nunmehr Hans Jonas’ Prinzip Verantwortung treten, und diese Verantwortung erfordere beispielsweise eine 80prozentige Senkung des Ressourcenverbrauchs bis 2100.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Städte und Gemeinden nicht einfach nur ihren Ressourcenverbrauch zu senken, ihre Emissionen zu mindern versuchen, sondern Nachhaltigkeit steuern, entsprechende integrative Strategien und Stadtentwicklungskonzepte erarbeiten, bei Anwendung des Versicherungsprinzips im Sinne kollektiver Risikoübernahme.

Zyklisches Nachhaltigkeitsmanagement

Zyklisches Nachhaltigkeitsmanagement

Zyklisches Nachhaltigkeitsmanagement

Planung ist lt. MGM-Gründer Goldwyn die Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum. Diese Weisheit beherzigend, bedarf es korrekturfreundlicher Systeme und als zentrales Konzept stellte Robrecht das sog. Zyklische Nachhaltigkeitsmanagement vor, das ausgehend von a) der Bestandsaufnahme und ihrer Fortschreibung und b) der im Rahmen von Planungsworkshops gewonnenen Zieldefinition über c) den verbindlichen politischen Beschluss des erarbeiteten Handlungsprogramms zu d) seiner Umsetzung und deren Monitoring verläuft. Unter e) aber erfolgen Bilanzierung und Evaluierung sowie anhand periodisch zu erstellender Sachstandsberichte ggf. Richtungskorrekturen.

Lernende Städte

Die meisten Städte verfügen Robrecht zufolge zwar über Schutzprogramme, nicht aber über Anpassungsstrategien und ein Nachhaltigkeitsmanagement. Am weitesten seien, wenn es darum gehe, die Akteure in der Region auf der Grundlage von Beteiligungsprozessen mitzunehmen, − wen wundert’s − skandinavische Städte wie das finnische Tampere oder das südschwedische Växjö, die „grüne Modellstadt“, die den CO2-Ausstoß pro Kopf bereits vor Jahren um ein Viertel senken konnte und schon 2007 den „Sustainable Energy Europe Award“ gewann; aber auch Tatabánya in Ungarn sei als Referenzgemeinde zu nennen oder das schwäbische Ludwigsburg, das schon seit 2004 durch Nachhaltigkeitsmanagement in seinem Stadtentwicklungskonzept ökologische, ökonomische, soziale und partizipative Momente erfolgreich zusammenzuführen sowie die breite Öffentlichkeit zu mobilisieren vermochte und als Beispiel der „lernenden Gemeinde“ dienen kann.

Unterm Stichwort Vernetzung verwies Robrecht auf das Urban Climate Change Research Network der Columbia Unitversity (UCCRN),ein Konsortium von Einzelpersonen und Institutionen, das sich aus der Perspektive fortschreitender Urbanisierung der Analyse von Möglichkeiten zur Minderung des Klimawandels, Anpassungsstrategien und Energiefragen widmet sowie wegweisender fachwissenschaftlicher, ökonomischer und planungsbezogener Forschung. Das Netzwerk will die Kooperation innerhalb der Forschung, aber auch zwischen kommunalen Entscheidungsträgern und Stakeholdern zu allen Aspekten von Klimawandel und urbaner Entwicklung befördern und technische Unterstützung leisten.

Die schwierigste Hürde

Mit einer nur allzu wahren Einsicht beschloss Holger Robrecht seinen Beitrag, indem er Wolfgang Socher vom Umweltamt Dresden zitierte: „Ein Haupthindernis für erfolgreiche Anpassungsstrategien und –maßnahmen ist Besitzstandswahrung. Wir können uns leicht auf langfristige Ziele verständigen, aber nicht auf die Umsetzung von Maßnahmen, soweit sie uns, unsere Generation und unseren Besitz selbst betreffen. Insofern ist 2015 viel weiter entfernt als 2050.“

Holger Robrecht und die schwerste Hürde

Holger Robrecht und die schwerste Hürde

StEP Klima Berlin

Carl Herwarth von Bittenfeld vom Berliner Planungsbüro Herwarth + Holz stellte erste Arbeitsergebnisse bei der Umsetzung des Stadtentwicklungsplans (StEP) Klima vor.

Berlin wandert, so die Ausgangsthese, bzgl. der geographischen Breite auf die Höhe von Rom oder Barcelona, was neben gravierenden negativen Begleiterscheinungen vielleicht − allerdings nur kurzfristig − auch Chancen bietet. Stichwort: Tourismusindustrie. Die Entwicklung aber müsse, durchaus auch durch Neuorganisation, von der kompakten hin zur grünkompatiblen Stadt verlaufen.

Auf Grund der vorgefundenen baulichen Gegebenheiten mit Blockrandbebauung und dem gebietsweisen Mangel an unversiegelten Freiflächen gebe es insbesondere im innerstädtischen Bereich eine Vielzahl belasteter Räume, welchem Umstand abzuhelfen die kleinteilige Eigentumsstruktur nicht einfacher mache. Hier könne es nur darum gehen, die kleinräumigen Entlastungspotentiale etwa durch Fassaden-, Hinterhof- und Dachbegrünung, den Erhalt von Baulücken auch durch Rücknahme von Baurechten etc. zu nutzen. Zugleich blieben diese Entlastungsräume sehr verwundbar.

Relevant für eine klimaoptimierte Stadtentwicklung seien nicht zuletzt die sozialräumlichen Strukturen: Hier müsse der klimatologischen Benachteiligung sozial belasteter Bereiche begegnet werden. Eine Nachverdichtung habe jeweils höchsten stadtklimatologischen Anforderungen zu genügen!4

[Update, 15.01.10: Inzwischen hat uns Carl Herwarth von Bittenfeld dankenswerterweise seinen ausformulierten Vortrag „Klima Berlin – erste Arbeitsergebnisse“ zur Verfügung gestellt, der hier, schon weil wir nur allzu knapp darauf eingehen konnten, als PDF (52 KB) runtergeladen werden kann.]

Podiumsunterhaltung

Podiumsplauderei

Podiumsplauderei

Im Anschluss an zu Bittenfeld, der von rbb-Moderator Henneberg quasi mit der Stoppuhr in der Hand nur max. 11 Minuten für seinen Beitrag bewilligt bekam und sich sichtlich stressen ließ, kam es zu einer kurzen Podiumsdiskussion, oder besser gesagt, -unterhaltung zwischen

  • Prof. Elke Pahl-Weber − Leiterin des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
  • Claudia Gotz − Executive Director, Urban Land Institute Germany
  • Prof. Dr. Jürgen Baumüller − Stadtklimatologiedirektor a.D., Stuttgart sowie
  • Prof. Dr. Stefan Heiland − Fachgebiet Landschaftsplanung und -entwicklung an der TU Berlin

Wir schenken uns eine nähere Vorstellung der GesprächsteilnehmerInnen, nicht zuletzt weil sie trotz oder gerade wegen der mitunter bewusst provozierenden Anmoderation Hellmuth Hennebergs sich eher ein wenig mit dem Moderator  kabbelten, untereinander hingegen vorwiegend friedlich-einmütig parlierten bzw. monologisierten als kontrovers zu debattieren. − Erst in Reaktion auf die vier, allenfalls fünf Wortmeldungen aus dem Publikum, da nur lächerlich wenig Zeit zur Verfügung gestellt wurde, kam es auf dem Podium zu dosierten Divergenzen.

Prof. Baumüller legte Wert auf die Feststellung, dass in der Bauleitplanung Stuttgarts, seiner früheren Wirkungsstätte als Direktor für Stadtklimatologie, klimatische Aspekte schon seit Jahrzehnten berücksichtigt worden seien, denn im Vergleich zum Umland sei angesichts einer Differenz von bis zu zehn Grad infolge Motorisierung und Versiegelung innerstädtisch der Klimawandel ja längst eingetreten. Fünfzig Watt pro Quadratmeter gingen bspw. in Berlin als künstliche Wärmeenergie in die Atmosphäre. − Stadtentwicklungskonzepte seien zunächst einmal rechtlich überhaupt nicht verbindlich, sondern müssten Eingang in die Flächennutzungspläne finden, um die Umsetzung festzuschreiben. − Da die Sonneneinstrahlung aber erst ab 2030 gravierend zunähme, könnten wir uns mit der Entwicklung von Adaptionskonzepten durchaus noch Zeit lassen. Baumüller machte angesichts befremdeter Reaktionen im Publikum später aber noch einmal deutlich, dass es keine Zeit mehr für effektive Klimaschutzmaßnahmen gebe.

Frau Prof. Pahl-Weber erkannte in der siedlungsstrukturellen Typisierung den richtigen Ansatz, riet aber, um wirksam das Klima zu schützen, dringend zu Partnerschaften mit Städten aus Entwicklungsländern, um sie von unseren Fehlern abzuhalten, da unser eigener Beitrag hierzulande doch viel zu geringe Wirkung entfalten könne. − Auf Förderprogramme für Kommunen angesprochen, stellte Frau Pahl-Weber klar, dass sie eine Forschungsabteilung des Bundesbauamts im BMVBS leite, die keine einzelnen Kommunen fördern könne, sondern nach einem querschnittsorientierten Ansatz arbeite, fokussiert auf die private Immobilienwirtschaft −, doch in der Förderung von Baugenossenschaften, wie sie sich in Berlin vermehrt gründeten, sehe sie einen richtigen Weg.

Prof. Heiland hinterfragte den Aufruf an die zivilgesellschaftlichen Akteure, nach dem Scheitern von Kopenhagen nun die Sache eigeninitiativ anzugehen: Hier gehe es nicht nur um 190 Repräsentanten souveräner Staaten, sondern um Millionen Einzelner, von denen doch jeder warte, dass der andere anfange, weil es keinen Anreiz gebe, selber aktiv zu werden. Zudem träfen mit der Zivilgesellschaft und der Verwaltung zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander, und er könne keine Lösungen aus dem Hut zaubern, wie hier ein fruchtbarer Dialog anzustoßen sei. [Unser Dialogversuch mit dem Herrn Professor ist, wie berichtet, ja ebenfalls gescheitert.] − Frappierend war auch Heilands Identifizierung eines Zielkonflikts zwischen Klimaschutz und Anpassung an den Wandel: So könnte Baumbestand den Effekt von Kaltluftentstehungsgebieten vereiteln, Aufwuchs müsste ggf. verhindert werden, wenn er Luftschleusen blockiere, und in Wohnstraßen seien großkronige Straßenbäume schon deshalb ungeeignet, weil sich darunter die Autoabgase stauten, wodurch die Gesundheit der Anwohner gefährdet würde. − Da fragte Prof. Baumüller denn doch verwundert, weshalb es in dreißig Jahren noch Autoabgase geben solle.

Wie gesagt, für Fragen und Statements aus dem zahlreich erschienenen und fast vollzählig bis zum Schluss ausharrenden Publikum blieb kaum mehr Zeit; überziehen darf bekanntlich nur Gottschalk im Fernsehen.

Fragen aus der Zivilgesellschaft

Gefragt wurde von einem BaL-Vertreter, weshalb sich der Senat bei seinem offenbar hohen Problembewusstsein, seinen ambitionierten Strategie-Plänen und Absichtserklärungen standhaft weigere, anlässlich von dessen Sanierung die Förderung und Entwicklung des LWK und seiner Grünzüge in seine klimaoptimierte, nachhaltigkeitsorientierte Stadtentwicklungsplanung aufzunehmen, indem er die Federführung für eine integrierte Gesamtplanung mit Einbeziehung stadtökologischer Aspekte übernehme, auch wenn Tausende von BürgerInnen dies explizit fordern; sondern statt dessen lieber für eine 08/15-Gestaltung des Gleisdreieck-Parks mit schwerem Gerät ökologisch wertvollste Ruderalvegetation einer ehemals einzigartigen innerstädtischen Brachlandschaft schleife und mit einem versiegelten, kehrmaschienengerechten Wegenetz überziehen oder kürzlich die letzten zusammenhängenden Gehölze im östlichen Tiergarten durch ein ebensolches Wegenetz zerstückeln lasse.

Ein Vertreter von MediaSpree versenken fragte sinngemäß, warum sich der Senat beharrlich der Umsetzung des erfolgreichen Bürgerentscheids zum „Spreeufer für alle!“ widersetze.

Und ein Vertreter des Graefekiez’ wollte wissen, weshalb die Anpassungsstrategie an den Klimawandel die bestehenden Strukturen des Immobilieneigentums fördern müsse, welche doch Segregation und Gentrifizierung Vorschub leisten und alteingesessene, aber einkommensschwache Bevölkerungsteile zunehmend aus dem Kiez verdrängen würden.

Die Stadtentwicklungssenatorin schlussfolgert

Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer

Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer

Senatorin Ingeborg Junge-Reyer, die laut Programm-Ankündigung Schlussfolgerungen aus den gehörten Beiträgen der Wissenschaftler ziehen wollte, berichtete zunächst von ihrem Erschrecken, als sie gehört habe, nach dem Gipfel-Scheitern läge nun alle Verantwortung fürs Handeln gegen den Klimawandel bei den Kommunen,  wiewohl sie durchaus die Verpflichtung der Verwaltung zu konkretem Handeln anerkenne. Doch „wir haben schon ein ungeheures Grünvolumen in unserer Stadt, das wir bewahren wollen.“ Für die auf dem Tempelhofer Feld [von Senatsbaudirektorin Lüscher ungeachtet des „mehrstufigen Beteiligungsverfahrens“ ganz ohne BürgerInnen-Votum] geplante IBA seien die Kernthemen: a) die soziale Integration, b) die Investorenfreundlichkeit und c) die ressourceneffiziente, klimagerechte Stadt.

Dann aber nahm die Senatorin, indem sie sich zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft bekannte und unter diesem Aspekt die Podiumsdiskussion gleichfalls allzu gemütlich fand, die Wortmeldungen der verschiedenen Initiativen zum willkommenen Anlass, statt Schlussfolgerungen zu ziehen, sich auf die Ebene von Kleinklein, Hickhack und Gegrantel zu begeben [zu den Details siehe unsern Videoclip ganz unten!]: Die Verantwortung für den 11 km weit fünf innerstädtische Bezirke durchfließenden LWK verortete sie mal wieder beim Vorhabenträger WSA, also dem Bund, der dafür zu sorgen habe, „dass die Bäume nicht ins Wasser fallen“ und die Grünzüge mit ihrer ökologischen und sozialen Funktion erhalten blieben. Dazu brauche es keiner weiteren Planungen, sondern konkreten Handelns. [Siehe hier auch die Antwort Staatssekretärin Krautzbergers auf die Kleinen Anfrage zur stadtökologischen Sanierung des LWK von Marion Plattas (Die Linke) vom 21.12.09]

Im Hinblick auf den Graefekiez wunderte sich die Senatorin, dass es früher darum gegangen sei, die Abwanderung von Reichen aus der Innenstadt ins Umland aufzuhalten, es nun aber, da Besserverdienende wieder zurückkehrten, auch wieder nicht recht sei. „Dabei brauchen wir sie im Kiez, damit es dort Läden zum Einkaufen gibt.“ − Wir ersparen uns mal, diese wohl ausreichend für sich selbst sprechende Einlassung zu kommentieren und hoffen auf Verständnis…

Und dann erfuhr die Zivilgesellschaft, dass sich der Senat die Parole „Spreeufer für alle!“ gar als „Leitbild“ zueigen gemacht habe −, doch wenn dann so eine Strandbar einen Teil des Ufers abzäune, um Eintritt nehmen zu können, und dies von der Initiative auch noch unterstützt werde, „weil der Besitzer mal zu einem Bier einlädt“, dann findet das Frau Junge-Reyer selbst auf die Gefahr hin, platt zu werden, nicht in Ordnung. − Während nun aber das Angesprochene ein Problem von gestern und längst geklärt ist, der Bezirk F’hain-Kreuzberg inzwischen aber ohne BürgerInnen-Beteiligung ausgearbeitete Bebauungspläne auf den Tisch legt, welche u.a. die Kernforderung eines 50 Meter breiten, öffentlich zugänglichen Uferstreifens verletzen, mit dem Erfolg, dass die BI „MediaSpree Versenken“ den Sonderausschuss Spreeufer längst verlassen hat, erleichtert natürlich der Senatorin die Unterstützung jener Parole. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie dagegen ein wichtiges Instrument direkter demokratischer Beteiligung, nämlich den Bürgerentscheid, noch mit der Bemerkung abgewertet und beschädigt, es sei in Kreuzberg nun mal nicht schwer, 30.000 Unterschriften gegen irgendwas zu sammeln.

Und aus aktuellem Anlass beschloss Frau Junge-Reyer ihre Schlussfolgerungen mit der Absichtserklärung, das Monopol der S-Bahn zu brechen. Diese soll also nicht etwa rekommunalisiert werden, sondern offenbar auf demselben Schienennetz die harte Konkurrenz weiterer privater Anbieter erfahren.

So reichte denn der Spannungsbogen dieser gut dreistündigen Veranstaltung von den drängendsten Fragen, denen sich die Menschheit zu Beginn des Agenda-Jahres und einer wohl entscheidenden Dekade des 21. Jahrhunderts gegenüber sieht, bis hinunter in die tiefste Berliner Provinz.


4 [Herwarth + Holz wurden übrigens von SenStadt auch mit der „Städtbaulichen Rahmenplanung Luisenstadt“ betraut und haben anlässlich eines 1. Bürgerabends am 20.10. durchaus diskussionswürdige Überlegen und von einem gewissen Problembewusstsein kündende Vorentwürfe präsentiert. − Deshalb sei an dieser Stelle auf den 2. Bürgerabend verwiesen [hier der offizielle Einladungsflyer (2 MB mit langer Ladezeit)], der am 13. Januar, 18 bis 20 Uhr, erneut in der [diesmal hoffentlich beheizten!] St. Michael-Kirche, Waldemarstraße 8-10 veranstaltet wird und Rechenschaft darüber geben soll, wie die Vielzahl der artikulierten Interessen und Bedürfnisse, Anforderungen, Anregungen und Vorschläge der BürgerInnen Eingang in die Vorplanungen gefunden haben, und dies vor dem Hintergrund, dass am 1.12.09 eine geschlossene Veranstaltung nur mit „Gebietsexperten − Institutionen, Eigentümern, Verwaltungen“ zur Rahmenplanung stattgefunden hat.]

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