BI Bäume für Kreuzberg

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Neueste Entwicklung: Baumfrevel im Luisenstädtischen Grünzug…

Worum geht’s?

Infostand-SchildDer Luisenstädtische Grünzug verläuft vom Landwehrkanal / Urbanhafen über Wassertor- und Oranienplatz bis zum Engelbecken und endet an der Köpenicker Straße. Um 1850 war auf dieser Strecke nach den Plänen Lennés zunächst der Luisenstädtischer Kanal gebaut worden, um Landwehrkanal und Spree zu verbinden, aber bereits in den 1920er Jahren hatte man ihn teilweise wieder aufgeschüttet und nach einer erheblich abgespeckten Konzeption Erwin Barths zum Grünzug umgestaltet, der innerhalb der alten Kanalmauern 1,80 Meter unter Straßeniveau verlief.

Nach Weltkrieg II erwies sich die verwüstete Grünanlage als ideale Deponie und wurde mit Schutt aufgefüllt. Ab 1961 stand auf dem Abschnitt jenseits der Waldemarbrücke, im Bezirk Mitte, die Mauer, während der Kreuzberger Teil in den 80er Jahren unter großem Engagement der Anwohnerschaft als Grünanlage neu gestaltet wurde.

Einige Zeit nach der Wende wurde der Luisenstädtische Grünzug als der Ehemalige Luisenstädtische Kanal (ELK) unter Denkmalschutz gestellt und die Wiederherstellung des Grünzuges auf dem Abschnitt in Mitte in Angriff genommen, wobei der mit Abstand größte Teil davon sich eng an die Planung der 20er Jahre anlehnt und das Engelbecken in seiner jetzigen Gestalt besonders hervorsticht.

Nun soll auf Kreuzberger Seite entsprechend alt-gestaltet werden; eine Anbindung an die „historische“ Konzeption aus den 20er Jahren, wie sie uns nunmehr jenseits der Waldemarbrücke dargeboten wird, istHist. Foto geplant. Eifrig ließ unsere Bezirksverwaltung Löcher in unseren Grünzug buddeln, und es war ihr jedes Mal eine große Freude, wenn sie auf „archäologische Funde“ stieß, wie z. B. Treppenanlagen aus der späten Weimarer Zeit. Sogar auf Lennés Kaimauern soll man gestoßen sein! Dies und die Tatsache, dass eine Wiederherstellung grundlegender Elemente aus früherer Zeit Denkmalschutzgelder vom Senat versprechen, verleitete die Verwaltung dazu, eine grundlegende Neukonstruktion unseres Grünzuges zu planen. Abschnittsweise sollte vorgegangen und Scheibchen für Scheibchen die Gestaltung der 80er Jahre vernichtet werden, wobei besonders die geplante Tieferlegung des Geländes auf 1,80 Meter unters Straßenniveau auf der gesamten Länge von Waldemarbrücke Richtung Oranienplatz einen gravierenden Eingriff notwendig machen würde. Sogar die Rodung fast des gesamten Baum- und Strauchbestandes hatte unsere Verwaltung ursprünglich ins Auge gefasst.

Der Protest

Als dann am 3. März 2008 die Pappeln an der Waldemarbrücke der Kettensäge zum Opfer fallen sollten, regte Der Protestsich lauter Protest von Anwohnerinnen und Anwohnern, die gar nicht so richtig mitbekommen hatten, was da vor ihrer Haustüre passieren sollte. Mit der in diesem Teil Kreuzbergs noch sehr lebendigen Dynamik formte sich schnell eine eigene Initiative, die sich zunächst einmal vehement gegen die Baumfällungen zur Wehr setzten: Die Initiative BÄUME FÜR KREUZBERG. Mehrere Fälltermine verstrichen ungenutzt, weil schnell dagegen mobilisiert werden konnte. Der bisherige Höhepunkt der Proteste war sicherlich die BürgerInnenversammlung am 21.4.08, die vom Bezirk eigens dafür gedacht worden war, der Bevölkerung die neuen Pläne vorzustellen. Die Veranstaltung verlief infolge lautstarker Proteste und heller Empörung über das einseitige Vorgehen der Behörden einigermaßen lebhaft. Am Ende war klargeworden:

  • Die BewohnerInnen werden nicht dulden, dass ihr Grün­zug von der Verwaltung grundlegend umgebaut wird, sondern fordern, dass
  • alle Überlegungen zur Entwicklung des Kreuzberger Teilstückes vom jetzigen Bestand auszugehen haben, in den ausschließlich in
  • behutsamer und mit der Bevölkerung abgestimmter Art und Weise eingegriffen werden darf.
  • Es kann allenfalls ergänzt, nicht aber rückgebaut und ersetzt werden.
  • Wir wollen keine Baustelle auf unserem Grünzug, sondern
  • eine behutsame, naturnahe Sanierung
  • die Erhaltung seines Baum- und Strauchbestandes, sowie
  • regelmäßige, naturgerechte Pflege
  • und eine echte BürgerInnenbeteiligung bei der Sanierungsplanung!

Was weiter geschah

Aufgrund der geballten Empörung verkündete die Verwaltung zunächst einen Fällstopp auf dem gesamten Grünzug bis Ende September 2008 sowie die Durchführung einer öffentlichen Leitbilddiskussion am 27. Mai über den weiteren Umgang. Eine Arbeitsgruppe wurde gebildet mit dem Ziel, diese Leitbilddiskussion vorzubereiten. − An der AG Teilnehmende: Bürgermeister Franz Schulz, Baustadträtin Jutta Kalepky, Christa Haverbeck von der Sanierungsverwaltungsstelle , Birgit Beyer vom Grünflächenamt, für den Denkmalschutz Klaus-Henning v. Krosigk/Klaus Lingenauber vom Landesdenkmalamt, Sabine Krutzsch von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (Programm Städtebaulicher Denkmalschutz) , Bettina Bergande vom Planungsbüro Topos, VerteterInnen des Bürgerverein Luisenstadt, der BÄUME FÜR KREUZBERG sowie AnwohnerInnen.

Zu Beginn der ersten AG-Sitzung wurde von Seiten der Verwaltung verkündet, dass der gesamte Planungsprozess und die Bürgerbeteiligung ausgehend von der Waldemarbrücke neu startet und nun nicht mehr der Denkmalschutz, sondern das Vorhandene, der Bestand, zum Ausgangspunkt genommen wird. Dr. Schulz erklärte darüber hinaus, dass es keine Planungen gegen die Interessen der Kreuzberger Betroffenen geben werde. Sollte kein Konsens darüber zustande kommen, würden die bereitgestellten Gelder für andere Vorhaben im Bezirk genutzt.

Mit diesen Äußerungen waren zunächst einmal die wesentlichen Forderungen der Initiative BÄUME FÜR KREUZBERG für eine Dialogaufnahme erfüllt. Andere wehren sich gegen diese demokratischen Spielregeln: Auf der 3. AG-Sitzung am 17. Juni verließen sowohl der Bürgerverein Luisenstadt als auch der Vertreter des Denkmalschutzes die Arbeitsgruppe. Aus ihrer Sicht sind die Betroffenen nicht professionell genug, um in solch schwierige Entscheidungen eingebunden zu werden. Die selbsternannte Elite will lieber unter sich bleiben und die banausischen, geschichtsvergessenen Untertanen mit ihrer Denkmalschutzplanung beglücken.

WaldemarbrückeAus unserer Sicht ist nicht nur die DISKUSSION über eine Weiterentwicklung unseres Grünzuges, sondern die ENTSCHEIDUNG darüber als öffentliche Angelegenheit unter Einbeziehung aller Interessierten eine grundsätzliche Bedingung für eine nachhaltige und sinnvolle Verwendung der Gelder. Wir wollen keine Kompromissverhandlungen hinter verschlossenen Türen, sondern eine öffentliche Diskussion und Entscheidung über das Leitbild, das der weiteren Entwicklung des Grünzuges zugrunde gelegt wird. Nach der Sommerpause werden im September/Oktober zwei BürgerInnenversammlungen stattfinden, in denen endgültig über das Leitbild der Weiterentwicklung entschieden werden wird.

Für uns BÄUME FÜR KREUZBERG ist es entscheidend, dass alle, die sich gegen die Vernichtung des vorhandenen Bestandes wehren, weiterhin wachsam bleiben und uns den Rücken stärken, wenn es erneut zu einer Eskalation kommen sollte. Denn was aus Behördenmündern zunächst wie Entgegenkommen klingt, hat sich in der Vergangenheit nur allzu oft als Falle erwiesen.

Besonders freuen wir uns über jene, die wie wir sich schon jetzt aktiv in den Prozess einmischen wollen: Nehmt Kontakt mit uns auf und kommt zu unserem wöchentlichen Infotisch. [Ort und Zeit immer aktuell hier im Blog.]

Beteiligt Euch, eh es zu spät ist!


Mail: baeume.luisenstadt@gmail.com

Drachenbrunnen

Endlich Wasser: na, geht doch! Nur jetzt noch bisschen doller!

Infotisch

Unser sonntäglicher Infotisch von 18 bis 20 Uhr gut besucht

8 Kommentare

  1. 28. Juni, 2008 um 10:15

    Verhandlungen sind hier weiter bitter von Nöten. Dass eine Stadt so wenig die Belange ihrer Bürgerinnen und Bürger berücksichtigt und so wenig Gespräch sucht!

    Sehr gut, dass es Hartnäckigkeit und Gesprächsbereitschaft gibt!

    Viel Erfolg weiterhin!!!

    Dr. Viola Vockrodt-Scholz

  2. Benno said,

    4. Juli, 2008 um 21:25

    Die Lage ist ja eigentlich noch grotesker: Hier ist es nicht der rosarote Senat, auch nicht das Abgeordnetenhaus, die sich erst nach massiven Protesten zu einer „echten“ Beteiligung der durch die ursprünglichen, „denkmalgerechten“ Planungen geschädigten AnwohnerInnen und NutzerInnen herabgelassen haben. Nein: Die alleinige politische Verantwortung für den bisherigen Verlauf tragen einzig und allein die sogenannten „GRÜNEN“ im Bezirk Kreuzberg/Friedrichshain, allen voran Bürgermeister Schulz und die von den „GRÜNEN“ gestützte Baustadträtin Jutta Kalepky. O-Ton Kalepky bei einem Treffen mit AnwohnerInnen und KritikerInnen vor der legendären BürgerInnenversammlung am 21.4.: „Die Gestaltung aus den 80er Jahren ist seit dem Mauerfall nicht mehr zeitgemäß.“ Mensch stelle sich vor: Eine „grüne“ Baustadträtin stellt fest, daß eine Gestaltung aus den 20er Jahren heutzutage zeitgemäßer ist, als die aus den 80er Jahren. Und dafür wäre sie bereit, zunächst die vorhandene Natur zu zerstören, nur um anschließend mit Millionenaufwand neue „Natur“ wieder einzubringen, freilich im Stile preussischen Stechschrittes. Wann trennen sich die „GRÜNEN“ endlich von solchen FunktionärInnen?

  3. uwe berger said,

    17. September, 2008 um 11:54

    Der Kanal=plan wurde 1840, zusammen mit einem Gefängnis auf der Eienbahnstrasse, gemacht. Als das Gefängnis dann aber nach Moabit kam, hat sich die „Not“wendigkeit protestantische Proleten in Arbeitslager zu kontrollieren acht jahre später wieder in den Vordergrund gepielt. Aus der selben Zeit stammt eine Strassenplanung zwischen Bad Freienwalde und Eberswalde, welche auch alle zehn Jahre von Staatsstrategen herbeigeredet wird. Was bedeuten würde 100 hektar Wald zu asphaltieren. Ich halte das für den „Ring der Nie-gelungen“. Sobald eine bestimmte Höhe der Individualität erreicht ist, sehnt sich der Vereinzelte nach Sicherheit, die in einer Unterwerfungs-inszenierung zelebriert werden möchte. Die Schlacht an der Oberbaumbrücke rutscht zum O-Platz oder auch nicht.

  4. Annette said,

    20. Juni, 2009 um 22:02

    Hier einen Satz den ich gefunden habe, der eigentlich alles sagt, das zur Sanierung des Grünzugs gesagt werden muss. (Zitat ist über die Neugestaltung Oderberger.

    Finde super was ihr gemacht habt und weiterhin viel Mut und Erfolg!!

    Hier das versprochene Zitat:

    „Oft wird bei einer Grundsanierung alles platt gemacht, d. h. vorhandene Lebensräume und Lebensgemeinschaften werden zerstört. Neugestaltete Flächen brauchen Jahre, um ein ökologisches System mit Lebensgemeinschaften wieder aufzubauen. Überpflegte Flächen bieten nur sehr wenig Tieren und Pflanzen Lebensraum, zumal sie durch Pflegemaßnahmen ständig dezimiert werden.

    Erhalt und Förderung der Artenvielfalt, ein Grundanliegen des Naturschutzes, hätte unter den erwähnten Umständen keine Chance. Gerade in der Großstadt ist Stadtgrün sehr wichtig für das Mikroklima (Luftfeuchtigkeit, Erholungsfunktion etc.). (Ein unendliches Thema gerade während der Zeit der Klimadiskussionen) Deshalb ist bei der Erstellung eines Pflegeplanes darauf zu achten, dass ökologische Kriterien (Fachlich kompetente Schnittmaßnahmen usw.) unbedingt beachtet werden.“

    Karla Paliege, NABU Berlin e.V.

    • 22. Juni, 2009 um 14:48

      Das Zitat von Karla Paliege passt ziemlich genau auf das, was am Gleisdreieck passiert. Aber warum sind die Fachleute so drauf? Ist es nur der Fluch des vielen Geldes, das ausgegeben werden muss? Ist es, weil das Honorar der Planer abhängig ist von den Baukosten.? Ist es die Angst der Planer vor Fehlern, weil die DIN-Normen keinen Wildwuchs vorsehen? Oder einfach nur Phantasielosigkeit?

  5. Hans said,

    23. Juni, 2009 um 11:46

    Genau das Gleiche passiert zur Zeit auf dem Bethaniengelände westlich des Rauchhauses am Bethaniendamm, wo zur Zeit alles Vorhandene rausgerupft wird, um dann einen Interkulturellen Garten zuzulassen (wenns wahr ist). Ich denke, dahinter steckt ein obrigkeitliches Denken: Was nicht genehmigt ist, auf dem Plan steht und einen Stempel oder Nummer trägt, ist Wildwuchs, Anarchie, bedrohlich und somit zu entfernen. Das sitzt tief!!
    Erst langsam merken wir, daß wir mit dem Wildwuchs auch uns selbst bekämpfen. Noch dürfen wir auf die Welt kommen, ohne dass vorher unsere Eltern einen entsprechenden Antrag ausgefüllt hätten – eigentlich ein Anachronismus!

  6. 23. Juni, 2009 um 16:02

    „Was nicht genehmigt ist, auf dem Plan steht und einen Stempel oder Nummer trägt, ist Wildwuchs, Anarchie, bedrohlich und somit zu entfernen.“

    Zum Glück tragen wenigstens die Straßenbäume hier alle brav ihr Nümmerchen, sind also voll inventarisiert. Aber selbst das bewahrt sie oft nicht vor willkürlichem Abschlachten.

  7. Ute Breitenbach said,

    8. Februar, 2010 um 9:02

    Aber auch hier in Neukölln Weserstr. werden dauernd Bäume gefällt. Heute höre ich schon wieder die Säge kreischen.

    Allerdings kenne ich mich so wenig mit Bäumen, die Pflege von Straßenbäumen und den (guten oder schlechten) Gründen, sie zu fällen aus.

    Was tun? Hinterher steht die Weserstr. im Sommer 2010 plötzlich nackt dar.


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