BürgerInneninititative Bäume für Kreuzberg
Ein kleiner Eklat
Bürgerverein und Landesdenkmalamt verlassen Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der BürgerInnenversammlung
In den heiligen Hallen des Max & Moritz, dort, wo sonst zuweilen die Kleinen mit Kasperletheater belustigt werden, gab’s gestern abend (17. Juni) zum Auftakt der dritten Arbeitsgruppen-Sitzung zur Vorbereitung der Leitbilddiskussion und nächsten Bürgerversammlung um die Gestaltung des Luisenstädtischen Grünzugs (ELK1) eine Gratisvorstellung, allerdings nur für Erwachsene: Aus Gründen, über die sich nur mutmaßen lässt, suchte Pfarrer Duntze vom Bürgerverein Luisenstadt krampfhaft und unbeirrbar nach einem Anlass, aus der Arbeitsgruppe auszusteigen. Niemandem dürfte verborgen geblieben sein, dass hier ein abgekartetes Spiel, eben Theater aufgeführt wurde, als eine unglückliche Formulierung, die den Anschein erweckte, die BI Bäume für Kreuzberg habe in Sachen Moderation gegenüber dem Bezirksamt die Auswechslung Ümit Bayams vom Stadtteilausschuss gegen seinen Vereinskollegen Ulrich Bahr nicht nur gewünscht, sondern einseitig durchgesetzt, dafür herhalten musste, dass Dr. Duntze und mit ihm Ina Stengel nun auch noch die Arbeitsgruppe verlassen, nachdem sie schon den Auftrag zur Organisation der BürgerInnenbeteiligung an der ELK-Sanierung, an dem sie so gründlich gescheitert sind, zurückgegeben hatten. Er wolle nicht im Wege stehen, damit die AG „unbefangen“ ihre Arbeit machen könne, sprach der Pfarrer vieldeutig und ging schmollend ab, bestätigte damit aber doch nur im Nachhinein die Richtigkeit der Entscheidung der BI, Ümit Bayam als befangen abzulehnen. Dieser hatte sich übrigens selbst als nicht ausreichend neutral eingeschätzt und die Moderation an Bahr weitergegeben. Die BI hatte andere KandidatInnen vorgeschlagen, worüber nie diskutiert wurde, und sich nur, um den weiteren Fortgang nicht aufzuhalten, mit dem Stadtteilausschuss abgefunden.
Lingenauber nicht dialoggewillt
Damit aber nicht genug: Als die VertreterInnen des Bürgervereins einpackten (bis auf ein Vereinsmitglied, das aber nur als „einfacher Anwohner“ am Verhandlungstisch blieb), tat es ihnen zur allgemeinen Verblüffung Klaus Lingenauber vom Landesdenkmalamt (LDA) unversehens gleich, nachdem er noch mit Unterstellungen wie „Sie haben Pfarrer Duntze rausgedrängt, da ist für mich auch kein Bleiben…“ seitens BI-VertreterInnen empörten Widerspruch geerntet und ihnen daraufhin ruppig den Mund verboten hatte. Der Gartendenkmalschützer verkündete trotzig, er werde die AG-Ergebnisse zu Leitbild und Planung an den genehmigungsfähigen und bereits bewilligten Bauplanungsunterlagen (BPU) messen und im Falle, dass sie dieser nicht genügten, weiterhin nach den alten BPU verfahren, und weigerte sich im Übrigen, noch irgendeine Replik dieser inkompetenten BaumschützerInnen anzuhören, die gerade einen historisch interessierten, engagierten und verdienten Bürger vergrault hatten. − Dazu ist nun erstens zu sagen, dass die bewilligte BPU jene vor den archäologischen Funden war (mit Schaffung freier Sichtachsen und den Barthschen Banknischen), nicht aber die anschließend entwickelte, „denkmalgerechtere“ mit ihrer 1,80 Meter Tieferlegung und den Treppenrekonstruktionen; und dass zweitens Bürgermeister Franz Schulz die Durchsetzung einer Planung gegen den erklärten Bürgerwillen definitiv ausgeschlossen hat, auch auf die Gefahr hin, dass außer einer verbesserten Pflege gar nichts geschehe und die Fördermittel anderweitig verwendet würden.
Auch Sabine Krutzsch, Projektleiterin in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung (SenStadt) und zuständig für das Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz, woraus die Mittel für die Umgestaltung des ELK fließen sollen, fand Verhalten und Handlungsweise Lingenaubers völlig inakzeptabel und attestierte ihm eine Veto-Mentalität.
Ina Stengel vom BV hingegen, die noch kürzlich im Umweltausschuss der BVV die Dialogbereitschaft der BI anerkannt und Fortschritte sowohl im Umgang miteinander als auch in der konstruktiven Arbeit gelobt hatte, behauptete nun von allem das genaue Gegenteil, nämlich ein dauerndes Sich-im-Kreise-Drehen, da die BI ständig auf Formalien beharre, sich inhaltlicher Arbeit verweigere und kein Einigungsinteresse zeige. Daran wolle sie sich nicht länger beteiligen, verkündete Frau Stengel und ging doch nur zögernd ab, als sich die VerwaltungsvertreterInnen von dem ihren ungleich weniger betroffen zeigten als vom Rückzug Dr. Duntzes.
Moderation oder Mediation?
Dann aber war endlich Schluss mit Kasperletheater. Helmut Zimmermann, freiberuflicher Moderator mit Seminaren zu Moderation und Präsentation an der TFH, der, vom Amt für die Moderation der Leitbild-Bürgerversammlung auserkoren, sich schon mal vorstellen sollte, war sichtlich beeindruckt von solch spannendem Empfang, konstatierte auch sogleich einen tiefen Graben zwischen den Parteien und ein hohes wechselseitiges Misstrauen, das ihn schon an die Notwendigkeit einer Mediation denken lasse: Ein Moderator sei nun mal kein Streitschlichter. Doch ganz abgesehen vom Zeitrahmen: Wer soll eine Mediation bezahlen? seufzte da Baustadträtin Kalepky im Gedanken an die laufende Mediation zur Zukunft des Landwehrkanals.
Rückkehr der Konstruktivität
Die Atmosphäre aber hatte sich da schon spürbar entspannt, die übrig gebliebenen AG-Mitglieder machten sich an die gemeinsame Abarbeitung der Tagesordnung, diskutierten die Protokolle und den Entwurf der Präambel und wenn dies auch alles andere als konfliktfrei verlief, fand man doch immer wieder kleine gemeinsame Nenner. Von der ursprünglichen Absicht, am 9. Juli die nächste große Bürgerversammlung abzuhalten und hier die Findung eines gemeinsamen Leitbilds anzustreben, wurde einvernehmlich abgerückt und diese wichtige Veranstaltung auf die Zeit nach der Sommerpause verschoben, zumal dann auch noch möglich ist, ihr eine Informationsveranstaltung vorzuschalten, damit die interessierten BürgerInnen Gelegenheit haben, sich zunächst mit den vorgeschlagenen Leitbildern vertraut zu machen, sie im Kreis der Nachbarschaft zu diskutieren etc., bevor sie dann in der Folgeveranstaltung nach ca. drei Wochen zur Entscheidung darüber aufgerufen sind. Dies wäre dann BürgerInnenbeteiligung, die ihren Namen verdient, ein wirklich demokratischer Prozess und nicht nur Alibi, Feigenblatt und manipulierter Anschein!
Muss ein Schaukasten neutral sein?
Ein Missklang blieb hinsichtlich der Nutzung des großen Schaukastens auf dem O’platz, den der Bürgerverein die ganze Zeit über alleine bestücken durfte. Hier hatte ein Anwohner bereits ein Konzept zur gemeinsamen Nutzung ausgearbeitet, das auf der Linken und Rechten die Darstellung der divergierenden Leitbild-Entwürfe und in der Mitte einen neutralen Bereich für Bezirksamt bzw. Stadtteilausschuss vorsah, und diesen Punkt mehrfach auf die Tagesordnung setzen lassen, doch unter „Verschiedenes“ war er jeweils hinten
runtergefallen. Nun aber erklärten die Baustadträtin sowie Frau Beyer vom Grünflächenamt lapidar, man habe im Amt entschieden, dass „im Moment“ eine unzensierte Darstellung der konkurrierenden Konzepte nicht gestattet, sondern der Kasten lediglich vom Bezirk selber für die Bekanntgabe von Terminen genutzt werden könne. Der Einwand, dass dadurch eine ganze Bevölkerungsgruppe, nämlich die große Minderheit ohne Internetzugang, von der Möglichkeit sich zu informieren ausgeschlossen werde, während sich alle anderen sowohl über die Website des Stadtteilausschusses als auch über die Seiten von Bürgerverein wie BI einen Informationsvorsprung verschaffen könnten, wurde mit diversen fadenscheinigen Begründungen zurückgewiesen: die Leitbilder seien, da in der AG noch nicht diskutiert oder ausgereift oder genügend neutral, auch noch nicht präsentierfähig; es handele sich bislang doch nur um „Bleiwüsten“2 etc. Allenfalls zur Veröffentlichung der Sitzungsprotokolle [die bekanntlich auch ganz ohne Illustrationen daherkommen] erklärte man sich bereit und blieb auf die Frage, welche(r) Außenstehende denn schon Protokolle lese, die Antwort schuldig.
Nächste BürgerInnenversammlung erst nach der Sommerpause!
Da das vorab festgelegte Datum für die große BürgerInnenversammlung, nämlich der 9. Juli, nicht zuletzt deshalb fallen gelassen werden musste, weil er verschiedenen AG-TeilnehmerInnen nicht in den Terminplan passte, wurde die noch vor der Sommerpause vereinbarte weitere AG-Sitzung für den 8.7. anberaumt. Dann soll der Begriff des Leitbilds diskutiert und im Hinblick aufs Bestreben einer Qualitätsverbesserung des ELK (also bzgl. des „dass“, nicht des „wie“) eine gemeinsame Formulierung gesucht werden, damit die Präambel als festgeschriebene Verfahrensgrundlage endlich verabschiedet werden kann. Nach wie vor geht es um die Frage, auf welche Weise in der nun also voraussichtlich im Oktober stattfindenden BürgerInnenversammlung über ein verbindliches Leitbild entschieden werden soll; welchen Status diese Versammlung haben wird und welchen Rang/welche Relevanz ihren Beschlüssen zukommt.
BügerInnenbeteiligung ist light nicht zu haben!
Als Fazit dieser denkwürdigen AG-Sitzung bleibt für uns festzuhalten, dass wichtigen Protagonisten, nämlich dem Bürgerverein Luisenstadt und dem LDA, BürgerInnenbeteiligung im Rahmen eines demokratischen Prozesses offenkundig zu anstrengend ist, konkret aber vor allem ungeeignet scheint, das Vorhaben einer sog. denkmalgerechten Rekonstruktion des ELK dennoch durchzusetzen. Es sei ahistorisch, die vorgelegten Planungen fallen zu lassen, äußerte Klaus Lingenauber in der zweiten AG-Sitzung (übrigens mit Zustimmung der Baustadträtin) und scherte sich nicht weiter um die unmissverständlichen Reaktionen der BürgerInnen am 21. April, die − was nun auch Frau Krutzsch von SenStadt noch einmal bestätigte − ob jung, ob alt, ob mehr oder weniger gebildet und keinem „Lager“ zuzuordnen diese Planung mit sehr differenzierten Argumenten einhellig ablehnten. Frau Krutzsch setzte sich auch dafür ein, dass die Formulierung „Inhalte des Programms städtbaulicher Denkmalschutz“ als in der Leitbild-Diskussion zu berücksichtigener Aspekt in die Präambel aufgenommen wurde, um einen verabsolutierten Denkmalschutz mit einem Korrektiv wie „Revitalisierung historischen Stadtraums“ gewissermaßen zu erden.
Ahistorischer Denkmalschutz
Es kann nun nicht darum gehen, über die Interpretation des gesetzlichen Auftrags des Denkmalschutzes abzustimmen, aber es geht andererseits auch nicht mehr an, ihn reduktionistisch auszulegen, althergebracht und eine Zeitschicht willkürlich verabsolutierend das Denkmal um des Denkmals willen zu rekonstruieren und dabei die Entwicklung einer zeitgemäßen, bürgerfreundlichen Denkmalpflege zu ignorieren, die in der Benutzbarkeit zumal eines Gartendenkmals, in der angemessenen Reaktion auf verändertes Nutzungsverhalten, in einer Antwort auf dringliche ökologische Anforderungen und nicht zuletzt in einer möglichst breiten Akzeptanz seitens der verschiedenen Bevölkerungsgruppen wesentliche Kriterien ihres Gelingens sieht. − Alles andere wäre nicht nur ahistorisch, sondern anachronistisch.
Wir sind nun nicht so naiv, im Rückzug der professionellen wie dilettierenden DenkmalschützerInnen schon einen Verzicht auf die Durchsetzung ihrer Pläne zu sehen, sondern vielmehr gespannt, auf welche Weise und über welche Kanäle sie nunmehr ihren Einfluss geltend machen, um ihre Absichten dennoch in die Tat umzusetzen. Wir sind auf der Hut!
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1Ehemaliger Luisenstädtischer Kanal
2da wird offenbar „Leitbild“ wörtlich genommen