Zukunft lässt sich ohne systemische Planung nicht bauen!

Die Bäume am Landwehrkanal sowie engagierte PolitkerInnen von SPD und Grünen geben Masterplan-Gedanken nicht auf

Die offizielle Nachricht vom Hinscheiden des Masterplan-Gedankens mussten wir vergangenen Montag (21.4.) der Presse entnehmen, genauer: aus einem ziemlich mangelhaft recherchierten Tagesspiegel-Artikel klauben.

Schlechter Stil oder System?

Keine Frage: natürlich war es längst klar, dass angesichts des offenkundigen Desinteresses der übrigen Anrainer-Bezirke Friedrichhain-Kreuzberg − im Frühherbst letzten Jahres spontan bereit, bei der Entwicklung einer integrierten Gesamtplanung der Kanal-Sanierung die Federführung zu übernehmen − nichts zu schreiben bekommen würde. Gegenüber den BürgervertreterInnen, die sich seit vielen Monaten hartnäckig dafür ins Zeug legen, dass das Mediationsverfahren zur „Zukunft des Landwehrkanals“ durch Initiierung einer solchen Rahmenplanung sich seinen Namen auch verdiene, zeugt diese Vorgehensweise von Baustadträtin Kalepky allerdings von schlechtem Stil. − Oder hat diese Hinhaltetaktik, dieses Zappeln-Lassen auf egal welcher der beteiligten Verwaltungsebenen nicht eher schon System?

Ein „M-Plänchen“ für Xhain?

Wie auch immer, Montagabend versuchte sich dann das Mediationsteam in eiliger Schadensbegrenzung und gab eine Mail der Baustadträtin wieder, die angeblich schon am Freitag zuvor eingetroffen sei. Dieser Mail war dann noch zu entnehmen, dass nun an so was wie ein „M-Plan XXS“ oder ein Masterplänchen nur für den Kreuzberger Kanalabschnitt gedacht sei: Da angesichts des mangelnden Interesses der anderen vier Bezirke der Senatsverwaltung die Basis eines gemeinsamen Vorgehens in Richtung Masterplan fehle, „wurde mit SenStadt verabredet, dass Friedrichhain-Kreuzberg nunmehr eigene Schwerpunkte setzen wird“, und das heißt (nach nunmehr bald zwei Jahren Mediation) −  erstmal Sichtung und Auswertung der bereits vorhandenen Gutachten.

Was sagen die BürgerInnen in den anderen Anrainer-Bezirken?

Nun wollen wir nicht gleich unterstellen, dass dies in ähnlichem Tempo vonstatten geht wie im Falle der Aktualisierung des Großen gartendenkmalpflegerischen Gutachtens von 1990 zu beobachten. Wesentlicher scheint die Feststellung, dass, wenn es auch für Neukölln oder Treptow bei der dortigen Ufersituation keinen großen Handlungsbedarf geben mag (was freilich immer noch kein Grund ist, sich vornehm rauszuhalten), die Situation entlang des Kanals in Mitte oder Charlottenburg langstreckenweise für Lebendiges schier unerträglich ist und eher an einen Klong entlang eines Bangkoker Speedways erinnert als an das Schmuckstück, das Peter Joseph Lenné für die Stadtbevölkerung einst schaffen wollte. Fast alles Potential von Wasserstraße und Uferbereichen bleibt ungenutzt, und die vielfach unterbrochenen, lärmumtosten Uferwege sind menschleer.

Dass es nun aber in einem großen Mediationsverfahren mit BürgerInnenbeteiligung BehördenmitarbeiterInnen vorbehalten bleiben soll, lapidar und ohne nähere Begründung darüber zu befinden, ob nachhaltige Qualitätsverbesserungen rund um den Landwehrkanal in „ihren“ Bezirken nötig seien oder nicht, darf so nicht einfach hingenommen werden. Zunächst ist zu fragen, ob die Thematik in den Umwelt- und Verkehrsausschüssen der betreffenden BVVs, soll heißen: von den gewählten BürgervertreterInnen überhaupt erörtert wurde und sodann, ob die Bedürfnisse und Auffassungen der ortsansässigen Bevölkerung beim abschlägigen Bescheid an den Friedrichshain-Kreuzberger Bürgermeister überhaupt eine Rolle spielten bzw. in irgendeiner Weise ermittelt wurden. Wenn es um Partizipation und Mitwirkung an der Gestaltung der Zukunft des Kanals geht, kann sich’s doch nicht allein um Kreuzberg drehen!

Gleisdreieck-Tragödie stoppen!

Integration durch Desintegration?

Pflaster+Gleise

Rausgenommen: Großsteinpflaster und Gleise

Unterdessen hat die Zerstörung der schönsten Bahnbrache Berlins im Auftrag der Senatsverwaltung ihren Fortgang genommen und wird womöglich mit vom Bezirk beantragten überbezirklichen Geldern in Höhe von 5,5 Mio Euro (die also nicht aus dem Konjunkturpaket II stammen, wie es zunächst in der Presse hieß) auf die einzige und auch noch multikulturelle Kleingartenkolonie F’hain-Xbergs im Westen des Geländes ausgedehnt. 50 Parzellen der 24 Ethnien entstammenden Mitglieder der Kolonie Potsdamer Güterbahnhof (POG) sollen ausgerechnet der Anlage eines Fußballstadions für den ursprünglich türkischstämmigen, aber längst multiethnischen Verein Türkyiemspor planiert werden. Nur die im nordwestlichen spitzwinkligen und deshalb für Sport unattraktiven Zipfel liegenden 12 Parzellen erhalten Bestandsschutz. Das eine bedeutsame Integrationsprojekt soll wegen eines bedeutenden anderen zunichte gemacht werden. (Und wir denken natürlich an die Rosa Rose, wo der Bezirk vor Jahresfrist schon mal mit bedauerndem Schulterzucken der Zerstörung einer als gelungenes Integrationsprojekt gelobten multikulturellen Kleingartenkolonie zugeschaut hatte.)

Kirschblüte

Kirschblüte nahe "Möckernpromenade"

Widersprüchliche Pressemeldungen in taz und MoPo in der ersten Aprilwoche deuten auf unzureichende Absprachen zwischen Sigrid Klebba, Leiterin der Abt. Bildung und Sport im Xhainer Bezirksamt, und ihrem Pendant beim Senat, Staatssekretär Härtel. Denn nun werden dem Fußballclub, der dreißig Jahre vergeblich nach einem eigenen Platz suchte, gleich deren drei angeboten: von Bürgermeister Schulz die Kleingartenanlage, von Innensenator Körting der Jahn-Sportpark in Prenzlauer Berg und vom Bezirk Mitte das Poststadion an der Lerther Straße. Obwohl der erfolgreiche Regionalligist längst ein gesamtstädtischer Verein ist, sieht er seine Wurzeln in Kreuzberg, weshalb das Gleisdreieck wohl erste Wahl wäre; die „Mielke-Arena“ (Volksmund lt. taz) könnte dem Training der A-Jugend und der Herrenmannschaft dienen.

Fußball statt Kleingärten?

Gegen das Gleisdreieck-Gelände spräche aber außerdem noch die allzu große Nähe zur Wohnbebauung in der Bülowstraße. Auch die Führung des sog. Generalszuges, jener schon von Lenné geplanten Ost-West-Verbindung zwischen Kreuz- und Schöneberg, Horn- und Bülowstraße, träfe nach der Fernbahntrasse auf ein weiteres Hindernis und wanderte endgültig zurück ins Archiv.

[Verspäteter Nachtrag (27.4.): Schon in einer Ausschusssitzung am 22.4. hatte Franz Schulz aus den genannten Gründen − Körtings Jahn-Stadion-Offerte und die Kollision der Fußballplätze mit dem „Generalszug“ − den sogenannten Teilungsbeschluss, der die baurechtliche Voraussetzung fürs Angebot an Türkyiemspor schaffen sollte, zurückgezogen. − Näheres im Gleisdreieck-Blog.]

Der Vorschlag, Fußballplätze in jenen Bereich C zu verlagern, den der Loidl-Entwurf für die große Wiese vorsieht, und zugleich durch den Erhalt des Kleingarten-Biotops so ökonomisch wie irgend möglich mit den A&E-Mitteln zu haushalten, indem sie statt für Entschädigungsleistungen für den Park verwendet werden können, stößt auf den Widerspruch des genannten Atelier Loidl, das eine zu große Modifizierung seiner Planung befürchtet.

Als würde die nicht fortwährend modifiziert, wenn es nur um Beräumung der Vegetation geht! So soll jetzt die sog. Möckernpromenade entlang der gleichnamigen Straße dreißig Meter breit und mit einer wassergebundenen, pflegeleichten Decke versiegelt werden. Das Großsteinpflaster ist bereits heraus genommen und angeblich nur die abgestorbene Vegetation, aber man kann sich unschwer vorstellen, was von dem „großen vegetativen Rahmen“, den der ursprüngliche Wettbewerbsbeitrag, aber auch noch der Vorentwurf von 2007 vorsah, übrig bleibt, wenn die Kehrmaschine kreisen soll.

Ein alter Beiratsbeschluss

Im Wäldchen

Im Wäldchen

Entgegen den Absprachen und allen Protesten fiel just zu Beginn der Brutperiode der Zaun ums naturschutzfachlich wertvollste und Herzstück des Areals: das sog. Wäldchen. Die Hunde hatten ihre Freude am Aufspüren der Bodenbrüter wie Zilpzalp und Fitis, die nun eben dort keine Brutvorkommen mehr haben. − „Das ‚Wäldchen‘ soll prioritär nach Zielen des Naturschutzes und der Naturerfahrung entwickelt und gepflegt sowie den Parkbesuchern im Rahmen von Führungen behutsam erlebbar gemacht werden“, hieß es dazu noch im Beschluss des Sachverständigenbeirats für Naturschutz und Landschaftspflege und stammt aus einer anderen Zeit, nämlich 2005. Jetzt hört sich der Naturschutzbeauftragte des Senats, Professor Kowarik, ganz anders an, sieht den Nutzungsdruck stärker werden, die Nutzergruppen heterogener, so dass es unmöglich sei, das auf dem Schöneberger Südgelände praktizierte Ruderalkonzept aufs Gleisdreieck zu übertragen. Hier „etwas zu machen und zu sagen, das hat Bestand, ist unrealistisch“, weiß Kowarik heute.

Protest des BUND

Niedergelegter Zaun

Niedergelegter Zaun vorm Wäldchen

Der BUND protestierte derweil in einem Schreiben an Senatorin Junge-Reyer u.a. gegen die Zerschneidung des Wäldchens von drei sechs bzw. drei Meter breiten Betonwegen und die damit verbundene weitgehende Öffnung der für den Natur- und Artenschutz wesentlichen Fläche und fordert eine Rückkehr zum ergebnisoffenen Dialog mit den BürgervertreterInnen. Als erstes Ergebnis des Briefes ist ein Gespräch mit der Senatsverwaltung geplant, bei der die offenen Konfliktpunkte und die Bilanz der bisherigen Bürgerbeteiligung diskutiert werden sollen (insbesondere die Themen Wäldchen, Blumenwiese, Möckernpromenade). Daran sollen auch die BürgervertreterInnen beteiligt werden.

Antrag der Grünen

Nächsten Dienstag (28.4.) stellt die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Antje Kapek, einen Antrag in der Xhainer BVV, der das Bezirksamt auffordert, sich für eine Ausweisung des „Wäldchens“ als Landschaftsschutzgebiet (LSG) einzusetzen sowie zur einstweiligen Sicherstellung für die Verhängung eines Veränderungsverbots gemäß § 23 NatSchGBln. Frau Kapek geht davon aus, dass auch die Fraktionen von SPD und Linken diesem Antrag zustimmen. − Man wird sehen, was das Bezirksamt in dieser Frage vermag.

Mäusebussard

Mäusebussard am Technikmuseum

Landwehrkanal hat gesamtstädtische Bedeutung!

Hier sollte der Senat durchaus mal was an sich ziehen!

Auch wir sind nicht der Meinung, „dass in jedem Falle, in dem mehrere Bezirke bei baulicher Stadtentwicklung beteiligt sind, gleich die Senatsverwaltung das Verfahren an sich ziehen muss“, wie Björn Böhning, SPD-Bundestagskandidat in Xhain, in seinem Blog schreibt −, doch da der LWK sowohl als Wasserweg, Grünzug, potentieller Biotopverbund und Baudenkmal nicht nur bezirksübergreifende, sondern gesamtstädtische Bedeutung hat und seine zukunftsfähige Sanierung und Entwicklung gerade in den gegenwärtigen Krisenzeiten einen über die Landesgrenzen hinausstrahlenden Modellcharakter haben sollte, sehen wir neben WSA/Bund durchaus die Landesbehörden in der Pflicht, die Bezirke dagegen völlig überfordert.

Und endlich bleibt für uns unerfindlich, wieso ein solches Infrastrukturprojekt die Kriterien für eine Mittelvergabe aus den Konjunkturpaketen („Wir bauen Zukunft“) nicht erfüllen soll.

  • Fällt die Ermöglichung sanfter Mobilität zu Wasser und zu Lande quer durch die City der Hauptstadt wirklich nur deshalb nicht darunter, weil die Planung zu lange dauert?
  • Dient die Schaffung von Naturerfahrungsräumen nicht gerade der so bitter nötigen Umwelt-Bildung (mit Entwicklung sozialer Kompetenzen bis hin zur Jugendgewaltprävention)?
  • Und brauchen gefährdete Pflanzen- und Tierarten gerade im urbanen Raum keine Infrastruktur?

Nein, wenn sich die Diskussion um die Kanal-Zukunft weiterhin vorwiegend in wasserbaulichen Detailfragen erschöpft − womit deren Wichtigkeit keineswegs in Abrede gestellt werden soll −, dann dient dieses Mediationsverfahren mitnichten dem Bauen der Zukunft, sondern produziert tatsächlich nur kleinteilige Lösungen mit frühem Verfallsdatum.

Plädoyer für zukunftsfähige Konzepte

Vor allem darf die Sanierung des LWK nicht der Zementierung der alten monopolistischen Nutzungsformen und -strukturen missbraucht werden, sondern wir haben die Pflicht, sie als ein Moment in der längst überfälligen ökologischen Wende innerhalb der Stadt- und Verkehrsplanung, der Wasserstraßen-Unterhaltung und auch der Grünflächenpflege zu begreifen! Wir fordern von Bund und Land nichts geringeres als Nachhaltigkeitspolitik, d.h. im konkreten Fall nicht nur eine der technischen und ökonomischen Effizienz, sondern eine werthaltige Entscheidung dafür, nicht nur die eigene Lebensqualität (wieder) zu erhöhen, sondern auch künftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt zu hinterlassen.

Dass diese Entscheidung sich auch mittelfristig „rechnet“, sich also auch ökonomisch, z.B. mit der Schaffung „grüner“ Arbeitsplätze, als nachhaltig erweist, ist, wenn auch nicht im mindesten zweifelhaft, zunächst mal zweitrangig, denn es geht um existentielle Fragen.

Shared Space

Dieses neudeutsch benannte Konzept, das vom begrenzten innerstädtischen öffentlichen Raum ausgeht, und bspw. mit „Zone für alle“ übersetzt worden ist, weist unmittelbar auf unser Motto „Landwehrkanal für Alle!“, das die Gesamtplanung des LWK leiten muss und z. B. beinhaltet, dass auch „privat“ genutzte bzw. monopolisierte Anlegestellen der Mitbenutzung durch andere VerkehrsteilnehmerInnen zu öffnen sind. Eine einseitige Bevorzugung irgendeines Nutzers muss vermieden werden. Und dies ist eben auch baulich zu verankern!

Effekt der Umweltzone durch saubere Fahrgastschifffahrt erhöhen!

Geschönte Erfolgsmeldungen?

Umweltsenatorin Katrin Lompscher (Linke) gab sich überzeugt, dass die um drei Prozent gesunkene Feinstaubbelastung und die um 14 bis 22 Prozent zurückgegangenen Rußpartikel den Erfolg der im Januar ’08 eingeführten ersten Stufe der Umweltzone dokumentieren −, doch bekanntlich ist der PKW-Verkehr insgesamt in Berlin erfreulicherweise rückläufig, hohe Spritpreise dämpften die Fahrleidenschaft, nur ein Fünftel des Feinstaubs entstammt überhaupt dem Straßenverkehr und über die Hälfte gelangt gar von außerhalb in die Stadt. − Wenn aber von wirtschaftsfeindlicher Umweltpolitik und gar von einem Rückgang des Berlin-Tourismus schwadroniert wird, fällt’s nicht schwer, die eigentlichen Demagogen zu verorten.

Umweltplakette auch für Binnenschiffe!

Unbestreitbar wurden erste kleine Schritte in die richtige Richtung getan. Was aber die Dieselstinkerei zu Wasser betrifft,  warten wir nach wie vor auf Messergebnisse seitens SenGUV z.B. auf und unter den Brücken, in den Schleusenkammern etc. Und auf der von der IHK bejubelten langen Liste der Ausnahmeregelungen, die eine Fehlzündung der nächsten Stufe der Umweltzone 2010 befürchten lässt, haben natürlich auch die Rußdampfer nichts verloren.

Schon im vergangenen Herbst stellte der Fraktionsvize der Grünen im Bundestag und Kreuzhainer Direktkandidat, Christian Ströbele, eine entsprechende Anfrage und schlug bei dieser Gelegenheit eine Umweltplakette auch für Binnenschiffe vor, wurde jedoch mit der Auskunft beschieden, dass mit den diversen Filtertestprogrammen bis 2010 und die dann zu formulierenden Handlungsempfehlungen zum Einsatz von Filtern in Schiffsdieselmotoren die Bundes- wie auch die Berliner Landesregierung in diesem Betracht erstmal genug getan haben.

Während wir generell für die Verbannung von Dieselmotoren auf den Berliner Kanälen innerhalb der Umweltzone plädieren, soll es hier also noch Jahre dauern, bis auch nur der alten Forderung „Kein Diesel ohne Filter!“ Genüge getan ist.

Um die Aufnahme einer Nachrüstförderung oder Abwrackprämie für alte Nutzfahrzeuge ins Konjunkturpaket II, die einzig in diesem Fall die Bezeichnung „Umweltprämie“ zu recht trüge, habe sich jedenfalls laut Frau Lompscher der Senat beim Bund vergeblich bemüht. − Gleichwohl geht es nicht an, dass sich die Fahrgastschiffer mit dem Argument drohender Arbeitsplatzverluste ständig als die Antreiber bei der dauerhaften Kanalsanierung profilieren, während sie in der Presse schwadronieren, dass auf Grund ihrer Ertragslage (die natürlich viel mit ihrer wettbewerbsverzerrend[1] behüteten Sonderstellung zu tun hat) die Krise nicht nur um ihr Gewerbe, sondern gleich um die ganze Stadt einen Bogen macht, frei nach dem Motto „Was gut für die Reeder ist, ist auch gut für Berlin!“

Emissionsfreie Nutzungskonzepte

Der „Arbeitskreis zur nachhaltigen Wirtschaft und Schifffahrt“ wurde mangels Interesse an der Thematik ohne Aufsehen beerdigt, doch wir möchten an dieser Stelle noch einmal unsere Auffassung bekräftigen, dass das Mediationsforum, wenn’s denn um die Zukunft gehen soll, vom Senat die Planung emissionsfreier Nutzungskonzepte (siehe etwa den Solar-Fähr- oder Fahrgastschiffsbetrieb auf dem Bodensee, der Hamburger Alster oder zwischen Dänemark und Schweden) einfordert!


[1] ausgerechnet der Schiffsdiesel, der pro Liter 1 Gramm Schwefel enthält, ist wie Flugzeug-Kerosin steuerbefreit!

WSA gibt sich rührig

Mehr oder weniger Bauzäune?

Big Bags Baerwaldbrücke

Big Bags Baerwaldbrücke

Im Rahmen des sog. Drei-Säulen-Modells des WSA werden alle landseitigen Absperrungen mit den Ergebnissen der Taucheruntersuchungen abgeglichen und ggf. noch vermehrt (am spektakulärsten am Planufer unterhalb der Admiralbrücke, wo es sich übrigens nicht einmal um Regelbauweise handelt!). Hier kann jetzt jede Woche ein alter Schaden als neu erklärt werden, bis alle Kanalufer eingezäunt sind. Auch um eher symbolischen oder reinen PR-Maßnahmen entgegenzuwirken, verlangen wir für jede neue Strecke eine sofortige statische Berechnung, damit jeweils die Notwendigkeit eines Bauzauns nachgewiesen wird. Immerhin wurden die Stellen bereits wasserseitig gesichert. Und sollten weitere neue Schäden auftreten, sind diese nur wasserseitig, und zwar durch Spundwände zu sichern!

Weitere Bauwerksverschlechterung durch Schifffahrt verhindern!

„Um eine Verlangsamung der Zustandsverschlechterung über Wasser zu erreichen, werden im Oktober 2009 Fugenpflegemaßnahmen mit Bewuchsentfernungen durchgeführt“, lässt das WSA verlauten. Wir wären weit mehr beeindruckt, wenn zur Verlangsamung der Zustandsverschlechterung unter Wasser endlich eine Reduzierung von Fahrgastschiffsfrequenz, -größe und -tiefe der Bestandsflotte in Betracht gezogen würde. Um die vom Schiffsverkehr  verursachte Verschlechterung zu dokumentieren, stehen Technik und Vergleichsdaten ja nunmehr zur Verfügung. − Dagegen fällt uns auf, dass die Ausflugsdampfer wieder die Geschwindigkeitsbegrenzung von 6 km/h munter überschreiten…

Mal was Positives!

Kappung heißt eben nicht Fällung

Gekappte Weide

Gekappte Weide

Zwar wurden die von den übereifrigen Kolonnen des Außenbezirks Neukölln durch rigorose Strauchrodung an verschiedenen Kreuzberger Uferabschnitten verursachten Schäden zwecks Ausgleichsmaßnahmen noch immer nicht gutachterlich taxiert − wahrscheinlich möchte man noch etwas zuwarten, auf dass neue Triebe das Malheur einigermaßen kaschieren −, doch die schon zur Fällung freigegebene Weide auf der sog. Wasserbauinsel im Tiergarten, die auf Betreiben der BürgervertreterInnen und des Baumsachverständigen Barsig lediglich gekappt wurde, zeigt augenfällig, wie sinnvoll eine solch erhaltende Maßnahme ist. Im Tot- oder Biotopholz sich entwickelnde Klein- und Kleinstlebewesen, nistende Höhlenbrüter oder im hohlen Stamm Quartier nehmende Fledermäuse etc. −  all das konstituiert ein artenreiches, ökologisch besonders wertvolles Kleinbiotop, das sich jetzt an einer Stelle fortentwickelt, wo Fällung nur einen kahlen Fleck hinterlassen hätte.

Nachhaltige Pflege am Salzufer

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Strauchpflanzungen

Zur Ausgleichsmaßnahme für die Fällungen im Bereich der Unterschleuse, nämlich Strauchpflanzungen entlang des Salzufers in Charlottenburg, hat die Meßzelle e.V. − ein gemeinnütziger Verein an der TU Berlin − ein Pflanzkonzept gemäß des geltenden und vom WSA so gerne vergessenen Unterhaltungsplans entwickelt.
Folgende Ziele wurden dabei formuliert:

  • Strauchpflanzungen mit einheimischen Sträuchern zur Abgrenzung und Befestigung der Uferböschung
  • Aufbau einer nachhaltigen Strauchhecke zur ökologischen Aufwertung (Naturschutzmaßnahme)
  • Rückdrängung des unerwünschten und pflegeintensiven Pappelaufwuchses (Pflegemaßnahme: Umbau des Hybridpappel-Bestandes gemäß U-Plan zu einem naturnahen Bestand).

Mit der Umsetzung hat das WSA anschließend allerdings eine Fremdfirma beauftragt. Wesentlich bleibt jedoch, dass sich die ehrenamtliche Arbeit der Meßzelle immerhin in der Auftragsbeschreibung niederschlug und deren Einhaltung wird vor Ort kontrolliert.

Salzufer-Strauchpflanzung 03

am Salzufer

A 100 stoppen!

Eindrucksvolle Demonstration des BürgerInnenwillens

Stressfrei

Stressfrei auf der Frankfurter Allee

Kurz vor Ablauf der Einwendungsfrist gegen die A100-Verlängerung am kommenden Donnerstag, 23. April, veranstalteten die GegnerInnen dieses unsinnigen, rückwärtsgewandten Verkehrsprojekts − allen voran die BISS − am gestrigen Sonntag (19. April) mit über 2000 TeilnehmerInnen eine machtvolle Rad-Skater-Demo*. Auch B’90/Die Grünen und der BUND (und nicht zuletzt die Bäume am LWK ;)) hatten dazu aufgerufen und sich angesichts dessen sogar die Meterologen kurzfristig eines anderen besonnen: Bei idealen Witterungsbedingungen − strahlender Sonnenschein bei moderaten Temperaturen − ging’s vom S-Bhf. Treptower Park, wo das Straßenmonster seine Blechlast ausscheiden würde, entlang deren mutmaßlichen Hauptweg über Elsenbrücke, Strahlauer Allee, Warschauer Straße zur Frankfurter Allee, deren AnwohnerInnen sicherlich mit einer Reduzierung ihrer Lebenserwartung zu rechnen hätten.

Zwischenkundgebung

Zwischenkundgebung vorm Roten Rathaus

Auf der Zwischenkundgebung vorm Roten Rathaus sprach zunächst Andrea Gerbode von der BISS zu den Massen, währenddessen Einwendungsvordrucke verteilt und, an Ort und Stelle ausgefüllt, gleich vom „mobilen Postamt“ auf einem Fahrrad-Gepäckträger entgegengenommen wurden. Frau Gerbode rekapitulierte noch einmal die umfängliche Liste alles dessen, was dem Asphalt zum Opfer gebracht werden soll, und legte dabei das Schwergewicht auf den Natur- und Artenschutz: Ca. 300 Obstbäume, aber auch ein Dutzend über hundertjähriger Platanen und eine Vielzahl von Kleinbiotopen, denn die ökologische Bedeutung innerstädtischer Kleingartenkolonien werde nach wie vor weit unterschätzt. Mit den bedrohten ca. 400 Gärten würden Niststätten von gefährdeten Vogelarten wie Haubenlerche und Pirol, Fledermausquartiere, Unterschlupfmöglichkeiten für Igel oder auch Vorkommen von über vierzig Hautflügler-Arten bedenkenlos vernichtet.

Franz Schulz

Franz Schulz

Franz Schulz, grüner Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg und wie seine Partei seit langem erklärter Gegner des Projekts, bekräftigte noch einmal, dass sein Bezirk mit den Stimmen von SPD und Linken gegenüber SenStadt eine „negative Stellungnahme“ zum Vorhaben abgeben werde und rief die Versammelten auf, noch rasch möglichst viele individuelle Einwände zu erheben, um es der Senatsverwaltung beim Abwägen nicht gar zu einfach zu machen. − Der Bürgermeister verwies auf den rückläufigen Autoverkehr in der Stadt, dem offenbar durch Straßenneubau entgegengewirkt werden solle − ein völlig verfehltes Signal der Landesregierung.

Matuschek + Stroebele

Jutta Matuschek und Christian Ströbele

Jutta Matuschek, für die Linke im Abgeordnetenhaus, mit Wahlkreis im betroffenen Treptow-Köpenick, sprach sich ebenfalls vehement gegen die Pläne aus, die ihre Partei in der regierenden Koalition bekanntlich mitträgt. Um innerstädtische Bezirke, die aber eine relativ geringere Wohnbebauung aufwiesen, zu entlasten, würde der Verkehr in dicht bewohnte Außenbezirke verlagert. Aber einem  „Innen hui, außen pfui!“ werde sie nicht zustimmen, auch deshalb nicht, weil zu beobachten sei, dass gerade Bezirke mit solchen Trassen regelmäßig auch zu sozialen Problemzonen verkämen. Aber die mehrheitlich besonders im Ostteil der Stadt beheimateten Autonarren gäbe es nicht zuletzt in ihrer Partei.

Mobiler Briefkasten

Mobiles Postamt

Der Senat habe zur Erreichung der Klimaschutzziele schon Millionen in sehr sinnvolle Projekte wie etwa die energieeffiziente Sanierung öffentlicher Gebäude investiert, den Bau eines neuen Kohlekraftwerks gestoppt etc., drohe nun aber auf Druck mächtiger Lobbys wie der Bau- und Autoindustrie, aber auch Anschütz, alles auf den Weg gebrachte zu konterkarieren.

Der Lärmteppich der Autobahn mit einer Breite von 400 Metern würde sich auch über den Treptower Park breiten, wo sich doch hier im Gegenteil die Gelegenheit biete, dieses Gartendenkmal und Naherholungsgebiet durch konsequente Lärmschutzmaßnahmen weltberühmt zu machen.

Canan Beyram

Canan Bayram

Canan Bayram, frauenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, signalisierte, dass es auch dort bröckele. Sie jedenfalls, die in Xhain wohne und ihre Kinder genau entlang der Demo-Route täglich zur Schule bringe, habe es genossen, einmal nicht als Radfahrerin von der Blechkarawane an den Rand gedrängt zu werden, sondern einmal unbehelligt die Straße benutzen zu dürfen.

Ströbele

Vorm Brandenburger Tor

Als Schlussredner erinnerte Christian Ströbele, Fraktionsvize der Bundestags-Grünen und Xhainer Direkt-Kandidat, an die Binsenweisheit, dass schöne neue breite Straßen schön viel neuen Verkehr erzeugten, Autobahnen noch mehr Verkehr und die Zufahrten ihn in die Wohnviertel von Neukölln, Xhain, Treptow, Lichtenberg trügen.

Transpi

Ein Transpi wird angebracht

Ströbele verwies auf die Frischluftschleuse, die von Westen her für die Ventilation der östlichen Innenstadt so wichtig sei und unter keinen Umständen erhitzt, verrußt, verschmutzt werden dürfe, um dann die Gesundheit der BürgerInnen zu gefährden.

Und was könne man nicht alles mit den 435 Mio Euro, die diese absurd teuren dreieinhalb Kilometer nach jüngsten Schätzung kosten sollen, für den ÖPNV tun, für die fahrradgerechte Stadt usw. Deshalb könne es nur heißen: „Hop! Hop! Hop! A 100 Stopp!“ − Und die Menge, die unterwegs recht still geradelt und geskatet war, skandierte dankbar den Slogan.

Plakat

Gärten statt Autobahnen!

Weiter ging’s durchs Brandenburger Tor und, nach einem Abstecher zum Reichstag, an Siegessäule, leuchtend frisch belaubtem Tiergarten und vornehmem Diplomaten-Park vorbei wieder zurück nach Osten bis zum stillen Köllnischen Park, wo vis-à-vis der imposanten „Trutzburg“ des Märkischen Museums Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer residiert. (Womöglich, kommt einem in den Kopf, lässt sie sich in ihrem sturen Trotz am Festhalten musealer Pläne zur autogerechten Stadt vom Blick aus dem Bürofenster inspirieren.)

Die unterdessen noch angewachsene Masse der TeilnehmerInnen an der Abschlusskundgebung ließ sich nicht davon beirren, dass die Behörde sonntags ziemlich verwaist ist. Das bekannte Plakat wurde ans Portal geheftet, ein Polizist pflanzte sich daneben auf, und Harald Moritz von der BISS sprach das Schlusswort: Er mahnte noch mal, bis Mittwoch Einwendungen zu schreiben und erinnerte daran, dass nicht nur der Autobahnbau Geld koste, sondern auch der Widerstand dagegen.

Einwendungsclown

Einwendungsclown propagiert Potenzierung

Sogleich wanderten noch zahlreiche Einwendungen in den mobilen Postkasten, dann trat eine Truppe Clowns auf, die Einwände gegen die Einwendungen erhoben und mehr Autobahn forderten, ja, einander überbietend, schließlich für jedes Auto eine eigene, so dass man sie viele Stockwerke hoch bauen müsse, bis man die Sonne nicht mehr sehen und endlich die Milch mit dem teuren Lichtschutzfaktor spare. Die vielen teilnehmenden Kinder waren begeistert, der Einwendungspostkasten wurde auf einen Teppichläufer entleert, und da der Briefschlitz der Senatsverwaltung kindgerecht niedrig angebracht ist, stopften die Kleinen stapelweise die Karten hindurch. Vorher waren aber noch drei ausgelost worden, und als Gewinn gab’s das A100-Survival Kit mit Atemmaske und Feinstaubwedel.

Es war eine so schöne wie eindrucksvolle, so kreativ-spaßige wie friedfertige Demonstration, dass die Betroffenen und mit ihnen nicht nur OppositionspolitikerInnen, sondern auch solche aus den regierenden Parteien dieses Vorhaben, mit einem ganzen Strauß triftiger Gründe und Argumente bewehrt, leidenschaftlich ablehnen.

Einwerfen

Ab die Post!


* Unerfindlich, wieso die Hauptstadtpresse nur von 1500 schreibt, wenn sogar die Polizei, die sich im Übrigen sehr zurückhielt und vornehmlich mit dem Beruhigen aggressiv-ungeduldiger Autofahrer beschäftigt war, vor Ort von 1800 DemonstrantInnen sprach, und die Polizei untertreibt in solchen Fällen bekanntermaßen gerne.

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