Bürgerinitiative Bäume für Kreuzberg

Wieder verschoben: Zweite Bürgerversammlung zum Sanierungs-Leitbild für den Luisenstädtischen Grünzugs erst Ende Juni!

BI mit ständigen Abänderungen von Vereinbarungen durchs Bezirksamt unzufrieden

Gleich zu Beginn der zweiten Arbeitsgruppensitzung zur Vorbereitung der BürgerInnenversammlung und ergebnisoffenen Leitbilddiskussion am 12. Juni überraschte Ümit Bayam, Leiter des Stadtteilausschusses Kreuzberg und diesmal der Moderator, mit der Mitteilung, dass es am 12.6. gar keine BürgerInnenversammlung geben werde. So habe man es im Bezirksamt beschlossen, verkündete Frau Schuchardt von Stattbau, denn es gehe nicht an, eine Neuauflage der chaotischen ersten Versammlung vom 21.4. zu riskieren, und etwas anderes sei nach dem jetzigen Diskussionsstand auch nicht zu erwarten.

Als zum genannten Termin stattdessen eine weitere AG-Sitzung in Aussicht gestellt wurde, die im kleinen Kreis erstmal Substanz generieren solle, während die öffentliche Leitbilddebatte deshalb leider erst nach der Sommerpause geführt werden könne, protestierten die VertreterInnen der BI Bäume für Kreuzberg nach einigen Momenten ungläubigen Staunens nachdrücklich.

Entscheidung übers Sanierungs-Leitbild noch vor dem Urlaub!

Auch mit Hinweis auf die Beschlusslage der letzten Sitzung lehnte die BI entschieden ab. Es stehe zu befürchten, dass das Thema bis zum Herbst die öffentliche Aufmerksamkeit verloren habe, und überhaupt dränge sich der Eindruck auf, dass die BI auf diese Weise nur hingehalten und ausgezehrt werden solle —, eben bis zum Beginn der nächsten Fällperiode. Schließlich lenkte Frau Haverbeck von der Sanierungsverwaltungsstelle ein — das sei wohl etwas dirigistisch rübergekommen — und stufte die forsche Ansage zum amtsseitigen Vorschlag herunter. Nachdem die BI-VertreterInnen darauf beharrten, die Leitbilddebatte noch vor der Sommerpause nicht nur zu beginnen, sondern auch, in welcher Form auch immer, zu entscheiden, um erst dann in die abschnittsweise konkrete Planung einzusteigen, kamen die Anwesenden überein, am 12.6. tatsächlich nur eine weitere AG-Sitzung abzuhalten, Ende Juni dann aber die zweite große Bürgerversammlung zu veranstalten.

Obwohl kein klarer Aufschluss darüber zu erhalten war, warum die groben Grundlinien der jeweiligen Leitbild-Vorstellungen unter erneutem Ausschluss der Öffentlichkeit erst noch mal im kleinen Kreis erörtert werden müssen, um nach „gemeinsamen Schnittmengen und Dissenspunkten“ zu suchen, willigten die Bäume für Kreuzberg schließlich widerstrebend ins Procedere ein. Von ihren Änderungs- und Ergänzungswünschen bzgl. der „Präambel“ wurde entsprechend auch nur unter Punkt 3) der Aspekt der „nachhaltigen städtebaulichen Erneuerung“ mit aufgenommen; über eine stärkere Formulierung für „Einstieg in die Leitbilddiskussion“, die deutlich machen würde, dass man keine unendliche Debatte, sondern eine baldige Entscheidung wünsche, konnte man sich hingegen nicht einigen.

Bürgerverein Luisenstadt will bezirksübergreifendes Leitbild

Der BV Luisenstadt war nun ganz erpicht darauf, sofort inhaltlich einzusteigen und wollte sich dabei auch gleich den gesamten ELK von Spree bis Urbanhafen vornehmen. Mehrfach setzte Pfarrer Duntze an, einen Zehnpunkte-Katalog vorzutragen und sich damit über die Vereinbarung, zunächst die Verfahrensfragen zu klären, hinwegzusetzen. Die meisten der ca. 25 ums Tischgeviert Versammelten hatten jedoch noch bis zum Schluss der knapp dreistündigen Sitzung Diskussionsbedarf auf der „Metaebene“, wie es Bürgermeister Schulz ausdrückte.

Diskursives oder Konsensverfahren?

Denn auch wenn beispielsweise Baustadträtin Jutta Kalepky von unterschiedlichen Leitbild-„Visionen“ selbst in der Verwaltung zu berichten wusste und die Möglichkeit sich diametral widersprechender einräumte, sprach sie dann wiederum vom Sammeln von Bausteinen, vom Vermeiden starrer Entgegensetzungen und der gemeinsamen Findung eines Leitbilds fürs gesamte Ensemble, als könne man nicht auch einen Dissens öffentlich zur Diskussion stellen.

Offenbar geht es zumindest einem Teil der Verwaltungsmenschen darum, wie es auch Moderator Bayam mehrfach entschlüpfte, in einem längeren „Konsensverfahren“ schon vorab irgendeine Art von Leitbild-Kompromiss hinzukriegen, bevor man wieder einen breiteren Kreis von BürgerInnen an der Diskussion beteiligt.

Verfahren direkter Demokratie in Xberg schon wieder verlernt?

Bürgermeister Schulz betonte dagegen erneut sein Interesse an einer breiten BürgerInnenbeteiligung, findet es aber ebenfalls für die Diskussion in der AG hilfreich, wenn die beteiligten Gruppen (er verwahrte sich dabei gegen den verschiedentlich gebrauchten Ausdruck „Lager“) ihre grundsätzlichen Vorstellungen aufschreiben, bei bestimmten Abschnitten des Grünzugs „herunterbrechen“, will sagen: die Grundsätze an einem konkreten Beispiel illustrieren und zunächst in einer dritten AG-Sitzung am 12.6. präsentieren —, aber der eigentliche Ort, die unterschiedlichen Konzeptionen zu diskutieren, sei die Bürgerversammlung, die noch vor der Sommerpause abzuhalten, doch wohl möglich sein müsse. Die Wahl des Leitbilds, woran sich jede konkrete Planung letztlich zu orientieren habe, könne dabei nur in der Diskussion fallen.

Auch mit dieser vieldeutigen Formulierung konnten sich die BI-VertreterInnen nicht sonderlich anfreunden, geht es ihnen doch, wie gesagt, vor allem darum, dass die Leitbilddiskussion noch vor der Sommerpause zu einem qualifizierten Abschluss gelangt, bevor sich das öffentliche Interesse am gesamten Entscheidungsfindungsprozess in Urlaubszeit und Ferienlaune verflüchtigt. — Es wird bedrückend deutlich, dass die Elemente und Verfahren direkter demokratischer Willensbildung und -entscheidung, die sich in den 1980er Jahren in Xberg ansatzweise entwickeln konnten, schon wieder in Vergessenheit geraten sind bzw. ihre administrative Aneignung nur mehr ihre Hohlform übrig ließ.

Fördermittel durch Umschichtung für den Bezirk gerettet!

An Zeit für die Konsensfindung fehle es nicht, erläuterte Frau Haverbeck: Die Mittel aus dem „Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz“, nämlich insgesamt 600.000 Euro für den Nordabschnitt des ELK, gingen dem Bezirk nicht verloren, sondern werden in Abstimmung mit dem Senat umgeschichtet und die für 2008 vorgesehenen 200.000 Euro nun halt bei der Gestaltung des Bethanien-Außengeländes verwendet (um dort die Vegetation abzuräumen, möchte man ergänzen). Zwar hätten die Bauplanungsunterlagen für den Südabschnitt ab Reichenberger Str. im April eingereicht werden müssen, doch da die Fördermittel auch in denkmalpflegerische Hochbauprojekte fließen könnten, seien sie jetzt, „um den Programmplatz zu sichern“, für die Gestaltung der Hoffreifläche der Nürtingen-Grundschule am Mariannenplatz, die VHS am Wassertorplatz, das sog. Kinderhaus in der Waldemarstr. 57, das Gebäude Adalbertstr. 23b mit Jugendamt und Kindereinrichtungen sowie ein, zwei weitere Projekte vorgesehen. Deshalb sei nun bis Jahresende Zeit für die Planung der Nordpromenade und dann noch weitere drei Monate bis zum März 2009 für die der Südpromenade.

Pläne des Denkmalschutzes keineswegs ad acta gelegt

Auch Klaus Lingenauber vom Landesdenkmalamt, der persönlich meist sehr wenig Zeit hat, warnte davor, sich unter künstlichen Zeitdruck zu setzen und nannte es im Übrigen unhistorisch, die bisherigen Planungen ad acta zu legen. Er habe ihre Grundsätze nach wie vor im Hinterkopf: Erwin Barth und das Bauwerk ernst nehmen; die vorhandene Vegetation berücksichtigen; die Nutzungsinteressen der Bevölkerung desgleichen —, und diese Elemente gelte es Abschnitt für Abschnitt am vorfindlichen Bestand zu überprüfen, um sie dann bei der konkreten Gestaltung in Reaktion auf Vorhandenes je verschieden zu gewichten. Eine abstrakte öffentliche Abstimmung über Leitbilder könne und dürfe es dagegen nicht geben, da „die Mehrheiten wechseln“.

Berlin ersäuft im Grundwasser, aber Xbergs Grünanlagen verdorren!

VertrocknetAndere wichtige Fragen, etwa zur Bohrung eines Tiefbrunnens, zur Inbetriebnahme des Drachenbrunnens oder zur unzureichenden Bewässerung der Grünanlagen (was den neuen Rollrasen auf dem O’platz bereits hat verdorren lassen), wurden auch nach Meinung des Bürgervereins nur ausweichend und widersprüchlich beantwortet: Ein Tiefbrunnen ist auf einmal nur nötig, wenn es zu Nachpflanzungen und damit zu erhöhtem Wasserbedarf kommt, zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht; und ob die derzeitigen Mittel für eine qualifizierte Pflege der Grünanlage nun ausreichen oder nicht, was ihr Ausbleiben wenigstens erklären würde, ist nicht herauszubekommen.

Auch nach der zweiten AG-Sitzung hieß es also mit Brecht:

Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.

Feuer und Flamme für die Spree!

Vor dem YaamHunderte FlussschützerInnen strömten vergangenen Freitag (23.5.) in Berlin und Brandenburg an Spree, Havel und Sacrow-Paretzer-Kanal, um mit der Aktion „Leuchtender Fluss — Feuer und Flamme für Havel und Spree“ gegen den nach wie vor drohenden ökonomisch unsinnigen und naturzerstörenden Ausbau dieser Wasserstraßen im Zuge des Verkehrprojekts Deutsche Einheit (VDE 17) zu protestieren. Die geplante Verbreiterung und Vertiefung für große Binnenschiffe, die selbst nach Prognosen des Bundesverkehrsministeriums nur selten kommen dürften, droht wertvolle Naturräume — Feuchtbiotope, Auenwaldreste, ein letztes Überschwemmungsgebiet — für eine Vielzahl seltener oder vorm Aussterben bedrohter Arten zu zerstören.

Ein bemerkenswerter Antrag

Vor dem YaamIn einem gemeinsamen Antrag bekräftigten vor wenigen Tagen auch die Fraktionen von SPD und Linken im Abgeordnetenhaus die Forderung, „das Projekt 17 zügig qualifiziert abzuschließen […], eine weitere Verbreiterung und Vertiefung generell zu vermeiden und mit geeigneten Ausgleichsmaßnahmen die ökologische Wertigkeit der Gewässer und der Uferlandschaften zu erhöhen. […] Uferbereiche und Bauwerke sind generell so auszugestalten, dass sie Wasserlagen für die Bevölkerung erschließen sowie Natur und Landschaft respektieren“, heißt es im Antrag vom 21. Mai.

Nicht nur den Ausbau, auch den Zubau verhindern!

Doch auch der Ausverkauf der Spreeufer an private Investoren im Rahmen umstrittener Großprojekte wie Media Spree in Friedrichshain-Kreuzberg macht sie nicht nur für die Allgemeinheit unzugänglich, sondern führt zum Verlust ökologisch wertvoller Bereiche, auf denen sich nach dem Mauerfall auch ästhetisch attraktive Uferbiotope spontan entwickeln konnten. So drohen, wie berichtet, entlang der Ufergrundstücke Mühlenstraße 46 — 60 Bäume und Strauchvegetation in Kürze gerodet zu werden.

Leuchtender FlussRund 30 Mitglieder der BIs Bäume am LWK und Bäume für Kreuzberg, von BUND und Grüner Liga sowie einige auch unorganisierte Fluss- und BaumschützerInnen nahmen deshalb die Aktion „Leuchtender Fluss“ zum Anlass, um für den Erhalt auch dieses Uferbewuchses und seine Integration in einen offen zu haltenden Ufergrünzug zu demonstrieren, unter dem Motto „Spreeufer für alle — auch für wilde Bäume!“, mussten dies allerdings — ein Protestanlass mehr — vom benachbarten Strand des YAAM aus tun und den mit ihren Fackeln erleuchten, denn der Weg auf die fraglichen Grundstücke war versperrt; die Ordnungshüter, denen die Erlaubnis zum Entzünden von Fackeln erst abgerungen werden musste, wollte man nicht unnötig provozieren. (Apropos: Auch das Gelände, auf dem sich das genannte Strandlokal befindet, ist bereits verkauft.)

Ein Jahr Bäume am Landwehrkanal

Auf den Tag genau jährte sich am 23.5. übrigens die Gründung der BI Bäume am Landwehrkanal. Ihr ist es mit hartnäckiger Ausdauer, Kreativität und Witz gelungen, nicht nur rund zweihundert Bäume zu retten, sondern vor allem nachdrücklich ins öffentliche Bewusstsein zu rufen, dass die Sanierung von Wasserstraßen nicht einfach auf Kosten ihrer vielgestaltigen Ufervegetation, gar eines ganzen innerstädtischen Grünzugs und der Lebensqualität seiner AnwohnerInnen und BesucherInnen mal eben durchgepeitscht werden kann.

Ein aufwendiges, nunmehr seit acht Monaten laufendes Mediationsverfahren wurde auf den Weg gebracht, um den Vorgaben der beteiligten Institutionen, den Interessen und Ansprüchen der verschiedenen stakeholders sowie nicht zuletzt den Erfordernissen von Ökologie und Naturschutz gleichermaßen Rechnung zu tragen. Inzwischen wurde ein umfänglicher Katalog der Anforderungen aller Beteiligten an eine gelungene Sanierung ermittelt, die Aufgabenstellung an eine detaillierte Bestandsaufnahme wird bis zur Sommerpause erarbeitet, und das Verfahren strebt auf seine Peripetie zu, wo es sich vom Ganzen und Allgemeinen ins Besondere und Einzelne wendet, indem jetzt für jeden Uferabschnitt die konkreten Planungsanforderungen aus einer übergreifenden Gesamtkonzeption gewissermaßen deduziert werden sollen.

Bürgerinititative Bäume für Kreuzberg:

Bezirk, Senat und Denkmalschutz erklären unisono: Bisherige Planung wird nicht weiterverfolgt!

Arbeitsgruppe zur Vorbereitung der öffentlichen Leitbilddiskussion für die Gestaltung des Luisenstädtischen Grünzugs hat getagt

Rund 35 TeilnehmerInnen zählte die Arbeitsgruppe, die sich am Mittwoch, 21. Mai, in der Belle Etage von Max und Moritz konstituierte, um über die Vorbereitung der zweiten Bürgerversammlung zur künftigen Gestaltung des Luisenstädtischen Grünzugs zu beraten. Inhaltliche Fragen sollten ausgeklammert bleiben, doch Ulli Bahr vom Kreuzberger Stadtteilausschuss, mit der Moderation der Veranstaltung betraut, hatte alle Mühe, für die Einhaltung dieser zunächst einmütig verabredeten Vorgabe zu sorgen.

Zurück auf Start

BesucherNach einleitenden Worten von Baustadträtin Jutta Kalepky verkündete Christa Haverbeck von der Sanierungsverwaltungsstelle zur nicht geringen Verblüffung der anwesenden BI-VertreterInnen, dass sich angesichts der zurückliegenden Ereignisse und zumal des Ablaufs der ersten Bürgerversammlung am 21. April die Verwaltung nunmehr entschlossen habe, „zurück auf Start zu gehen“ und die bisherigen Planungen von TOPOS zur sog. Nordpromenade und darüber hinaus zurückzuziehen. Stattdessen wolle man mit allen Beteiligten zunächst eine Leitbilddiskussion führen und erst im Licht ihrer Ergebnisse die Planung zur Gestaltung der einzelnen Abschnitte des ehemaligen Luisenstädtischen Kanals (ELK) in Angriff nehmen.

Eine weitere Arbeitsgruppensitzung in einer Woche solle allen beteiligten Gruppen Gelegenheit geben, ihre jeweiligen inhaltlichen Vorstellungen eines solchen Leitbilds grob zu skizzieren, damit dann in einer zweiten Bürgerversammlung, die für den 12. Juni anberaumt wurde, die jeweiligen Konzepte präsentiert und öffentlich debattiert werden könnten, um schließlich zu ersten Konzeptionen eines gemeinsamen Leitbilds zu gelangen.

Im Anschluss daran sollten in themenbezogenen Wochenend-Workshops die Wünsche, Bedürfnisse und Ansprüche aller Nutzergruppen: Kinder, Jugendliche, Alte, Behinderte usw. im Hinblick auf diesen Grünzug ermittelt und nach Möglichkeit berücksichtigt werden, um schließlich die leitende Konzeption in Bezug auf die jeweiligen Abschnitte des ELK weiter zu konkretisieren. Daraus wird dann wiederum TOPOS verschiedene Gestaltungsvarianten erarbeiten — all dies immer unter Beachtung der „Schmerzgrenze“ des Förderprogramms Städtebaulicher Denkmalschutz.

Sechs bis neun Monate Zeit für die Leitbilddiskussion

Bezirksbürgermeister Franz Schulz versicherte, dass die bereits bewilligten Mittel aus diesem Förderprogramm keineswegs bereits verfallen seien, sondern durchaus noch ein halbes bis dreiviertel Jahr für diesen Diskussionsprozess zur Verfügung stünde. Er bekräftigte als eine wesentliche Anforderung an diesen Prozess die Einbeziehung aller Nutzergruppen, denn die Zusammensetzung des Auditoriums der ersten BürgerInnenversammlung habe bei weitem nicht die der Wohnbevölkerung widergespiegelt, namentlich was den Anteil der MigrantInnen betreffe.

Denkmalschutz gibt sich kopromissbereit

Dr. Klaus-Henning von Krosigk, stellvertretender Landeskonservator, erläuterte die Sicht des Denkmalschutzes und wusste die BI-VertreterInnen ebenfalls zu überraschen, indem er bekannte, dass auf Grund der jüngsten Ereignisse auch im Landesdenkmalamt ein Umdenken in Gang gekommen sei und man auf dem ursprünglichen Vorhaben einer streng denkmalgerechten Rekonstruktion des ELK nicht länger beharre: Eine 1:1-Rekonstruktion werde es nicht geben. Auch die Denkmalpflege müsse geänderten Nutzungsansprüchen Rechnung tragen.

Noch einmal auf die dramatische Zeit kurz nach dem Mauerfall zurückgehend, schilderte Dr. v. Krosigk, wie es beherztem Handeln gelungen sei, durch Ankauf und Pflanzung von über 200 Linden in einer Nacht- und Nebelaktion zu verhindern, dass der ehemalige Todesstreifen zur Autobahn werde [und damit wesentliche Charakteristika bewahre, möchte man ergänzen]. Ein Themengarten habe hier im Barthschen Sinne die Natur zurückgebracht. Auf die Errichtung originalgetreuer Kaimauern aber sei zugunsten offener Gitter verzichtet worden, und der ästhetischen Wirkung des wiedererstandenen Engelbeckens tue das Café an seiner Stirnseite keinerlei Abbruch, kurz: hier habe sich die Denkmalpflege zeitgenössischer Sicht und Anforderung nicht verschlossen und das Denkmal vielmehr weiterentwickelt.

Die Gestaltung der 80er ist unser zu restaurierendes Denkmal!

GranitblöckeIm Kreuzberger Abschnitt aber gab es nun mal keinen Todesstreifen, der mit Erwin Barth für die Natur hätte zurückerobert werden müssen, sondern gibt es eine real existierende Gestaltung, an der sich in den 1980er Jahren eine große Anzahl BürgerInnen mit hohem Engagement beteiligte. Und hier merkte die BI auf, als v. Krosigk die Ballersche Planung am südlichen Ende des Grünzugs als eine behelfsmäßige Lösung apostrophierte und von unverzichtbaren denkmalpflegerischen Essentials bei der Gestaltung der Nordpromenade und des EKL in seiner Gesamtheit sprach, ohne dies freilich weiter zu konkretisieren.

Für die BI aber hat gerade die Gestaltung aus den 80er Jahren Denkmalrang, einer im Hinblick auf BürgerInnenbeteiligung und Partizipation politisch sehr wichtigen Zeit nicht nur für Kreuzberg. Es bedarf keiner Workshops, um denkmalkonforme Kompromisslinien bei der Rekonstruktion einer Gestaltung aufzuspüren, die im Bann der großen Wirtschaftskrise auch noch weit hinter ihrer eigentlichen Intention zurückblieb. Und „die Natur“ muss auch nicht mehr in die Stadt geholt werden, sondern ist längst darin angekommen, braucht lediglich wieder fachlich qualifizierte, nachhaltige Pflege, beginnend bei ausreichender Bewässerung sowie einer standortgerechten Nachpflanzung und Schließung der Lücken.

Für nachhaltige Qualitätsverbesserung

Bürgermeister Schulz erklärte die unbestrittene Verwahrlosung einmal mehr mit der Tatsache, dass es sich beim Luisenstädtischen Grünzug bis 2007 lediglich um öffentliches Straßenland gehandelt habe, mit der BSR als Pflegefirma, und erst seit Jahresbeginn eine Einstufung als Grünfläche erfolgt sei nebst Zuteilung entsprechend höherer Pflegemittel. — Viel von besserer Pflege haben die AnwohnerInnen bekanntlich noch nicht gesehen, und die Angaben darüber, ob diese Mittel nun ausreichen oder doch eher nicht, und ob davon nur Baum-, Hecken- und Rasenschnitt sowie Reinigung finanziert werden oder auch die eine oder andere Nachpflanzung — darüber gehen die Angaben der BehördenvertreterInnen seltsamerweise auseinander.

Die bisweilen recht schrille Polemik der VertreterInnen des Bürgervereins Luisenstadt wollte jedenfalls suggerieren, dass da außer Wildwuchs, Müll und Hundekot nicht allzu viel sei zwischen Waldemarbrücke und Oranienplatz, schon gar keine Natur, die eine Tieferlegung des Mittelwegs zerstören könnte. — Hier möchten wir Baustadträtin Kalepky beipflichten, wenn sie eine Bestandsaufnahme der jetzigen Qualitäten vorschlägt, um ausgehend von diesen zu fragen, welche Qualitätsverbesserungen wir uns wünschen.

Revitalisierung des historischen Stadtraums

Sabine Krutzsch von der Abteilung Städtebaulicher Denkmalschutz bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung machte ihrerseits kein Hehl daraus, wie starr, linear und dogmatisch sie die Planung zur sog. Nordpromenade mit all ihren Mauern und Auftreppungen empfunden habe, als sie 2007 eine Stellungnahme abzugeben hatte: Ungeachtet der Bedeutung der ausgegrabenen Treppen könnten heutige Nutzungs- und Erlebnisansprüche nicht einfach ignoriert werden. Schließlich bestehe das Förderprogramm aus zwei Grundelementen: der Denkmalpflege und der Stadterneuerung, und diese habe sich an Interessen und Bedürfnissen der BewohnerInnen zu orientieren. Bei der Revitalisierung des historischen Stadtraums gehe es immer auch um den Erhalt der städtebaulichen Funktion.

Andererseits machte auch Frau Krutzsch klar, dass es für eine reine Instandsetzung aus diesem Topf keine Fördermittel geben könne. Ein möglicher Kompromiss könne für sie persönlich so aussehen, dass der im Bezirk Mitte liegende Abschnitt inklusive Engelbecken und Rosengarten die Weimarer Zeit repräsentiere, ab Waldemarbrücke, wo es noch Raum für die Anlage historischer Banknischen gäbe, aber sukzessive sowohl zeitlich wie räumlich „aufgetaucht“ würde bis auf Straßenniveau, um anschließend so viel des Bestehenden wie möglich — Bäume wie Granitblöcke — in die künftige Gestaltung zu integrieren.

Wenn der Denkmalschutz, was nachvollziehbar sei, seine Mindestanforderungen nicht präzisieren wolle (hier sei ein Denkprozess im Gange, seien Kompromissmöglichkeiten auszuloten) und dann später die aufgrund eines gemeinsamen Leitbilds entwickelte Sanierungsvariante als nicht denkmalgerecht und deshalb auch nicht förderwürdig ablehne, dann, so Franz Schulz, bleibe eben alles so, wie es ist und werde nur instand gesetzt.

Erste Beschlussvorlage

Abschließend blieb es unserem Bürgermeister vorbehalten, die Ergebnisse der teilweise sehr leidenschaftlich geführten Diskussionen zu resümieren und die Pflöcke einzuschlagen, hinter die nicht mehr zurückgefallen werden darf, und Frau Schuchardt von Stattbau 1 protokollierte wie folgt: Präambel.

Die Bäume für Kreuzberg haben sich eine Woche Bedenkzeit ausbedungen, und erst auf ihrer nächsten Sitzung wird die Arbeitsgruppe über diese Präambel beschließen.

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1Die Stattbau GmbH unterstützt die Verwaltung bei der Umsetzung der vielen Projekte im Rahmen des Förderprogramms.

BaumschützerInnen-Info vom 19.05.08

Von möglichen Klimawandelfolgen bis zur Regenwasserbewirtschaftung

Hydrologischer Input für AK Naturhaushalt und Landschaftsbild

Schon in einem recht frühen Stadium des Mediationsverfahrens hatten BI-VertreterInnen zu bedenken gegeben, dass die klimatischen Veränderungen, die nach verschiedenen Szenarien namentlich des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) für den Berlin-Brandenburger Raum mit hoher Wahrscheinlichkeit besonders gravierend sein werden. Potenziert durch die Folgen der eingestellten Grubenwasserförderung und Flutung der Restlöcher im Lausitzer Braunkohletagebau-Gebiet muss mit einer derartigen Verknappung der Wassermenge in der Spree und den von ihr gespeisten Kanälen wie dem LWK gerechnet werden, dass, von den gravierenden Problemen für die Wasserqualität einmal abgesehen, eine Schiffbarkeit im heutigen Umfang wohl in Frage steht. Müsste das nicht wiederum Auswirkungen auf die Art der Sanierung des LWK haben?

Auf der anderen Seite wurde auch schon früh das Interesse an einer Verbesserung der Wasserqualität im LWK artikuliert, um vor allem dem alljährlich zu beklagenden Fischsterben abzuhelfen. Insofern hierfür neben anderem die Überläufe aus der Mischwasserkanalisation verantwortlich sind, wurde gefragt, ob sich im Zuge eines wenigstens 150-Millionen-schweren Sanierungs- und Modernisierungsvorhabens nicht auch in dieser Hinsicht substantielle Verbesserungen erreichen lassen müssten.

Demgemäß wurde den TeilnehmerInnen der dritten Sitzung des AK Naturhaushalt und Landschaftsbild am 13. Mai ein geballter fachlicher Input zum Thema Wasser zuteil.

Dr. Walter Finke von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) in Koblenz referierte zum Thema „Entwicklung des Spreezuflusses nach Berlin und dem Landwehrkanal vor dem Hintergrund des Bergbaus und des Klimawandels“, während Kay Joswig von den Berliner Wasserbetrieben (BWB) das Thema Regenwasserbewirtschaftung im Mischsystem erörterte, und zwar unter dem poetischen Titel „Wehre weisen Wolkenbrüche in die Schranken“.

BaumschützerInnen-Info vom 19.05.08

„Entwicklung des Spreezuflusses nach Berlin und dem Landwehrkanal vor dem Hintergrund des Bergbaus und des Klimawandels“

Zum Vortrag Dr. Walter Finkes (BfG)

In seiner hydrologischen Einführung stellte Dr. Finke als Hauptcharakteristikum des Gewässersystems im Berliner Raum die geringen Gefälleverhältnisse heraus, die durch die diversen Stauhaltungen zur Herstellung der Schiffbarkeit noch weiter reduziert werden. Wasserstand und Abflussverteilung sind weitgehend anthropogen bestimmt, mit Mühlendamm– und Klein-Machnow-Schleuse als den wesentlichen Stellschrauben. Insbesondere der LWK hat keinerlei natürliches Wassereinzugsgebiet. Sein Zufluss ist gänzlich gesteuert bzw. von der Einleitung aus der Mischwasserkanalisation beeinflusst.

Weit wesentlicher für den Spreezufluss als die bereits spürbaren Auswirkungen des Klimawandels ist die Entwicklung des Braunkohletagebaus in der Lausitz. Noch wird Grubenwasser gefördert, neben den Fließen auch direkt in die Spree geleitet und dadurch die noch bis in die 2030er Jahre erforderliche Flutung der riesigen Restlöcher kompensiert, doch wenn der Kohleabbau dereinst endlich eingestellt, also kein Grundwasser mehr abgepumpt wird, werden sich beide das Spreewasser verknappenden Faktoren summieren, mit negativen Auswirkungen vor allem auch auf die Situation im Spreewald.

Seit den 1980er Jahren entwickelt sich die Zuflussmenge, abgesehen von Inhomogenitäten und Sprüngen, tendenziell negativ. 2001 wurde in einer Vereinbarung zwischen Senat und WSA eine Aufteilung des Zuflusses auf Stadtspree, Teltow- und LWK festgelegt, wobei für diesen ein Mindestdurchfluss von 3 m³/sec angestrebt wird. Bei einem Sinken des Spreezuflusses unter 8 m³/sec werde zuerst die Durchflussmenge im LWK verringert und dann ein „Tricksen“ durchs WSA nötig, um Schleusung und Schiffbarkeit des Kanals aufrechtzuerhalten.

Der sinkenden Zuflussmenge muss die Wasserbewirtschaftung mit geeigneten Maßnahmen entgegenwirken, wie z. B. dem Speicherbau aus Restlöchern und der dann im Bedarfsfall möglichen Niedrigwasseraufhöhung, der Überleitung aus der Neiße etc. — Der „Arbeitskreis Wassermenge“ in der Bund-Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) erprobt jährlich bis zu zwanzig verschiedene Lösungsvarianten.

Prinzipiell lässt sich laut Dr. Finke aber sagen, dass der Zufluss nach Berlin in absehbarer Zeit (nämlich bis 2050) mehr von der Entwicklung des Braunkohleabbaus in der Lausitz als von der des Klimas beeinflusst wird und dass dadurch, dass der Durchfluss im LWK durch Wehre gesteuert wird, sich andere Einflussgrößen nicht voll auswirken.

Zum Klimawandel

Obwohl die klimatische Wasserbilanz im Sommer negativ, im Winter hingegen leicht positiv aussieht, kommt es insgesamt nicht etwa zu einem Ausgleich, sondern die Jahressummen zeigen eine schwach negative Tendenz, wobei man allerdings im mathematischen Sinn noch von keinem Trend sprechen kann. Zwar ist ein kontinuierlicher Anstieg der Durchschnittstemperatur zu konstatieren sowie eine Häufung der Wetterextreme, doch die Klimaprojektionen sind insgesamt mit einem hohen Unsicherheitsfaktor behaftet, der quantitative Prognosen gar nicht erlaubt. Schon die Ableitung regionaler Klimamodelle aus den globalen ist fehleranfällig, was sich beim Herunterbrechen auf lokale Szenarien notwendigerweise noch einmal potenziert.

Vor allem zur Bereitstellung eines Untersuchungsinstrumentariums für die Einschätzung der Auswirkungen des globalen Wandels auf den Wasserkreislauf im Hinblick auf Wasserverfügbarkeit, -verteilung und -qualität wurde von 2000 bis 2003, koordiniert vom PIK, mit einer Vielzahl von Projektpartnern, darunter BfG, TU Berlin etc., und der Unterstützung des Bundesforschungsministeriums (BMBF) für die Elbregion das Projekt GLOWA-Elbe I durchgeführt, woran sich ab 2003 GLOWA-Elbe II anschloss. Dessen Ergebnisse werden im kommenden Juni vorliegen und wegen geänderter Randbedingungen – z. B. der auf Grund der Preisentwicklung geänderten Landwirtschaftspolitik und damit Wasserentnahme – in manchem jenen von GLOWA-Elbe I widersprechen. Von 2007 bis 2010 läuft GLOWA-Elbe III.

So werden z. B. mit dem interaktiven Simulationssystem WBalMo (Water Balance Model), dem statistischen Klimamodell STAR und unter variierenden Einflussgrößen jeweils für 5-Jahres-Perioden bis 2050 (P1 – P10) Bewirtschaftungs- und Rahmenplanungen entwickelt. Für den Berliner Raum heißt das konkret: Obwohl wir uns hier, was die Niedrigwasserdurchflusshöhe betrifft, bereits derzeit (P2) in der bislang ungünstigsten Periode befinden und die geforderte Mindestabflusshöhe von 8 m³/sec am Pegel Große Tränke, dem Zuflusspegel zum Berliner Gewässersystem, nicht eingehalten werden kann, werden bspw. in der im Hinblick auf Temperatur und Niederschlag noch ungünstigeren Periode P10 (sc. 2045 — 2050) die 8 m³/sec auf Grund der geplanten wasserwirtschaftlichen Ausgleichsmaßnahmen zumindest in den Modellrechnungen nur noch relativ selten unterschritten.

Das Entscheidende bei GLOWA aber seien, wie Dr. Finke mehrfach unterstrich, weniger die Szenarien und Prognosen als vielmehr die entwickelten Bausteine: dass also ab 2010 die verschiedenen Stakeholder die bereitgestellte Toolbox fleißig für ihre jeweiligen Entscheidungsfindungen nutzen und selber Varianten durchrechnen!

Am Vortrag Dr. Finkes fällt dreierlei auf: die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt in der Region Berlin-Brandenburg werden weit weniger dramatisch dargestellt als von Wissenschaftlern des PIK, obwohl von den gleichen Daten und Szenarien ausgegangen wird; die Möglichkeit, globale Klimaszenarien lokal herunterzubrechen und belastbare prognostische Aussagen zu treffen, wird aus methodischen Gründen bestritten; und die zu erwartenden Probleme möglicher saisonaler Wasserknappheit im LWK werden für prinzipiell technisch lösbar erachtet. So bleibe z. B. eine Schleusung, wie Kay Joswig von den Wasserbetrieben sekundierte, wegen der geringen Hubhöhe selbst bei einer Durchflusshöhe von nur 0,5 m³/sec möglich, die übrigens auch eine hohe Schleusungsfrequenz nicht verringere; sie verbessere vielmehr die Wasserqualität.

Auf Seiten der BI wurde gleichwohl eine gewisse Unbefriedigung deutlich und der Wunsch geäußert, ob ein Projekt wie GLOWA-Elbe nicht für den LWK spezifiziert werden könne. Dr. Finke könnte sich dies durchaus vorstellen, wobei die automatisierte Steuerung der Mischwasserkanalisation zu berücksichtigen sei, die sich durchaus ungünstig auf den LWK auswirken könne. Wann konkrete Ergebnisse vorgelegt werden könnten, hänge von der Art des zur Verfügung gestellten Datenmaterials ab und rangiere zwischen zwei Monaten und einem Jahr. — BehördenvertreterInnen bestritten demgegenüber die Notwendigkeit spezifizierter Modellrechnungen: die Ergebnisse würden vermutlich nicht wesentlich anders ausfallen als die bereits vorliegenden, und jede Planung müsse einen gewissen Unsicherheitsfaktor als Restrisiko in Kauf nehmen. — Sodann wurde für eine zu erstellende Bestandsaufnahme die Erstellung von Messreihen zu Wassertemperatur und Sauerstoffgehalt des LWK vorgeschlagen. Entsprechende Messungen habe das WSA bisher immer direkt neben den Schleusen vorgenommen, wo die Verhältnisse jedoch nicht repräsentativ seien.

Mischwasserkanalisation

BaumschützerInnen-Info vom 19.05.08

„Wehre weisen Wolkenbrüche in die Schranken“

Zum Vortrag Kay Joswigs (BWB)

Anders als in der Trennkanalisation in den Berliner Außenbezirken, bei der Haushalts- und gewerbliche Abwässer einerseits, das Regenwasser andererseits in separaten Rohren zum Klärwerk bzw. ins Gewässer abfließen, werden in der Mischwasserkanalisation, durch die seit 1876 in der Innenstadt das Abwasser fließt, beide Ströme in ein und derselben Rohrleitung vereint zu den Klärwerken gepumpt — mit erheblichen Beeinträchtigungen der Wasserqualität von Flüssen und Kanälen und bekanntlich besonders der des LWK. Ab einer Niederschlagsmenge von 20 bis 30 mm pro Stunde tritt nämlich das abfließende Wasser, um Pump- und Klärwerke nicht zu überlasten bzw. den Straßenraum zu überfluten, über eine Barriere innerhalb des Mischwasserkanals, „läuft über“ in einen Entlastungskanal und wird dann auf direktem Wege und ungeklärt durch insgesamt 190 Auslaufbauwerke in Flüsse und Kanäle eingeleitet. Von diesen Einleitungen gibt es z. B. an der Spree 73 und allein am LWK immerhin 70! Infolge der diffusen Stoffeinträge kommt es immer wieder zu Fischsterben, das bei hohen Wassertemperaturen und entsprechend niedrigem Sauerstoffgehalt regelmäßig massenhaft auftritt.

Zu einer sog. Mischwasserentlastung, bei der ein Teil Schmutzwasser mindestens mit sieben Teilen Regenwasser gemischt werden muss, kommt es bereits bei der doppelten Trockenwettermenge, vor allem aber während der jährlich ca. 20 bis 30 Starkregenereignissen und den sich häufenden Katastrophenregen mit Niederschlägen über 30 mm.

Um nun eine Verbesserung der Wasserqualität in den Berliner Gewässern und Kanälen zu erreichen, bedarf es vor allem einer Abkehr vom Ableitungsprinzip, einer Hinwendung zur Regenwasserbewirtschaftung. Es gilt, den Regenwasserabfluss möglichst zu vermeiden und bspw. über Gründächer zu resorbieren und zu verdunsten, für deren Anlage die BWB übrigens einen fünfzigprozentigen Abschlag aufs Regenwasserentgelt gewähren. — Für die Zurückhaltung des Regenwassers am Ort der Entstehung und seine dezentrale Versickerung fehlt es im Stadtgebiet allerdings an Fläche, so dass entweder eine semizentrale Versickerung des Regenwasser nach seiner Sammlung innerhalb eines Teileinzugsgebiets oder seine zentrale Behandlung und Reinigung in Regenklärbecken erfolgen muss, bevor es in Gewässer oder Kanal eingeleitet wird.

Maßnahmen im Mischsystem

Neben einer nur eingeschränkt möglichen Abkopplung von Flächen durch Entsiegelung bietet sich eine Mischwasserbehandlung vor Ort an, doch für den Innenstadtbereich sind die benötigten Anlagen einfach zu groß. Auch die mit einem mineralischen Substrat belegten und mit Schilf bepflanzten sog. Retentionsbodenfilter, von denen bereits vier von zehn geplanten Anlagen gebaut worden sind, beanspruchen relativ viel Platz. Die Ausflockung von organischen und Schadstoffen aus dem Mischwasser durch Beigabe von Chemikalien wird erprobt, ist aber ebenfalls nicht unproblematisch, da die Beigabe je nach Regenstärke variieren muss.

Eine Erhöhung der Pumpwerksleistung scheidet aus, da sowohl die Klärwerke als auch das Druckvorleitungssystem bereits an der Kapazitätsgrenze arbeiten. Durch den Bau von Speichervolumen im Kanalnetz gibt es die Möglichkeit der Zwischenspeicherung des Mischwassers z. B. in Regenüberlaufbecken (das größte befindet sich in der Erich-Weinert-Straße). Das sind Entlastungsbauwerke mit vorgeschaltetem Speichervolumen, bestehend aus einem Ablauf zur Kläranlage und einem Überlauf zum Gewässer. Der während des Regens gespeicherte Beckeninhalt kann dann zeitversetzt zum Klärwerk weitergeleitet werden, doch bei Auslastung der Beckenkapazität erfolgt ebenfalls ein Überlauf in den Vorfluter. Diese Anlagen sind schwer anzulegen und sehr teuer und es besteht nicht die Absicht, weitere zu bauen.

Da der Querschnitt der Kanäle zumeist ausreicht — die größten messen fünf Meter! —, lässt sich durch die Erhöhung/Anpassung der Regenüberlaufschwellen die Kapazität der Mischwasserkanalisation selber erhöhen. Auch kann durch Kanalnetz- und Stauraumbewirtschaftung ungleich kostgünstiger das Speichervolumen erhöht werden als durch den Bau weiterer Regenrückhaltebecken.

Aufs Leit- und Informationssystem Abwasser (LISA) zur zentralen Steuerung der Abwasserströme bei Starkregenereignissen, die ja zumeist lokal begrenzt sind, hin zu Anlagen mit noch freien Kapazitäten und damit Reduzierung der Überläufe ging Joswig nicht eigens ein.

Für Investitionskosten in Höhe von 84 Mio. Euro soll das Speichervolumen von 160.000 m³ in 2006 auf 320.000 m³ in 2020 verdoppelt werden, wobei 36% aufs Kanalnetz, 27% auf die Schwellenanhebung, 20% auf Regenüberlaufbecken und Stauraumkanal und 17% auf die Kanalbewirtschaftung entfallen. Dadurch soll die Zahl der derzeit ca. 30 Mischwasserentlastungen in den LWK auf ca. 15 jährlich halbiert und die Wasserqualität erheblich verbessert werden. Da sich jedoch die Katastrophenregen häufen und zum Auffangen von deren Überläufen der Kanal mit Becken gesäumt werden müsste, wird es bei ungünstigen Randbedingungen immer wieder zu Massenfischsterben kommen.

Baden im Kanal?

Und die im Zitty-Interview von Ralf Steeg ausgemalte Vision eines Freibads LWK sei aus vielen Gründen illusorisch, würden doch die benötigten Pontons mit den Schmutzwassertanks an jedem Mischwassereinlauf benötigt und damit nicht nur die Fahrrinne beeinträchtigen, sondern auch das Erscheinungsbild des Denkmals. Auch beim Projekt Spree 2011 sei ja die Idee des Badens in der Spree längst aufgegeben.

Letzterem widerspricht Steeg allerdings nachdrücklich. Der Bau seiner Pilotanlage sei schließlich genehmigt und die Idee vom Schwimmen in der Spree mitnichten vom Tisch. Um allerdings auch nur für einzelne Abschnitte des LWK wie Studentenbad oder Urbanhafen in dieser Hinsicht belastbare Aussagen zu treffen, wären erst einmal detaillierte Gutachten zu Wasserqualität und Sedimentschicht erforderlich, doch davon ganz abgesehen, gebe es eine Vielzahl von Beispielen, wo die Wasserqualität von Gewässern inmitten von Ballungsräumen und Industrieparks nach geeigneten Sanierungsmaßnahmen die Güteklasse II erreicht hätten.

Auch erscheinen uns 15 Mischwasserentlastungen pro Jahr noch immer zuviel, die Hinnahme des jährlichen Fischsterbens allzu fatalistisch und die Ziele von Senat und BWB im Hinblick auf die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) bei weitem nicht ehrgeizig genug —, doch Kay Joswig mahnt zur Geduld: Man möge doch erstmal die laufenden Sanierungsmaßnahmen bis 2020 abwarten, deren Kosten zu 60 Prozent die BWB aufbrächten und also nicht vergessen, dass sie an den Endverbraucher weitergegeben werden müssten. So sehen wir einmal mehr, wie sinnreich die Privatisierung der öffentlichen Wasserversorgung ist…

Uferbiotop an der Spree soll verschwinden

Der Eindruck, dass planungswütige Friedrichshain-Kreuzberger KommunalpolitikerInnen Bäume und jedwedes Spontangrün im Bezirk stark gefährden, bestätigt sich derzeit auch wieder an der Spree.

SpreebiotopAuf dem Uferabschnitt in Höhe Mühlenstr. 46/48 bis 60 soll ein Park entstehen und auf einem der Grundstücke, ein Haus (Kernbebauung1) errichtet werden. Dafür müssen erst einmal die Bäume verschwinden — darunter auch der Baum der Jahres: die Walnuss —, viele Sträucher sowieso, kurz: ein ganzes Biotop, das sich dort seit der Wende eigendynamisch entwickelt hat. Eine Integration dieser auch ästhetisch reizvollen und vor allem standortgeeigneten Ufervegetation in die geplante Parklandschaft sei leider in Berlin nicht üblich, bedauert auch z. B. der NABU, bzw. wird von den Verantwortlichen eben einfach nicht gewollt.

AnschisshalleEin vegetationsloser Streifen, wie man ihn schon vor der Anschutz-Halle besichtigen kann, weckt trübe Reminiszenzen. Ersatzpflanzungen sind nicht vorgesehen, lediglich Ausgleichszahlungen an den Bezirk, doch ob und wo diese zweckgebunden eingesetzt werden, war nicht zu erfahren, wie überhaupt Informationen über die anstehenden Maßnahmen auch hier wieder häppchenweise und mühsam dem Amt entlockt werden müssen: Ist das die grüne Transparenz-Offensive?

Hier sind natürlich auch Initiativen wie Mediaspree versenken und Spreeufer für alle aufgerufen, nachzuhaken und nicht die Breite des Uferstreifens und die Traufhöhe der Gebäude zu den einzigen Themen des Widerstands gegen die Spekulanten zu machen. Der rücksichtslose Umgang mit der Stadtnatur in diesem und anderen Uferbereichen der Spree muss gleichfalls auf die Agenda!

Lasst uns gemeinsam auch diese Bäume retten!

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1D. h. nur ein Teil des Grundstücks wird bebaut, gleichwohl das ganze gerodet.

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