Bürgerinitiative Bäume für Kreuzberg
Wieder verschoben: Zweite Bürgerversammlung zum Sanierungs-Leitbild für den Luisenstädtischen Grünzugs erst Ende Juni!
BI mit ständigen Abänderungen von Vereinbarungen durchs Bezirksamt unzufrieden
Gleich zu Beginn der zweiten Arbeitsgruppensitzung zur Vorbereitung der BürgerInnenversammlung und ergebnisoffenen Leitbilddiskussion am 12. Juni überraschte Ümit Bayam, Leiter des Stadtteilausschusses Kreuzberg und diesmal der Moderator, mit der Mitteilung, dass es am 12.6. gar keine BürgerInnenversammlung geben werde. So habe man es im Bezirksamt beschlossen, verkündete Frau Schuchardt von Stattbau, denn es gehe nicht an, eine Neuauflage der chaotischen ersten Versammlung vom 21.4. zu riskieren, und etwas anderes sei nach dem jetzigen Diskussionsstand auch nicht zu erwarten.
Als zum genannten Termin stattdessen eine weitere AG-Sitzung in Aussicht gestellt wurde, die im kleinen Kreis erstmal Substanz generieren solle, während die öffentliche Leitbilddebatte deshalb leider erst nach der Sommerpause geführt werden könne, protestierten die VertreterInnen der BI Bäume für Kreuzberg nach einigen Momenten ungläubigen Staunens nachdrücklich.
Entscheidung übers Sanierungs-Leitbild noch vor dem Urlaub!
Auch mit Hinweis auf die Beschlusslage der letzten Sitzung lehnte die BI entschieden ab. Es stehe zu befürchten, dass das Thema bis zum Herbst die öffentliche Aufmerksamkeit verloren habe, und überhaupt dränge sich der Eindruck auf, dass die BI auf diese Weise nur hingehalten und ausgezehrt werden solle —, eben bis zum Beginn der nächsten Fällperiode. Schließlich lenkte Frau Haverbeck von der Sanierungsverwaltungsstelle ein — das sei wohl etwas dirigistisch rübergekommen — und stufte die forsche Ansage zum amtsseitigen Vorschlag herunter. Nachdem die BI-VertreterInnen darauf beharrten, die Leitbilddebatte noch vor der Sommerpause nicht nur zu beginnen, sondern auch, in welcher Form auch immer, zu entscheiden, um erst dann in die abschnittsweise konkrete Planung einzusteigen, kamen die Anwesenden überein, am 12.6. tatsächlich nur eine weitere AG-Sitzung abzuhalten, Ende Juni dann aber die zweite große Bürgerversammlung zu veranstalten.
Obwohl kein klarer Aufschluss darüber zu erhalten war, warum die groben Grundlinien der jeweiligen Leitbild-Vorstellungen unter erneutem Ausschluss der Öffentlichkeit erst noch mal im kleinen Kreis erörtert werden müssen, um nach „gemeinsamen Schnittmengen und Dissenspunkten“ zu suchen, willigten die Bäume für Kreuzberg schließlich widerstrebend ins Procedere ein. Von ihren Änderungs- und Ergänzungswünschen bzgl. der „Präambel“ wurde entsprechend auch nur unter Punkt 3) der Aspekt der „nachhaltigen städtebaulichen Erneuerung“ mit aufgenommen; über eine stärkere Formulierung für „Einstieg in die Leitbilddiskussion“, die deutlich machen würde, dass man keine unendliche Debatte, sondern eine baldige Entscheidung wünsche, konnte man sich hingegen nicht einigen.
Bürgerverein Luisenstadt will bezirksübergreifendes Leitbild
Der BV Luisenstadt war nun ganz erpicht darauf, sofort inhaltlich einzusteigen und wollte sich dabei auch gleich den gesamten ELK von Spree bis Urbanhafen vornehmen. Mehrfach setzte Pfarrer Duntze an, einen Zehnpunkte-Katalog vorzutragen und sich damit über die Vereinbarung, zunächst die Verfahrensfragen zu klären, hinwegzusetzen. Die meisten der ca. 25 ums Tischgeviert Versammelten hatten jedoch noch bis zum Schluss der knapp dreistündigen Sitzung Diskussionsbedarf auf der „Metaebene“, wie es Bürgermeister Schulz ausdrückte.
Diskursives oder Konsensverfahren?
Denn auch wenn beispielsweise Baustadträtin Jutta Kalepky von unterschiedlichen Leitbild-„Visionen“ selbst in der Verwaltung zu berichten wusste und die Möglichkeit sich diametral widersprechender einräumte, sprach sie dann wiederum vom Sammeln von Bausteinen, vom Vermeiden starrer Entgegensetzungen und der gemeinsamen Findung eines Leitbilds fürs gesamte Ensemble, als könne man nicht auch einen Dissens öffentlich zur Diskussion stellen.
Offenbar geht es zumindest einem Teil der Verwaltungsmenschen darum, wie es auch Moderator Bayam mehrfach entschlüpfte, in einem längeren „Konsensverfahren“ schon vorab irgendeine Art von Leitbild-Kompromiss hinzukriegen, bevor man wieder einen breiteren Kreis von BürgerInnen an der Diskussion beteiligt.
Verfahren direkter Demokratie in Xberg schon wieder verlernt?
Bürgermeister Schulz betonte dagegen erneut sein Interesse an einer breiten BürgerInnenbeteiligung, findet es aber ebenfalls für die Diskussion in der AG hilfreich, wenn die beteiligten Gruppen (er verwahrte sich dabei gegen den verschiedentlich gebrauchten Ausdruck „Lager“) ihre grundsätzlichen Vorstellungen aufschreiben, bei bestimmten Abschnitten des Grünzugs „herunterbrechen“, will sagen: die Grundsätze an einem konkreten Beispiel illustrieren und zunächst in einer dritten AG-Sitzung am 12.6. präsentieren —, aber der eigentliche Ort, die unterschiedlichen Konzeptionen zu diskutieren, sei die Bürgerversammlung, die noch vor der Sommerpause abzuhalten, doch wohl möglich sein müsse. Die Wahl des Leitbilds, woran sich jede konkrete Planung letztlich zu orientieren habe, könne dabei nur in der Diskussion fallen.
Auch mit dieser vieldeutigen Formulierung konnten sich die BI-VertreterInnen nicht sonderlich anfreunden, geht es ihnen doch, wie gesagt, vor allem darum, dass die Leitbilddiskussion noch vor der Sommerpause zu einem qualifizierten Abschluss gelangt, bevor sich das öffentliche Interesse am gesamten Entscheidungsfindungsprozess in Urlaubszeit und Ferienlaune verflüchtigt. — Es wird bedrückend deutlich, dass die Elemente und Verfahren direkter demokratischer Willensbildung und -entscheidung, die sich in den 1980er Jahren in Xberg ansatzweise entwickeln konnten, schon wieder in Vergessenheit geraten sind bzw. ihre administrative Aneignung nur mehr ihre Hohlform übrig ließ.
Fördermittel durch Umschichtung für den Bezirk gerettet!
An Zeit für die Konsensfindung fehle es nicht, erläuterte Frau Haverbeck: Die Mittel aus dem „Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz“, nämlich insgesamt 600.000 Euro für den Nordabschnitt des ELK, gingen dem Bezirk nicht verloren, sondern werden in Abstimmung mit dem Senat umgeschichtet und die für 2008 vorgesehenen 200.000 Euro nun halt bei der Gestaltung des Bethanien-Außengeländes verwendet (um dort die Vegetation abzuräumen, möchte man ergänzen). Zwar hätten die Bauplanungsunterlagen für den Südabschnitt ab Reichenberger Str. im April eingereicht werden müssen, doch da die Fördermittel auch in denkmalpflegerische Hochbauprojekte fließen könnten, seien sie jetzt, „um den Programmplatz zu sichern“, für die Gestaltung der Hoffreifläche der Nürtingen-Grundschule am Mariannenplatz, die VHS am Wassertorplatz, das sog. Kinderhaus in der Waldemarstr. 57, das Gebäude Adalbertstr. 23b mit Jugendamt und Kindereinrichtungen sowie ein, zwei weitere Projekte vorgesehen. Deshalb sei nun bis Jahresende Zeit für die Planung der Nordpromenade und dann noch weitere drei Monate bis zum März 2009 für die der Südpromenade.
Pläne des Denkmalschutzes keineswegs ad acta gelegt
Auch Klaus Lingenauber vom Landesdenkmalamt, der persönlich meist sehr wenig Zeit hat, warnte davor, sich unter künstlichen Zeitdruck zu setzen und nannte es im Übrigen unhistorisch, die bisherigen Planungen ad acta zu legen. Er habe ihre Grundsätze nach wie vor im Hinterkopf: Erwin Barth und das Bauwerk ernst nehmen; die vorhandene Vegetation berücksichtigen; die Nutzungsinteressen der Bevölkerung desgleichen —, und diese Elemente gelte es Abschnitt für Abschnitt am vorfindlichen Bestand zu überprüfen, um sie dann bei der konkreten Gestaltung in Reaktion auf Vorhandenes je verschieden zu gewichten. Eine abstrakte öffentliche Abstimmung über Leitbilder könne und dürfe es dagegen nicht geben, da „die Mehrheiten wechseln“.
Berlin ersäuft im Grundwasser, aber Xbergs Grünanlagen verdorren!
Andere wichtige Fragen, etwa zur Bohrung eines Tiefbrunnens, zur Inbetriebnahme des Drachenbrunnens oder zur unzureichenden Bewässerung der Grünanlagen (was den neuen Rollrasen auf dem O’platz bereits hat verdorren lassen), wurden auch nach Meinung des Bürgervereins nur ausweichend und widersprüchlich beantwortet: Ein Tiefbrunnen ist auf einmal nur nötig, wenn es zu Nachpflanzungen und damit zu erhöhtem Wasserbedarf kommt, zum jetzigen Zeitpunkt aber nicht; und ob die derzeitigen Mittel für eine qualifizierte Pflege der Grünanlage nun ausreichen oder nicht, was ihr Ausbleiben wenigstens erklären würde, ist nicht herauszubekommen.
Auch nach der zweiten AG-Sitzung hieß es also mit Brecht:
Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen
Den Vorhang zu und alle Fragen offen.