Naturdenkmal stillschweigend entwidmet?

Areal Ratiborstraße 14

140-jährige Ulme in Gefahr!

Gegen die geplante Nachverdichtung der drei Hektar großen Fläche nahe Ratiborstraße und Landwehrkanal mit fünfstöckigen MUFs, Wohnbebauung etc., welche die Berliner Mischung aus Kleingewerbe (rund 20 Handwerksbetriebe mit 80 Arbeits- sowie Ausbildungsplätzen), KiTa, Kultur, Wagenplatz- und Grünfläche zu beeinträchtigen, wenn nicht zu verdrängen und zuzubetonieren droht, macht die Initiative Ratiborstr. 14 schon seit längerem mobil.

Sie hat u.a. ein eigenes Nutzungskonzept erstellt, es gab etliche Runde Tische etc., doch dann verkaufte die BIMA das einst dem WSA gehörende Gelände an die BGG (Berlinovo Berliner Grundstücksentwicklungs GmbH), die schon im August beginnen will, ihre eigene Planung umzusetzen.

Ratibor-Ulme

140 Jahre alte Ulme auf dem Gelände des Biergartens Jokel, Ratiborstraße in Kreuzberg

Die Resultate vorangegangener arbeits- und zeitintensiver Beteiligung sind obsolet, denn selbstredend wird nun nach §13a Baugesetzbuch („beschleunigtes Verfahren“) vorgegangen und Bürgerbeteiligung, Umweltbericht und ähnliche, angeblich Planungsprozesse unzumutbar in die Länge ziehende Fisimatenten mal eben abklemmt. Dieser unselige Paragraph wurde in 13b fatalerweise auch noch bis 31.12. d.J. befristet auf den Außenbereich ausgedehnt, längst wenden ihn die Kommunen routinemäßig an, ohne dass die ursprüngliche Veranlassung (Wohnunsmangel und „Flüchtlingskrise“) konkret eine Rolle spielen würde. Die CDU betreibt auf Bundesebene kaum überraschend die Entfristung dieses unseligen Paragraphen, was es unbedingt zu verhindern gilt!

Eine Naturdenkmalwidmung offiziell nicht erinnerlich

Allerdings haben wir erfahren, dass ein Landschaftsarchitekturbüro demnächst doch eine Biotopflächenkartierung vornehmen will, in welchem Zusammenhang es von großer Wichtigkeit ist, die Ausführenden auf einen ganz besonderen Baum nahe Ratiborstr. 14c aufmerksam zu machen, nämlich auf eine 140-jährige Ulme auf dem Gelände des Biergartens Jokel (Baumnr. LKW-c_38 ,weiß auf blauem Grund), die 2010 nach Erinnerung von Anwohner*innen in feierlichem Akt zum Naturdenkmal gewidmet und mit einer entsprechenden Plakette markiert worden ist.

Diese ist nach Jahren jedoch plötzlich verschwunden, und die Nachbarschaft macht sich erhebliche Sorgen um den altehrwürdigen Baum. Eine Bürgerin hat sich bei der Unteren Naturschutzbehörde (UNB) des Bezirks Kreuzberg-F’hain nach dem Denkmalstatus erkundigen wollen. Erstaunlicherweise fand der durchaus hilfsbereite Gruppenleiter Naturschutz trotz intensiver Suche keinerlei Hinweis auf die Denkmalwidmung, obwohl diese doch in einer Rechtsverordnung fixiert wird, und konnte sich auch an nichts erinnern.

Keine berlinweite Naturdenkmal-Liste!

Wir haben uns an die Obere Naturschutzbehörde (ONB) bei der Senatsveraltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz (SenUVK) gewandt, um etwas über den Fall herauszubekommen, doch staunten nicht schlecht zu erfahren, dass es über Berlins Naturdenkmale keine übergreifende Auflistung gibt, sondern die Bezirke Listen über ihre jeweiligen geschützten Naturschätze in Eigenregie führen. (Die Dame von der ONB versuchte übrigens vergeblich, vormittags jemanden im Umwelt- oder Grünflächenamt Xhains zu erreichen, was uns insofern befriedigte, als nicht nur wir diese Erfahrung machen. Beschwerden, Anregungen). Das Problem des Personalmangels im Bezirksamt F’hain-Kreuzberg spitzt sich offenbar zu [siehe diesen Twitter-Fund].

[Aktualisierung, 17. Juli: Wie uns Frau Simmons von F’hain-Kreuzberger Umweltamt dankenswerter Weise aufklärte, gibt es selbstverständlich eine Berlin-weite Liste der Naturdenkmale, und noch dazu online für die Öffentlichkeit zugänglich, doch leider ist besagte Ulme darin nicht aufgeführt. Es bleiben also nur noch die Erinnerung der Anwohner*innen, die sie ggf. zu beeiden bereit sind.
In der Obersten Naturschutzbehörde hatten wir es offenbar mit einer Praktikantin als Urlaubsvertretung zu tun. Dass wir die Auskuft der ONB für bare Münze genommen und nicht weiter recherchiert haben, ist selbstverständlich unser Problem!]

Der BUND Berlin wollte übrigens die Denkmalwidmung von Bäumen als Instrument eines besseren Schutzes verwenden, doch vor diesem Hintergrund erscheint das nicht eben zielführend. Auf jeden Fall kann es doch nicht sein, dass es kein gesamtstädtisches, öffentlich zugängliches, also am besten digitales Register der Naturdenkmäler gibt! Das Landesdenkmalamt führe nur Listen über Bauwerke und Gartendenkmäler, wobei ebenfalls zu fragen wäre, warum das so sei.

Astgabelnest

Astgabel-Nest

Uns bleibt jedenfalls nur übrig, ein Gutachten des ökologisch und fürs Landschaftsbild hoch bedeutsamen Baums zu beauftragen, um vielleicht auf diesem Weg etwas für den Erhalt der Ulme zu erreichen, die natürlich abgesehen von ihrem Eigenwert als Niststätte (sie weist bspw. einen Astgabelnistplatz auf), Nahrungsquelle und Rückzugsraum für Vögel, Fledermäuse, Eichhörnchen etc. sehr wichtig ist. Der Ökoservice für uns Menschen (Kühlung,CO2– und v.a. Feinstaubbindung, Sauerstoff- und Feuchtigkeitsproduktion) darf vielleicht inzwischen als bekannt vorausgesetzt werden sowie auch der fatale Umstand, dass Berlin seit Jahren immer mehr Straßenbäume verliert.

Abschließend rufen wir dazu auf, dass sich Menschen, die sich an den Naturdenkmalstatus besagter Ulme erinnern können, möglichst bald mit uns in Verbindung setzen.

5 Kommentare

  1. Baumschützerin said,

    13. Juli, 2019 um 18:23

    Und das alles in einem Bezirk, der von den Grünen regiert wird ! Was nützen die abgehobenen Forderungen nach mehr Umweltschutz von Habeck und Co, die jetzt im Aufwind sind, wenn aus scheinheiligen Gründen die Bäume im jeweils konkreten Fall dann doch gefällt werden.
    Grund:
    Verantwortungslosigkeit, Mangel an wirklicher Leidenschaft, Eigendünkel und Befürchtungen und Widersinn.

  2. baumschützerin said,

    13. Juli, 2019 um 18:27

    eher eine Ausnahme ist Turgut Altug

  3. Ruth Leitner said,

    14. Juli, 2019 um 7:07

    Liebe Menschen von Bäume am Landwehrkanal, vielen Dank für den Beitrag über die schöne, altehrwürdige Ulme. Schon seit Anfang des Jahres bin ich mit dem Thema befasst, habe zweimal an die untere Naturschutzbehörde von Fr.-Kreuzberg geschrieben und zwei frustrierende Antworten bekommen. Die wissen angeblich nichts von dem 140jährigen Baum! Ich wohne in unmittelbarer Nähe der alten Ulme und kann mit absoluter Sicherheit bezeugen, dass der Baum über mehrere Jahre mit einem Naturdenkmal-Schild gekennzeichnet war.
    Eine Antwort von der BIMA steht noch aus.

  4. baumschützerin said,

    14. Juli, 2019 um 9:03

    Ich war vorgestern auf dem Gelände gewesen. Niemand konnte mir sagen, wo genau gebaut wird, da sich wöchentlich etwas ändert. Auf jeden Fall sollen noch mehr Bäume weg. Für mich hat das ganze Gebiet wg des tollen Baumbestandes etwas paradisisches.

  5. Inge said,

    19. August, 2019 um 0:23

    Ich finde es so traurig, dass über 50 teils sehr große und gesunde Bäume abgeholzt werden sollen. Warum schreit niemand auf und rettet die Bäume? Warum macht Fridays for Future keine Kundgebung in diesem Bereich?
    Kreuzberg ist der dichtbesiedeltste Stadtteil Berlins und diese grüne Lunge für die Bevölkerung soll unwiederbringlich vernichtet werden. Wo sind die grünen Politiker, die sonst laut nach Umweltschutz schreien? Warum plant man die Flüchtlingsunterkünfte nicht in Bereichen, wo keine Bäume gefällt werden müssen? Eignet sich das Dragonerviertel vielleicht für die Flüchtlingsunterkünfte, dort beginnt gerade die Planung.


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