Aktuelle Fällliste gibt’s erst am Donnerstag
[Nachtrag, 29.6.: Anmerkungen zum Görli-Familienfest folgen unten]
Anlässlich des leider nur spärlich besuchten Familienfestes im verdorrenden Görlitzer Park am Samstag, 26. Juni, wo auch die BIs BfK und BaL mit einem gemeinsamen Stand vertreten waren, berichteten wir dem anwesenden Bezirksbürgermeister Franz Schulz über die seit Sommeranfang zu beobachtende Serie von Baumfällungen [siehe hier + hier] in Kreuzberg und über die völlig unzureichende Information der interessierten Öffentlichkeit sowie der bürgerschaftlichen Akteure, etwa durch eine lücken- und fehlerbehaftete Online-Fällliste. Auch Dr. Schulz und der gleichfalls zugegene Baumbeauftragte der Grünen-Fraktion in der BVV, Günther Schumacher, hätten gerne gewusst, warum bspw. der Eschenahorn Görlitzer/Skalitzer Straße mit der Begründung Stammfäule gefällt worden sei, obwohl doch die Schnittfläche keinerlei Fäuleanzeichen aufweise.
Am Bezirksamts-Tisch vor dem Park-Modell aus der Görli-Ideenwerkstatt stehend, teilte der Fachbereichsleiter Naturschutz und Grünflächen, Hilmar Schädel, zum gefällten Eschenahorn mit, dass die Stammfäule nur im oberen Stammbereich zu beobachten gewesen sei. Nach Abtransport des Schnittguts, das diese Behauptung aus unserer Sicht nicht gestützt hätte, ist jedoch posthum ein Nachweis ebenso schwer zu führen wie im Fall der gekappten Linde 34 in der Reichenberger Straße 36 [s. Fotos u.], wo es die bruchgefährdende Fäule im Kronenbereich gegeben haben soll. Auch hier sind die „Beweismittel“ längst abtransportiert. Feststellen lässt sich nur noch, dass die sichtbaren großen Schnittflächen gleichfalls ohne Befund sind und vor allem, dass nicht nach ZTV Baumpflege auf Zugäste (ableitende Nebenäste) geschnitten wurde, die mindestens dreißig Prozent des Durchmessers des eingekürzten Starkastes haben müssen [siehe auch hier]. Insofern ist neben der Kappung durch die nicht fachgerechte Schnittführung eine weitere nachhaltige Schädigung der Linde entstanden. − Der Grünamtsleiter meinte freilich, Linden kämen mit solchen Schnittmaßnahmen ganz gut zurecht und verwies auf „Kopf-Linden“.
Auf unseren Hinweis, dass in der gegenwärtigen Brut- und Fällperiode nach Berliner Naturschutzgesetz (§ 29) und Baumschutzverordnung Ausnahmen nur bei eindeutigen Anzeichen der vorhersehbaren Gefährdung der Verkehrssicherheit gemacht werden dürfen, konterte Schädel mit der Bemerkung, dass auch Bauvorhaben eine Fällung während der Brutzeit zulassen, was allerdings stimmt: Baurecht bricht Baumrecht, heißt der eingängige Slogan.
Doch auch dann ist eine fachkundige Untersuchung des betreffenden Baums nach Brut- und Niststätten vorgeschrieben, was bei großer dichtbelaubter Krone und im Fall von Höhlenbrütern, Fledermäusen etc. eine anspruchsvolle Aufgabe ist. Auf der Website des Fachbereichs heißt es auch wörtlich: „Bei notwendigen Fällungen in der Brutsaison wird der Baum zuvor auf Nistvorkommen untersucht und nur in akuten Fällen (‚Gefahr im Verzug‘) gefällt.“
Wir sind deshalb sehr verwundert zu hören, dass es den Mitarbeitern der jeweiligen Fällfirma überlassen bleibt, diese Sache zu erledigen, sozusagen mit der Kettensäge in der Hand, denn nur sie verfügen ja über den erforderlichen Hubsteiger. − Wir fragen uns natürlich, ob man, ganz abgesehen von der Fachkunde, hier die notwendige Sorgfalt und vor allem Objektivität erwarten kann, oder m.a.W. ob es oft vorkommt, dass eine Baumpflegefirma ihren Fällauftrag wegen Entdeckung eines Vogelnestes nicht ausführt, und des weiteren, ob eine solche Handhabung im Sinne des Naturschutzgesetzes sein kann.
Baumpauschale
Andererseits sieht sich der Fachbereichsleiter auch ausdrücklich nicht beauftragt, beim Umgang mit dem bezirklichen Altbaumbestand eine besondere Sensibilität walten zu lassen, gerade weil die Pflegekosten, die den Bezirken nach Anzahl ihrer Bäume bewilligt werden, nicht mehr, wie früher, nach Baumalter differenziert werden. D.h. für einen Altbaum, der mehr Pflegekosten verursacht als ein junger, gibt es dennoch denselben Pflegesatz.
Für unsere Begriffe nicht nur absurd, sondern eine zu Zeiten von Klimawandel und Nachhaltigkeitsdebatten skandalöse Regelung, denn neben der wegen befürchteter Regressansprüche immer engeren Auslegung der Verkehrssicherungspflicht muss diese „Baumpauschale“ zwangsläufig dazu führen, dass sich die Bezirke lieber früher als später ihrer Altbäume entledigen, von denen unter den herrschenden harten Überlebensbedingungen − Streusalzeintrag; Wassermangel infolge Versiegelung, zu kleine Baumscheiben und ausbleibendes Gießen (mal abgesehen vom Hunde- oder Männerurin); Kontamination des Wurzelraums durch lecke Erdgasleitungen; Anfahrschäden etc.pp. − ist so gut wie kein älterer Straßenbaum mehr gesund. Wir brauchen hier nicht extra auszuführen, dass die Vielzahl seiner ökologischen Dienste, die er uns und den nichtmenschlichen Stadtbewohnern gratis leistet, jedoch mit zunehmendem Alter und Kronenumfang wächst und auch von noch so vielen Neupflanzungen erst nach Jahrzehnten annähernd kompensiert werden kann. Auch der Trend zur Pflanzung pflegeleichterer, kleinkroniger Bäume, die Straßenraum und Wohnquartieren angeblich besser angepasst seien, ist in diesem Zusammenhang sehr kritisch zu sehen.
Weitere Fällungen sollen Donnerstag, 1.7., bekanntgegeben werden
Was nun die leidige Online-Fällliste betrifft, die sich im Hinblick auf Stimmigkeit allen „Aktualisierungen“ der letzten Tage erfolgreich widersetzt hat1, so wurde uns zunächst für heute (Montag), nun aber für spätestens Donnerstag (1. Juli) eine dann aber wirklich aktuelle in Aussicht gestellt. In den nächsten Tagen − denn das interessiert uns prioritär −, sei jedenfalls nicht mit weiteren Fällungen zu rechnen, doch im Hinblick auf die erwarteten Stürme müssten dennoch weitere großkronige Bäume gefällt bzw. gekappt werden, so jedenfalls eine Bezirksamtsmitarbeiterin. Wir können nur hoffen, dazu am Donnerstag Näheres zu erfahren, aber sehr zuversichtlich sind wir da nicht.
Mit dieser ganzen Angelegenheit und der Erschwerung und Demotivierung von BürgerInnen-Beteiligung, ohne die es angesichts chronischer öffentlicher Ressourcenknappheit aber offensichtlich nicht funktioniert, müsste sich dringendst der Umweltausschuss befassen − Mitglieder wurden von uns schon vorletzte Woche informiert −, doch da aktuell keine Sitzung mehr ansteht, ist das vor der Sommerpause ganz ausgeschlossen.
Und der Grünamtsleiter fragte am Samstag denn auch rhetorisch: „Bei 16.000 Straßenbäumen in Kreuzberg: finden Sie da acht2 Fällungen viel?!“
Zum eigentlichen Thema des Familienfests
Präsentation der bisherigen Arbeitsergebnisse zur Gestaltung des Görlitzer Parks und der Sammlung von Ideen der BesucherInnen
Vorab: Das offizielle „Protokoll“ des 3. Arbeitstreffens widmet auf seinen 14 Seiten nur unter „2 Verfahren“ einige wenige Sätze dem aktuellen Treffen am 16.6. Der ganze Rest recycelt das schon bekannte Protokoll des 2. Treffens vom 17.02.10.
Doch was bitte soll jemand, die/der an der Teilnahme verhindert war, davon haben, wenn sie/er dort liest: „Es wurde beraten, was die Präsentation der Ideen auf dem Familienfest auf der Platte am 26.06.2010 bewirken soll. Anschließend wurde zusammengetragen, wie genau die Präsentation erfolgen soll und wer für welchen Teil Verantwortung übernimmt.“?
Ohne Präsentationsmaterial
Obwohl angesichts der Fällerei sehr wenig in Feierlaune, hat sich auch uns während dieses Familienfestes nicht erschlossen, was die Präsentation der Ideen dort bewirken sollte. Die tt-SO36-Leute konnten zwar Paten für ihre geplante Obstbaum-Allee werben, aber bspw. von Kremserfahrten im Rahmen des sog. Esel-Projekts war allenfalls im übertragenen Sinn etwas zu entdecken. Unser Anliegen, die Gestaltung des nordöstlichen Bereichs um den Teich als ökologisch wertvolles Feuchtbiotop und Naturerlebnisraum, konnte jedoch gar nicht erst präsentiert werden. In dessen Planung sind wir zwar involviert (mehrere Treffen mit Grünamtsmitarbeiterinnen haben stattgefunden, wir haben die Kompromisskonzeption im BVV-Umweltausschuss vorstellen dürfen und anschließend mit der beauftragten Firma Rehwaldt das Pflanzkonzept erörtert [siehe großes Foto]), aber das Kartenmaterial ist in der Obhut des Grünamts verblieben: Entgegen der Verabredung erschien die betreffende Mitarbeiterin zum Fest jedoch nicht, und so konnten wir die bearbeiteten Pläne Interessierten auch nicht zeigen, waren ganz auf verbale Darstellung angewiesen, was bei einer solchen Thematik nicht unbedingt attraktiv oder gar zielführend ist.
Diese Art der BürgerInnen-Beteiligung ist einfach nicht ernst gemeint oder zumindest mal wieder völlig unzureichend organisiert und demotivierend.
1 Obwohl wir das Grünamt per Mail vom 21.6. darauf hinwiesen, dass die Ahorne in der Oranienstraße 65 und 67 schon am 18.6. und ohne ausreichende Veranlassung gefällt worden sind, werden sie auch in der am 25.6. „aktualisierten“ Liste als erst noch zu fällen geführt und zwar, weil sie absterbend oder schon abgestorben seien. Diese Begründung ist definitiv falsch, was unsere Fotos von Stubben und Schnittgut belegen können.
2 Die immmer noch nicht aktuelle Fällliste wurde von vorher 18 aufgestockt und verzeichnet jetzt deren 33, soll aber, wie gesagt, noch verlängert werden. Die Zahl acht bezog sich lediglich auf die unangekündigten, worüber uns eine Fällfirma dankenswerterweise informierte…