Revival des legendären Admiralbrückentreffs
WSA-Chef Scholz mischt sich unters Volk

WSA-Chef Scholz, BI-Mitglieder
Am gestrigen Sonntag (20. Juli) haben die Bäume am Landwehrkanal, wie angekündigt, angesichts der Wegscheide, die das Mediationsverfahren zur Zukunft des Landwehrkanals nach zehnmonatiger Dauer erreicht hat, am ersten Jahrestag der Baumschutz-Menschenkette ihr legendäres Admiralbrückentreffen wieder aufgenommen. Was auf dem Spiel steht, muss AnwohnerInnen und interessierten BürgerInnen auch wieder in persönlichen Gesprächen erläutert werden, und vor allem bedarf es einer erneuerten breiten öffentlichen Unterstützung, wenn die große Aufgabe einer Gesamtplanung unterm Motto Neue Ufer für den Landwehrkanal und eines Pilotprojekts Landwehrkanal für Alle nicht zur dieselflotten-kompatiblen Denkmalpflege klein verhandelt werden soll: Dazu hätte es dieses zeitaufwendigen und kostspieligen Mediationsverfahrens auch wahrlich nicht bedurft!
Nochmalige Erläuterung der Wegscheide
Von Anbeginn ist es BI und Verein Bäume am Landwehrkanal um eine behutsame, nachhaltige und verschiedenste Nutzungsinteressen berücksichtigende Sanierung des LWK gegangen. Im Auswahlverfahren des als „vertrauensbildende Maßnahme“ bewilligten alternativen Planungsbüros hatten gleich sieben in solchen Vorhaben versierte und von uns konsultierte Büros bei der Entwicklung von Sanierungsvarianten die Notwendigkeit eines ganzheitlichen Herangehens bestätigt und fachlich überzeugend untermauert. Dies hat die BI in Forum und Arbeitskreisen wiederholt kommuniziert, und es fand auch Eingang in die entsprechenden Sitzungsprotokolle.
Als nun aber am vorletzten Freitag (11.7.) in einer eigens für die Erstellung der Leistungsbeschreibung für das zu beauftragende Büro die BI-VertreterInnen eine stichwortartige Skizzierung der von ihnen wie auch den PlanerInnen als notwendig erachteten Vorstudie zu einem „Masterplan Landwehrkanal“ vorlegten, da wurde nicht nur auf Seiten der WSA- und WSD-VertreterInnen, sondern auch vom Mediationsteam Überraschung geheuchelt und eine unerwartete, eigentlich unzulässige Erweiterung der Aufgabenstellung beklagt. Sinnigerweise aber hatte sich die WSV in einer vorab verteilten Pressemitteilung eben dieser Aufgabenstellung gegenüber „aufgeschlossen“ erklärt, doch nun insistierte ausgerechnet Mediator Stefan Kessen, dass nach der Sommerpause zunächst die erneute Zustimmung des Forums zu einer solchen Erweiterung eingeholt werden müsse. Zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem BI-Entwurf kam es während der über dreistündigen Debatte an keiner Stelle.
Irritation überall
Da es sich bei der Beauftragung eines alternativen, von der BI vorgeschlagenen Planungsbüros vor allem um eine vertrauensbildende Maßnahme der Wasser- und Schifffahrtsdirektion (WSD) handeln sollte, die Tjark Hildebrandt aus gutem Grund − wenn man sich der damals noch frischen Vorgeschichte erinnert − den BürgervertreterInnen anbot oder besser gesagt, sich abtrotzen ließ, musste nunmehr dieses kühne Vorpreschen Stefan Kessens unter den BI-VertreterInnen für erhebliches Befremden sorgen, ja sich nach dieser AG-Sitzung zu einem Gefühl realen Verschaukeltwerdens verdichten: Überstrapazierte hier nicht vielmehr ein Mediator seinen Auftrag, überdehnte er ihn zugunsten einer oder mehrerer besonderer Interessengruppen?! Dass die BI dieses Vorgehen als Teil einer wohlerwogenen Verhinderungsstrategie wahrnimmt und also im Falle einer Ablehnung der Beauftragung einer solchen Masterplan-Vorstudie oder ihrer Verschleppung ihr Verbleiben im Mediationsverfahren in Frage stellen muss, hat nun wiederum bei WSV und Mediationsteam für neuerliche Irritationen gesorgt.
Wenn man sich indes nur kurz die einschlägigen Verlautbarungen der Bäume am Landwehrkanal oder auch z. B. die Schlussfolgerungen der beiden Vorträge des Senats-Abteilungsleiters Integrativer Umweltschutz, Matthias Rehfeld-Klein, ansieht, für den die dem Land Berlin verbindlich aufgegebene Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtline am LWK ebenfalls ein integriertes Leitbild voraussetzt, müssen diese Irritationen abermals unter Show & Bluff verbucht werden.
Back to the Roots

Dirk Behrendt, Michael Scholz, BI-Mitglieder
Angesichts dieser unübersichtlichen Gemengelage und des intransparenten Taktierens der Gegenseite haben sich die Bäume am Landwehrkanal jedenfalls entschlossen, wieder an „die Basis“ und ihren Ausgangsort zurückzukehren. Und zum Auftakt der Wiederaufnahme ihres Brückentreffens kamen nicht nur PolitikerInnen von B‘ 90/Die Grünen und SPD, ein Vertreter von Greenpeace, JournalistInnen und trotz mäßiger Witterung manche Interessierte, sondern auch WSA-Leiter Michael Scholz. „Sie sind also der neue Herr Brockelmann“, begrüßte ihn Dirk Behrendt, Rechtspolitischer Sprecher der Grünen im Abgeordnetenhaus, und erhielt die schlagfertige Antwort, selbst in Behörden seien die Menschen verschieden.
Fehlen politischer EntscheidungsträgerInnen rächt sich
Zunächst erläuterten BI-VertreterInnen den PolitikerInnen, die ja − bis auf Behrendt und einen CDU-Bezirksverordneten − durchweg terminlich verhindert waren, der Einladung zu einem Meinungsaustausch mit dem Mediationsforum Folge zu leisten, kurz den aus ihrer Sicht verfahrenen Verfahrensstand, wogegen Amtsleiter Scholz noch einmal betonte, dass er selber, vor allem aber sein Vorgesetzter, WSD-Chef Thomas Menzel, sich derzeit bemühten, im Bundesverkehrsministerium (BMVBS) von der Abteilung WS (Wasser und Schifffahrt) in die Abteilung S (Städtebau) vorzudringen, um Grünes Licht und die Mittel für die Vorstudie zu einem Masterplan LWK zu erhalten. Allerdings, so wiederholte der WSA-Chef, habe ein solcher Masterplan, dessen Entwicklung mit ca. 1,3 Mio. Euro veranschlagt werden müsse, für die Landesbehörden keinerlei Rechtsverbindlichkeit, so dass es nicht minder wichtig sei, die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und natürlich auch die fünf betroffenen Bezirke mit ins Boot zu holen. Ebendrum, so riefen in diesem Moment BI-VertreterInnen unisono, hätten sie von Anfang und immer wieder die Teilnahme verantwortlicher politischer EntscheidungsträgerInnen an der Mediation gefordert! Zu den Gerüchten, dass der zuständige Abteilungsleiter Törkel durchaus dazu bereit gewesen sei, es sich aber von Mitarbeitern der WSD habe ausreden lassen, mochte sich Scholz nicht äußern, auch nicht über den Stand seiner und Menzels Bemühungen, sondern bat um Geduld bis zur ersten Forumssitzung nach der Sommerpause am 15. September.
Föderalismusreform kommt zu spät

Brückentreff-Revival
Dirk Behrendt konnte jedenfalls nur bestätigen, dass Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer sich immer wieder für unzuständig erkläre, und auch Michael Scholz weiß von jenem seitens des Senats bereits abgelehnten Anerbieten des Bundes, den (sanierten!) LWK dem Land Berlin zu schenken. Hier müssten in den Verhandlungen zur dritten Stufe der Föderalismusreform, die im Augenblick ohne jedes öffentliche Interesse geführt würden, unbedingt auf die Agenda, all jene Wasserstraßen, auf denen keinerlei Güterverkehr mehr stattfinde, wie eben der LWK, als Bundeswasserstraßen zu entwidmen und in Länderbesitz zu überführen.
Öffentlicher Druck als Elexier
Vor 1961 habe es im Hinblick auf die Wasserstraßen noch eine Gesamtzuständigkeit gegeben, die erst in der Folge mit der Zielrichtung von Einsparungen in die verschiedenen Bereiche wie Unterhaltung (Bund), Wasserqualität (Land), Uferpflege (Bezirke) usw. aufgespalten worden sei mit dem Effekt einer Zuständigkeitszersplitterung, die sich nicht nur am LWK angesichts der wachsenden Notwendigkeit ganzheitlichen Herangehens als höchst kontraproduktiv erweise! Doch auch wenn die Föderalismusreform hier zu den gewünschten Ergebnissen führe, sei mit deren tatsächlichen Umsetzung allenfalls in zehn, fünfzehn Jahren zu rechnen. Die politischen Beamten aber dächten bekanntlich vorwiegend in Legislaturperioden und scheuten die Unruhe, die bei der Übernahme eines so umstrittenen Projekts leicht bis in den nächsten Wahlkampf andauern könnte. Der Ansicht von BI-Vertretern, dass hier also nur öffentlicher und in seinem Gefolge politischer Druck für die nötige Risikobereitschaft sorgen könne, stimmt Scholz ausdrücklich zu.
Umweltzone auch für Schiffe!

Dieselstinker (zwar auf der Spree, aber mit dem gleichen Ruß)
Unterdessen passierten mehrere Fahrgastschiffe die Admiralbrücke, und auch der WSA-Chef konnte die Diesel-Emissionen deutlich und nachhaltig riechen. Derzeit gebe es jedoch, was Abgasgrenzwerte beträfe, auf Binnenwasserstraßen wie dem LWK tatsächlich einen rechtsfreien Raum. Anders sei es z. B. bei Rhein und Mosel nur aufgrund des dort hohen internationalen Verkehrsaufkommens. Auf die Frage der SPD-Politikerin und direkten Kanalanwohnerin, Doris Jagodzinski, auf welchen Wegen solche offensichtlich überfälligen Rechtsverordnungen Gestalt annähmen und wie lange es dann noch bis zu ihrem In-Kraft-Treten dauern könne, versicherte Scholz, er selber würde nun über seine Wahrnehmungen „nach oben“ Meldung machen und wenn derartige Berichte durch gleichartige bestätigt würden, würde schließlich eine sog. Gelbvorlage mit möglichen Gegenmaßnahmen „von oben nach unten“ gereicht mit der Aufforderung zur Stellungnahme hinsichtlich ihrer Plausibilität, Machbarkeit, Zielführung etc. −, d. h. bis zum Erlass entsprechender Vorschriften könnten schon paar Tage ins Land gehen.

Mühlendammschleuse eingedampft
[Solches langsame Mahlen hindert freilich den Minister nicht, landauf landab schon mal im Vorgriff von seiner nachhaltigen Verkehrspolitik, nachhaltigen Stadtplanung und was nicht noch alles zu schwadronieren… − Und bei dieser Gelegenheit sei auch daran erinnert, dass es im Arbeitskreis Nachhaltige Wirtschaft und Schifffahrt den Vorschlag gab, Umweltsenatorin Lompscher (!) direkt anzusprechen, ob der Abteilungsleiter für Luftreinhaltung, Dr. Breitenkamp, oder ein Vertreter den AK über die Bearbeitung dieser Problematik unterrichten und zugleich auch das erwähnte Senatsprogramm zur Erprobung von Partikelfiltern für Schiffsdiesel vorstellen könnte. Auch eine Einladung von Berndt Brussig von der Humboldt Uni zu einem Vortrag über „Umweltzone für Schiffe“ wurde befürwortet −, doch dieser AK hat schon sehr lange nicht mehr getagt…]
Auch einspurig floriert die Fahrgastschifffahrt

im Vordergrund: D. Jagodzinski, D. Boese hinten: Michael Scholz, BI-Mitglieder
Frau Jagodzinski berichtete auch von ihrer Beobachtung eines Rückgangs des Fahrgastschiffsverkehrs, doch wurde dies von Umstehenden mit den eher bescheidenen Witterungsbedingungen erklärt und sodann auf den ansehnlichen Umsatzzuwachs der Fahrgastschifffahrt in der vergangen Saison verwiesen, der so eklatant im Widerspruch stünde zum hochtönenden Jammern der Reeder in den Medien über Geschäftseinbußen, drohende Pleiten und Arbeitsplatzverluste nicht nur infolge der mehrwöchigen Kanalsperrung, sondern auch der auferlegten Einschränkungen, namentlich des Einrichtungsverkehrs. − Hierzu mochte sich der WSA-Leiter nicht äußern, machte aber deutlich, dass die Reeder sich auf die drei Beschränkungen: Geschwindigkeit, Einrichtungsverkehr, keine Vorschleusung offenbar gut eingerichtet und ihre Fahrpläne für die nächsten Jahre entsprechend angepasst hätten, auf jeden Fall aber vom Fortbestehen von Beschränkungen ausgehen müssten. Die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 6 km/h hätte sich sogar als besser kompatibel mit dem Timing der Stadtführungs-Audiotracks erwiesen…
Bugstrahlruder verbannen!
Angesichts großer, fast leer vorbeidampfender Fahrgastschiffe betonte Scholz, dass die WSV aufs Fahrgastmanagement keinen Einfluss nehmen könne, auch nicht auf Motorenart und -leistung, sondern einzig auf die Geometrie der Schiffe und ihre Antriebsart und räumte ein, dass hier in der Vergangenheit die Zulassungspraxis allzu lax gewesen sei. Bugstrahlruder z. B., die das seitliche Manövrieren erleichtern, aber dabei die Spundwände unterspülen, würden künftig höchstwahrscheinlich nicht mehr erlaubt. Darauf hingewiesen, dass die von den Reedern im Zuge des von der BI ja verweigerten Visualisierungsexperiments in die Panoramafotos vom LWK eingezeichneten Stellen unverzichtbaren Begegnungsverkehrs genau mit jenen kongruieren, welche die größten Uferschäden aufweisen, erläuterte Scholz zunächst, dass nach seinem Verständnis jede Interessengruppe ihre Maximalforderungen einschreiben sollte und die Reeder eben durchgängigen Begegnungsverkehr eingetragen hätten, doch es gehe im weiteren Mediationsverlauf ja gerade darum, von solchen Maximalforderungen im Interesse der Kompromissfindung sukzessive abzurücken. Um also bspw. eine ökologische Umgestaltung mit Abschnitten von Schilfgürteln zu ermöglichen, könne der Begegnungsverkehr zwar nicht gänzlich abgeschafft, aber derart reglementiert werden, dass zwar die Begegnung von Sportboot und Fahrgastschiff erlaubt sei, aber eben nicht die zweier großer Fahrgastschiffe.
BürgerInnenbeteiligung in die Breite tragen!
Nach dem Abgang der ProtagonistInnen gab es noch viele Gespräche mit Interessierten, die entweder schon recht gut im Bilde waren und nur ein aktuelles „Update“ wünschten oder aber glaubten, die Bäume seien doch gerettet und damit die ganze Sache längst erledigt und zwischen diesen Extremen eine Menge Informationshungrige. Dass die Kanalsanierung eine ungleich größere Dimension habe bzw. haben müsse als die Reparatur einiger Kilometer Ufermauer, leuchtet den allermeisten sofort ein. Nunmehr kommt’s also darauf an, nach der Rettung von 162 Uferbäumen, der Durchsetzung eines „Bauleiters Baumschutz“ und dem Nachweis der Notwendigkeit eines Masterplans LWK für das städtebauliche und stadtökologische Projekt Landwehrkanal für Alle zu werben und die tausende Menschen entlang seiner Ufer zur Bekundung ihrer Wünsche, Bedürfnisse, Interessen und Visionen zu animieren, zu mobilisieren und einzubeziehen!
Über den weiteren Turnus der Brückentreffen werden wir rechtzeitig informieren!

Spreeathen (by Marcela)