Rettet die Stadtnatur!

…beispielsweise Kreuzbergs Ratiborareal

Die Holzsaison ist eröffnet!

Cabuwazi-Pappeln

Tausende Stadtbäume, die der Dürrestress des zweiten Hitzesommers in Folge schwer angeschlagen hat, werden nun von Herbststürmen à la Mortimer nicht nur entlaubt, sondern entastet oder gleich umgeworfen −, doch ab heute darf auch endlich  wieder gesetzeskonform gefällt werden! Die Vegetationsperiode ist offiziell vorbei, was freilich nicht heißt, dass nicht schon vorher in Kreuzberg und anderswo die Säge geschwungen wurde, wofür die kürzlich noch dicht belaubten hohen Pappeln nahe Kreuzbergs Spreewaldbad, die ohne Sinn, Verstand und den leisesten Schimmer professionellen Baumschnitts in riesige Mobilfunkantennen verwandelt wurden, als ein schaurig Mahnmal dienen mögen.

Kinder und Jugendliche, die Hallenbad oder Cabuwazi-Circus besuchen, sollen wahrscheinlich gleich einen Eindruck bekommen, wie Mehrfachnutzung und Multicodierung von Stadtnatur aussehen kann, sollen sich doch − angeblich − ohnehin eher für flächendeckenden Freifunk in G5 interessieren als für Natur oder gar Straßenbäume.

Artenschutzrechtliche Prüfungen wurden in F’hain-Kreuzberg ja ganz offiziell outgesourct: „Die beauftragten Baumpflegefirmen sind angewiesen, insbesondere wenn die Fällungen innerhalb der Vogelschutzzeiten erfolgen, die Belange des Arten- und Naturschutzes umzusetzen“ — amtliches Eingeständnis systematischer Missachtung der §§39 & v.a. 44 BNatSchG im grünen Xhain!

Allein am Kreuzberger Landwehrkanal-Abschnitt werden 26 Bäume fallen und viele eingekürzt, einige der seit Jahren angemahnten, und tatsächlich erfolgten Ersatzpflanzungen sind verdorrt. Die Lücken im Saum der vor über zehn Jahren von Bürger*innen geretteten Ufergehölze entlang des Kanals wachsen weiter.

Gestern schon tobten sich Mitarbeiter*innen von Xhains SGA, die nicht abwarten konnten, Ende Reichenberger Straße am Görlitzer Ufer an Sträuchern und Hecken von Holunder und Eiben aus, rodeten besonders letztgenannte, sehr langsam wachsende Gehölze bis Daumendicke, welche die Eiben, wenn überhaupt, erst wieder erreicht haben werden, wenn ihre Schnitter längst Kompost sind, vernichteten auch hier ungeachtet vehementen Bürger*innenprotests kleine Biotope, die den Restbeständen unserer Vogelwelt Nahrung und Unterschlupf boten mit dem Argument der Wohnungslosen-Vergrämung als Mittel der Müllreduktion, wie es in dieser Gegend bekanntlich alle Jahre wieder geschieht.

Rodung des Rodelhügels im Görlitzer Park verhindern!

Und eine besondere Hiobsbotschaft: Am Montag, 7.10., sicher in aller Herrgottsfrühe, soll der Rodelhügel im Görlitzer Park von Strauchaufwuchs bereinigt werden. Der sei doch eh kaputt (was definitiv nicht stimmt! Ergänzung, 2.10.: Und wenn auch Knöterich und Klematis die Sträucher überwuchert haben, so dass sie darunter abgestorben sind: das Areal dient hunderten von Vögeln ganzjährig als Lebensstätte, Rückzugsraum und Nahrungsquelle; Kaninchenbauten und evt. ein Fuchsbau würden freigelegt, Neupflanzungen erst nach Jahren ähnliche Qualitäten bieten und — müssten fielen dann doch wieder dem Drogenkrieg zum Opfer, kurz: ein Drama für unsere ohnehin stark gefährdete Avifauna bahnt sich an!). Primär aber geschehe die Maßnahme auf Ersuchen der Polizei im Rahmen des Drogenkriegs, dem schon so manches an Baum und Strauch in diesem drangsalierten, periodisch durch die Medien gezerrten Park unsinnigerweise zum Opfer fiel und schließlich manchen Engagierten die Lust nahm, sich weiter an der Gestaltung zu beteiligen. Eine Anwohnerin schreibt dem SGA-Leiter, er möge doch dann am besten den ganzen Görli auf den Stock setzen, um des Dealer-Problems Herr zu werden.

Ratiborareal: Senatorin qualifiziert Engagement für Stadtnatur als NIMBY ab

BVV-Xhain 25.09.19

BVV-Xhain 25.09.19, Einwohnerantrag Ratibor 14

Die ärgste Drohung hängt aber nach wie vor überm sog. Ratiborareal. Die hervorragende Begründung des erfolgreichen Einwohnerantrags der ‚Nachbarschaftsinitiative Ratiborstraße und Umgebung‘ in der BVV am 25. September mit den drei Kernforderungen:

  1. Rückgabe der Planungshoheit an den Bezirk F’hain-Kreuzberg
  2. Statt neuer Gemeinschaftsunterkünfte Bau von Sozialwohnungen mit festem Kontingent für Geflüchtete
  3. Unterschutzstellung der 140-jährigen, vom BGG-MUF-Bau bedrohten Flatterulme als Naturdenkmal

vermochte gleichwohl nur bei einer Minderheit der Bezirksverordneten den Blick vom Endgerät zu lösen und veranlasste Sozialsenatorin Breitenbach (LINKE) auf Twitter gar, das arg verschlissene NIMBY-Argument zu bemühen und zu allem Überfluss mit einem Kotz-Emoji zu illustrieren. Grottiger Stil fürwahr! Wir müssen daher auch bezweifeln, dass sie der Aufforderung von Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann, diese gute politische Rede doch einfach mal zu lesen, inzwischen nachgekommen ist. [Update: 2.10.: Wie wir heute erfahren, hat sich die Nachbarschaftsini gestern mit der Senatorin getroffen, und das Gespräch sei durchaus fruchtbar gewesen! Auch müssen wir korrigieren, dass gar keine Beteiligung stattgefunden habe; vielmehr wurde eine Steuerungsrunde eingesetzt, und die BGG hat zebralog fürs Moderieren engagiert.] Was den in seiner Relevanz wohl kaum noch zu überschätzenden Stadtnaturschutz im Interesse von Adaption an die Folgen des Klimawandels betrifft, den Erhalt und die Herstellung gesunder Wohn-, Arbeits- und Lebensverhältnisse besonders in hochverdichteten und sich daher sommers besonders aufheizenden Stadtquartieren sowie den Kampf gegen die 6. große (und 1. anthropogene) Artenvernichtung auch und gerade in den Metropolen, haben fachfremde Senatsverwaltungen wie SenIAS in absolut undemokratischer, auch noch die rudimentärste kommunale Selbstverwaltung verhöhnenden Manier dem Bezirk F’hain-Kreuzberg entrissen (im Unterschied zu vergleichbaren Fällen in anderen Berliner Bezirken) und drohen nun, eine monströse, ortsfern entstandene Planung genau auf den Teil des Ortsteils zu stülpen, den schon ein kurzer Blick auf Google Maps als den mit noch dem meisten Stadtgrün erkennen lässt.

Altbaumbestand: Stadtmöbel oder Sperrmüll?

Ratibor 14 erhalten!

Sage & schreibe neun stattliche Bäume sollen dem Flüchtlingscontainer weichen, darunter alte dicke Eichen und Linden, letztgenannte Straßenbäume, die dank fleißigem Wässern durch die Anwohner*innen noch am prächtigsten im Saft stehen [siehe den Nachtrag ganz unten!]. Bei elf weiteren Bäumen sollen erhebliche Eingriffe in die Kronen sowie Wurzelaufgrabungen erfolgen [als gäbe es dafür nicht längst non-invasive Methoden!], um die „Punktfundamente“ nicht auf Baumwurzeln zu stellen, so auch bei der genannten Ulme, die auch noch so zugeschnitten werden soll, dass man auf 6,50m an ihren Stamm heranbauen kann, als gäbe es keine DIN 18920  und auch keine Baumschutzverordnung, die in diesem Fall einen einzuhaltenden Abstand von 14,5m verlangt, nämlich 2m mehr als der reale Kronenradius, der zugleich der Ausdehnung des Wurzeltellers entspricht und der allen Ernstes durch Einkürzen eines vitalen Starkasts auf 6,5m in nachgerade heimtückischer Weise vorab verringert werden soll. Überdies weist die Ulme geschützte Lebensstätten wildlebender Arten auf, und wir werden nicht zulassen, dass wieder den „Baumpflegern“ die artenschutzrechtliche Kontrolle übertragen wird! Der Boden über den Wurzelteller von Bäumen darf nicht verdichtet, d.h. schon gar nicht von schwerem Baugerät befahren werden, was sich − Punktfundamente hin oder her − natürlich kaum wird vermeiden lassen.

Planungshoheit zurück an Bezirk und mittelbar an seine Bewohner*innen!

In ihrer ersten Forderung verlangt die Nachbarschaftsinitiative eine Wiederaufnahme des einst von Baustadtrat Schmidt als modellhaft apostrophierten partizipativen Bebauungsplanverfahrens, denn weder, was den Bedarf an Gemeinschaftsunterkünften angeht, noch von Seiten der BImA, die de jure noch Grundstückseignerin ist (bis zur Bauantragsgenehmigung durchs Land), besteht besonderer Zeitdruck, sondern einzig und allein wegen der am 31.12.2019 endenden Befristung des beschleunigten Sonderbaurechts für Flüchtlinge nach §246 BauGB  (d.h. u.a. keine Öffentlichkeitsbeteiligung, kein Umweltbericht).

Da also die Entscheider*innen, wie so oft, leider nur unzureichend kennen, worüber sie entscheiden, bietet dankenswerter Weise die zertifizierte Wildnispädagogin, Kristina Roth, verschiedene Termine für eine Stadtnaturführung über das Gelände an.

Einladung Stadtnaturführung

Einladung der Entscheidungsträger*innen zur Stadtnaturführung

 

[Nachtrag, 02.10.19: Die „Nachbarschaftsinitiative Ratiborstraße und Umgebung“ hat sich bereits mit Hinweis auf den besagten Sonderparagraphen 246 BauGB ans SGA gewandt mit der dringenden Bitte, die BGG-Fällanträge der fünf Straßenbäume zu versagen. (Auszug aus dem Schreiben vom 29. September siehe hier.)]

Und hier eine Grußadresse von MdB Canan Bayram (@LieblingXhain) auf FB!

 

Gefährdete Flatterulme

2 Kommentare

  1. St. Hundsdörfer said,

    31. Oktober, 2020 um 17:50

    Richtig!

    „…wofür die kürzlich noch dicht belaubten hohen Pappeln nahe Kreuzbergs Spreewaldbad, die ohne Sinn, Verstand und den leisesten Schimmer professionellen Baumschnitts in riesige Mobilfunkantennen verwandelt wurden, als ein schaurig Mahnmal dienen mögen…“

    Wer solches angeordenet hat (Grünflächenamt) und durchgeführt hat (Auftragnehmer GaLaBau-/Baumpflegebetrieb) hat sich schuldig gemacht, den geschädigten Bäumen ein unnötigen und schweren Überlebenskampf zuzumuten – und nebenbei auch gegen gesetzliche Richtlinien (z.B. ZTV-Baumpflege) schwerwiegend verstoßen.
    Mit Baumpflege hat das nichts zu tun. Es handelt sich um (unnötige!) Kappungen, die fachlich und offiziell zurecht auch als Verstümmelung bezeichnet werden.

    St. Hundsdörfer
    Garten- und Landschaftsbau, Baumpflege


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