Ignorierte BürgerInneninteressen in Mitte

Gastbeitrag

„Wir werden das Gleiche machen wie vorher“!

Entscheid über einen BVV-Antrag zum Kleinen Tiergarten

Mit den Stimmen der SPD und CDU wurde in der BVV Mitte am 20.9.2012 um 21.45 Uhr einen BVV-Antrag von Bündnis 90/Die Grünen für aus Sicht vieler Bürger notwendige Planungsänderungen im Kleinen Tiergarten, Mittlerer Teil (u. a. Erhalt 16 von 35 Bäumen) nicht abgestimmt, was einer Ablehnung dieses wichtigen BVV-Antrages gleichkommt!

Ein BVV-Änderungsantrag der SPD zur Rettung von nur drei Bäumen wurde mit den Stimmen von SPD und CDU zugestimmt! Sonst nichts! Den Rest des Beitrags lesen »

Trendsport statt Natur!

Zukunftsfähige Freiraumgestaltung

Jungbaumsterben 01

Jungbaumsterben im Görli 01 (zum Vergrößern anklicken!)

Unser Frohlocken, dass nach langen Wochen absoluter Untätigkeit einer offensichtlich unfähigen Fremdfirma gekündigt und das Wässern von Baum und Strauch wieder in die Hände eigener Mitarbeiter gelegt wurde, war leider verfehlt: Der Görli, um nur eine F’hain-Kreuzberger „Grün“anlage beispielhaft herauszugreifen, dorrt weiter vor sich hin. Manche Jungbäume sind bereits abgestorben, andere befinden sich in  kritischem Zustand, Büschen und Sträuchern geht’s kaum besser, aus Rasen ward längst schon Stroh −, doch gegenläufig zu diesem steten Niedergang findet das trendige Hobby des Grillens triefiger Kadaverfetzen eine nur immer wachsende Fangemeinde. Den Rest des Beitrags lesen »

Kreuzberg: Verdorrte Grünflächen als pädagogische Präventivmaßnahme

BürgerInnen-Inititative Bäume für Kreuzberg

F’hain-Kreuzberger FB Naturschutz & Grünflächen startet Pilotprojekt

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Kreuzberg ist trendy − Kreuzberg ist hip! Um dieser Entwicklung neue Impulse zu geben, hat die grüne Bezirksverwaltung die „Neue Kreuzberger Politik“ (NKP) ins Leben gerufen. Eine der ersten Maßnahmen: Das Grünflächenamt hat die Pflegekonzepte für die dortigen Grünflächen als erster Bezirk (!) radikal überarbeitet. Das Amt, das sich derzeit heroisch gegen die Bettelei des zuständigen Polizeiabschnittes zur Wehr setzt, Strauchbereiche im Görlitzer Park zu beseitigen, um der dortigen Kleindealerei die Bunkerplätze zu nehmen, macht Ernst mit Klimawandel und der damit einhergehenden Versteppung von Berlin und Brandenburg − wenn auch rein demonstrativ.

War es jahrzehntelang ein ernsthaftes Anliegen der Kommunen gewesen, ihre Parkanlagen auch während längerer Trockenperioden im Frühjahr und Sommer grün erscheinen zu lassen, so hat Kreuzberg nun erkannt, dass dies eine irrige Fehlannahme gewesen ist, die dazu führt, dass die Bevölkerung der prognostizierten klimatischen Entwicklung und der damit einhergehenden Veränderung von Lebensqualität und Landschaft mit ungläubigem Kopfschütteln begegnet. In Kreuzberg lautet die Devise nun:

„Nehmen wir die weiteren Auswirkungen des Klimawandels vorweg und zeigen wir, wie es in einigen Jahren aussehen wird.“

Görlisteppenfest

Kreuzberg feierte erste Erfolge der NPK mit dem Görlisteppenfest am 26.6.10

Vorbei die Zeit, als Politik und Verwaltung mit Engelszungen um Unterstützung bei der Wässerung von Bäumen und Sträuchern warben. Ganze Heerscharen aus Kitas und Grundschulen hatten sich alljährlich aufgemacht, um mit kleinen Gieskännchen den Pflanzen und Bäumen das begehrte Nass zu spenden. Wer kann sich nicht an das Bild am Straßenrand erinnern: Zumeist waren es Frauen, oft in Kittelschürzen gewandet, die Tag für Tag einen Eimer Wasser zur nächstgelegenen Baumscheibe schleppten und, eine beruhigende Melodie vor sich hinsummend („Bäumchen, Bäumchen, du musst trinken…“), liebevoll dem versickernden Fluidum nachschauten.

Damit soll jetzt Schluss sein. Die persönliche Referentin der zuständigen Baustadträtin Kalepky (GRÜNE), Regina Mohltaui*: „Manche mögen uns für verrückt erklären, aber so sind wir nunmal hier in Kreuzberg. Die Kommunen stehen dem Klimawandel ja sehr hilflos gegenüber. Verantwortlich sind Wirtschaft und Politik auf Landes-, Bundes- EU- und globaler Ebene. Da sind die Ergebnisse der Verhandlungen zur Eindämmung des Klimawandels doch sehr bescheiden. Aber als Bezirk haben wir die Möglichkeit, diese Heuchelei einzustellen, mit der der Stadtbevölkerung ein grüner Sommer vorgegaukelt wird. Nach zahlreichen Pilotprojekten in den vergangenen Jahren, die alle sehr erfolgreich die Versteppung demonstriert haben, setzen wir das jetzt flächendeckend um.“

Oranienplatz

Auch auf dem Oranienplatz dominiert jetzt frisches Gelb

Als erste Maßnahme wurde bereits Anfang April des Jahres verfügt: Eine Wässerung der öffentlichen Parkanlagen hat ab sofort zu unterbleiben, die Wasserschläuche werden zunächst in den Katakomben unterhalb des Schinkel-Denkmals auf dem Kreuzberg eingemottet und sollen dann bei ebay versteigert werden. Die Opposition (CDU, FDP, SPD, LINKE, WASB) schäumt vor Wut und vermutet Veruntreuung von Steuergeldern. Der Sprecher für Grünanlagenpflege der LINKEN in Friedrichshain-Kreuzberg, Uli Glaspath*: „Es ist völlig unverständlich, was hier passiert. Erst in diesem Frühjahr haben wir einen neuen Brunnen auf dem Oranienplatz mit einem großartigen Bürgerfest eingeweiht. Mit dessen Hilfe sollten der Oranienplatz und die angrenzenden Teilstücke des Luisenstädtischen Grünzuges im Sommer gewässert werden. Hier gab es in den vergangenen Jahren massive Proteste aus der Bürgerschaft heraus, weil regelmäßig die Blätter welk wurden und die Rasenflächen verdorrten. Die Linke wird alles in ihrer Macht stehende tun, diesen Wahnsinn der „Grünen“ zu stoppen und den Bürgerinnen und Bürgern Freude und Frohsinn zu bringen.“

Auch Sebastian Kleinhein* (SPD) will sich damit nicht abfinden: „Es ist doch offensichtlich so, dass die Grünen mit diesem Vorgehen nur ihre Unfähigkeit vertuschen wollen, mit unseren Grünanlagen angemessen umzugehen. Wie viel den Menschen in unserem Bezirk daran gelegen ist, schöne, gesunde und saubere Grünanlagen nutzen zu können, zeigt doch schon die Tatsache, dass in den Diskussionen im Rahmen des Bürgerhaushaltes die Belange von Baum, Strauch und Rollrasen an allererster Stelle stehen. Mit diesem fundamentalistischen Politikansatz sind die Grünen für uns kein Bündnispartner, auch nicht auf Bundesebene.“

Die CDU ist sprachlos, wie eine Sprecherin einräumte: „Wir sind sprachlos!“

Aber hier beißen sie alle auf Granit. Denn auch unter einem anderen Gesichtspunkt hält es Bezirksbürgermeister (Bzbm) Schulz (ebenfalls Grüne) für geboten, gegen den allgemeinen Trend zu steuern: „Diese Vorwürfe sind so nicht haltbar. Schließlich sind wir die Grünen. Richtig ist, dass wir schon vor der Jahrtausendwende auf den drohenden Klimawandel aufmerksam gemacht haben. Und nicht nur das: Von Anfang an haben wir deutlich gemacht, dass wir der Vertreibung der eingesessenen Bevölkerung durch finanzstarke Gruppen nicht tatenlos zusehen werden. Das haben die Menschen erkannt und uns gewählt. Wir nehmen unsere Verantwortung auch in diesem Bereich sehr Ernst und sind gewillt, auch auf Maßnahmen zurückzugreifen, die auf den ersten Blick nicht sonderlich populär erscheinen. Aber die Menschen hier, und damit meine ich nicht nur unsere Wählerinnen und Wähler, werden schnell begreifen, dass es auch einmal unpopulärer Maßnahmen bedarf, um einer gefährlichen Tendenz entgegenzusteuern. Verdorrte Grünanlagen sind kein schönes Bild, aber ein wirkungsvolles Mittel um Spekulanten und zahlungskräftige Zuzügler, die auf ein Schnäppchen hoffen, davon abzuhalten, in Kreuzberg Fuß zu fassen.“

Am Bethanien

Nachholbedarf am Bethanien: Noch viel zuviel täuschendes Grün

Mittlerweile beschäftigt sich sogar die Senatsebene mit der Neuen Kreuzberger Politik (NKP). Aus der Senatskanzlei ist zu hören, dass auch dort der Klimawandel sehr ernst genommen wird, wie ein Sprecher versichert: „Deshalb wollen wir ja auch die Verlängerung der A 100. Wenn die Autos schneller am Ziel sind, gibt es weniger Staus. Und weniger Staus und kürzere Fahrzeiten bedeuten weniger Schadstoffausstoß und Kraftstoffverbrauch. Das hilft dem Klima mehr als die NKP. Die NKP ist ein Irrweg und soll verschleiern, dass wir durch den Spardruck auf die Bezirke die Grünflächenämter austrocknen. Wenn nun in der Öffentlichkeit andere Zusammenhänge hergestellt werden, werden die Bürger für dumm verkauft. Dagegen werden wir vorgehen. Der Bürger hat ein Recht auf Grünanlagen und nicht auf grüne Anliegen.“

Unbeeindruckt ob solch harscher Kritik wollen die Grünen den eingeschlagenen Kurs fortsetzen. Derzeit wird an einer Beschlussfassung gearbeitet, deren Inhalt im wesentlichen die Umbenennung des Grünflächenamtes in Gelbflächenamt ist. Abschließend dazu noch einmal Bzbm Schulz: „Diese Umbenennung soll nicht nur demonstrativen Charakter haben, sondern auch intern auf die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wirken. Denn ich bin sehr zuversichtlich, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger zusammen mit der Verwaltung unsere gemeinsame Verantwortung in diesem Bereich wahrnehmen werden, insofern sie darauf achten werden, dass eben gerade nicht gewässert wird. Es ist daher sicherlich noch sehr viel Überzeugungsarbeit zu leisten, aber ich bin zuversichtlich, dass andere Kommunen dann unserem Beispiel folgen werden.“

Wie sich am Nelly-Sachs-Park in Tempelhof-Schöneberg zeigt, eine richtige Einschätzung. Hier folgt ein Innenstadtbezirk dem vorausblickenden Beispiel. Eine Anwohnerin: „Die Mitarbeiterin, mit der ich normalerweise überkreuz liege wegen des häufigen Mähens, sagte mir, sie hätte bisher heimlich im vorderen Teil des Parks gegossen. Heute kam ein Anruf, sie soll das Gießen sofort einstellen. Ihre Chefin gab diese Order nur sehr ungern weiter, sagte sie, der Befehl käme von ganz oben (Bezirksstadtrat Schworck).“

Im Nelly-Sachs-Park

Nelly-Sachs-Park: Erstes Projekt der 'geplanten Versteppung' nach Vorbild der NKP nun auch im Nachbarbezirk Tempelhof-Schöneberg

Die BI Bäume für Kreuzberg wird diese zukunftsweisende Entwicklung weiterhin aufmerksam verfolgen. Wir bitten Sie, liebe Leserin und lieber Leser, die Kommentarfunktion zu nutzen und Ihre Meinung dazu einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.


*Name von der Redaktion geändert

2 Grad plus − oder eher mehr

Wie reagiert Stadtentwicklung auf die Klimaveränderung?

Bericht von einer aufschlussreichen Veranstaltung

Auditorium mit VIPs

Auditorium mit VIPs

Das EnergieForum Berlin, ein Niedrigenergiebau am Stralauer Platz, Mitte der 1990er Jahre mit ungestümem Enthusiasmus als Internationales Solarzentrum Berlin und Leuchtturmprojekt für die große Energiewende zur „Solarhauptstadt“ geplant (in der Dekaden später gerade mal 1,87 Prozent des Energiebedarfs von Erneuerbaren gedeckt wird) −, das EnergieForum also erschien SenStadt der geeignete Ort, um am vergangenen Donnerstag (8.1.) im Rahmen des Stadtforums Berlin drei Stunden lang einer inzwischen wahrlich drängenden Frage nachzugehen:
Wie reagiert Stadtentwicklung auf die Klimaveränderung? Und diese Frage scheint nach dem Gipfel des Scheiterns in Flopenhagen zu Beginn der neuen Dekade auch eine immer größere Zahl von BürgerInnen umzutreiben, denn nach Verstreichen von ein, zwei akademischen Vierteln konnte sich das rund 300köpfige Auditorium in einen überfüllten Uni-Hörsaal versetzt fühlen.

Zur Begrüßung

Staatssekretärin Krautzberger

Staatssekretärin Maria Krautzberger

Staatssekretärin Maria Krautzberger, zuständig für Stadtplanung und Verkehr, stellte ungeachtet der aktuellen Winterkälte klar: „Der Klimawandel kommt nicht, er ist schon da!“ und verwies auf den 80prozentigen Anteil, den die Städte zu den Treibhausemissionen beitrügen, sodann aber auf schon Geleistetes, nämlich das gemäß der Deklaration der Bürgermeister [nein, nicht jener zur COP15 im Hinblick aufs prognostizierte Scheitern, sondern der Berliner Erklärung der Bürgermeister von 2006] bereits 2008 formulierte klimapolitische Arbeitsprogramm des Senats, eben die Berliner Klimastrategie, „Klima schützen, Umwelt stärken, neue Arbeit schaffen“, mit ihren vier Säulen

  1. Klimaschutz durch weitere CO2-Reduktion (und zwar 40 Prozent bezogen auf 1990, wobei Berlin im European Green City Index in der Luftqualität den achten Rang belegt)
  2. Schaffung neuer Arbeit auf grünen Märkten (einschließlich der Region Brandenburg)
  3. Fortbestehen als grüne Metropole mit 42 Prozent klimaentlastendem Grünanteil und
  4. frühzeitige Einstellung auf die Folgen des Klimawandels

Nach einer im Auftrag von SenStadt erstellten und genau vor einem Jahr veröffentlichten Studie des PIK ist für die Region Berlin-Brandenburg, die das UBA als „besonders stark verwundbar“ einstuft, bis 2050 ein Anstieg der Durchschnittstemperatur um 2,5 Grad zu gewärtigen − mit dramatischen Folgen wie sommerliche Hitze- und Dürreperioden und winterliche Starkregenereignisse.

Auditorium

Vollbesetzes Auditorium

Angesichts dieses Szenarios wurde unter Stadt-, Landschafts- und UmweltplanerInnen die Konzipierung eines Stadtentwicklungsplans (StEP Klima) ausgelobt, der die bisherigen Aktivitäten flankieren soll. − Besonders in hochverdichteten und damit unterversorgten City-Bezirken müssten fußläufig erreichbare Schattenzonen geschaffen sowie das klimaaktive Grünvolumen erhöht werden, um die Entstehung innerstädtischer Wärmeinseln zu verringern. Die Problematik der Nachverdichtung müsse neu durchdacht, Kaltluftentstehungsgebiete und Stadtgrün müssten erhalten bzw. neu geschaffen bzw. nachgepflanzt werden. Ein intelligentes Wassermanagement solle die Extreme von Knappheit und Überschuss ausbalancieren.

Vor allem komme es auf systematische Antworten seitens der Wissenschaft und Fachwelt an und nicht zuletzt auf den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Nach dieser Revue von eigentlich schon Bekanntem, aber beim Übergang zum Tagesgeschäft der ökonomischen Krisen, Sachzwänge und leeren Kassen alsbald wieder Verdrängten klang der fulminante Vortrag von PIK-Chef Prof. Hans-Joachim Schellnhuber wie ein Weckruf (und wohl nicht nur wir fragten uns unwillkürlich, wie so jemand unsere zaudernde, eigen- und leidenschaftslose Obermoderatorin aus dem Kanzlerinnenamt aushält, als deren Klimaberater er bekanntlich fungiert).

Stadt Land Fluss

Schellnhuber mit Nobelpreisträger-Appell

Schellnhuber mit Nobelpreisträger-Appell

Nach einer meteorologischen Erläuterung der für die aktuelle schneereiche Witterung verantwortlichen Genuazyklone, die sich durchaus mit jener vergleichen lasse, die zu anderer Jahreszeit 2002 das verheerende Elbhochwasser hervorrief, machte Schellnhuber noch einmal seinem Frust über das Scheitern von Kopenhagen Luft − von „globalem Klimakitsch“ hatte er gegenüber der Süddeutschen gesprochen − und zog, da eine verbindliche Vereinbarung entschiedenen Handelns gegen die Erderwärmung top down nicht erreicht werden konnte, den radikalen Schluss, dass vorderhand Hilfe nur bottom up zu erwarten sei, also von den Kommunen, den vielen regionalen und lokalen Initiativen, kurz: der Zivilgesellschaft kommen müsse.

Den Zweiflern an der anthropogen verursachten Klimaveränderung, den „pensionierten Gewerbelehrern oder skeptischen Hobbymeteorologen“, hielt Schellnhuber den im November ’09 von rund 60 Nobelpreisträgern unterzeichneten Appell an die Regierenden dieser Welt entgegen, ein verbindliches Abkommen zum Klimaschutz auszuhandeln. Wiewohl es dazu bekanntlich nicht gekommen sei, habe die Wissenschaft dennoch einen „tragischen Triumph“ gefeiert, da die zwei Grad Celsius, um die sich die Durchschnittstemperatur verglichen mit vorindustrieller Zeit nicht erhöhen dürfe, wenn denn die Auswirkungen noch beherrschbar bleiben sollen, immerhin anerkannt worden seien. − Und im Hinblick auf die geringe Sonnenaktivität hätte bspw. 2008 eins der kühlsten Jahre sein müssen, erwies sich jedoch umgekehrt als eins der acht, neun wärmsten seit der Temperaturaufzeichnung.

Schon 2 Grad plus nur fauler Kompromiss!

Schellnhuber mit CO2-Budget

Das globale CO2-Budget

Doch diese zwei Grad seien keine magische Grenze: hüben alles im grünen Bereich und nur drüben das Desaster, sondern als absolutes Maximum des noch Beherrschbaren selber bereits ein politischer Kompromiss, der sich angesichts der weit früher als prognostiziert eingetretenen negativen Auswirkungen, was etwa die Schmelze von Gletschern, Grönlandschelf und antarktischem Meereis oder die Zerstörung der Korallenriffe betreffe, als fauler Kompromiss erweise: Erschienen 2002 die Korallenriffe bei einer Begrenzung auf zwei Grad  noch knapp diesseits des kritischen Bereichs, so sind sie inzwischen bei derselben Zielmarke längst in den roten geraten, d.h. zu 70 Prozent gefährdet und zu erheblichen Teilen schon längst zerstört − mit kaum abzusehenden negativen Auswirkungen auf Meeresfauna und Küstenregionen.

Kipp-Elemente

Und Gletschereis, Korallenriffe oder die Regenwälder sind Bestandteile des Erdsystems, die als sog. tipping elements beschrieben werden müssen und die korrespondierenden Entwicklungen als tipping dynamics, und zwar deshalb, weil man sich gemeinhin die Klimaveränderung als graduell und ontogenetisch nur wenig bemerkbar vorstellt. Doch durchs Umstoßen dieser Kippelemente wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu plötzlichen, sprunghaften, unumkehrbaren Veränderungen im unendlich komplexen Gefüge des globalen Gesamtsystems kommen, mit hochgradig nicht-linearen Entwicklungen und unbeherrschbaren katastrophischen Folgen.

Abwarten bis zur Kriegswirtschaft

Schellnhuber mit Assessments

Die Assessments tendieren zu 3,5°+

Angesichts der 750 Gigatonnen CO2 [entspricht einer Konzentration von 450 ppm] die unsere Atmosphäre bis 2050 nur noch verkraften kann, wenn die 2°-Latte nicht gerissen werden soll (und selbst dafür gibt’s nur eine 67prozentige Wahrscheinlichkeit, spielen wir also „amerikanisches Roulette“ mit zwei Patronen im sechsschüssigen Revolver statt nur einer wie beim russischen), muss bei weiterem Zögern und Zuwarten ab einem Peak Year 2011 die globale Emission von Treibhaus-Gasen jährlich um 3,7 Prozent reduziert werden, während ihr gänzliches Runterfahren noch nach 2050 erfolgen kann; ab 2015 aber schon um 5,9 Prozent p.a. (d.h. „ein Kyoto pro Jahr“) sowie dem zusätzlichen Zwang, sie schon vor 2050 gänzlich auf Null zu reduzieren; beim Abwarten bis 2020 indessen um jährliche 9 Prozent, damit der Ausstoß von Treibhausgasen bereits 2040 total gestoppt ist. − Diese Option würde allerdings Rationierungsmaßregeln und Zwangsmaßnahmen zu ihrer Einhaltung erfordern wie in einer Kriegswirtschaft [und damit, ums offen zu benennen, eine Art Öko-Diktatur.]

Das Scheitern von Kopenhagen lastet Schellnhuber ausdrücklich der amerikanischen Seite an, die etwa für die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Klimawandel-Adaption ab 2020 jährlich den Gegenwert von sechzig Stunden Irakkrieg anbot. − Fünf Personen, darunter keine aus der EU, handelten in einem Hinterzimmer ein unverbindliches Papier aus, wovon, wie bekannt, anschließend das Plenum lediglich Notiz nahm −, doch sei dieser Ausgang eindeutig besser als eine verbindliche Vereinbarung unzureichender Ziele, ein irrelevantes Ergebnis einem definitiv schlechten vorzuziehen. Das Positive des Scheiterns bestehe darin, dass der Prozess weiterhin ergebnisoffen sei. Nunmehr müssten die Akteure der Zivilgesellschaft die Sache selbst in die Hand nehmen!

3,5 Grad plus als best guess

Bis Monatsende gelte erstmal das „Klingelbeutelprinzip“: jede Nation könne nach Gutdünken ihre Selbstverpflichtung „reinwerfen“. Die Notwendigkeit einer 2°-Begrenzung wurde zwar anerkannt, doch  günstigste Einschätzung sei jetzt eine 3,5°-Erwärmung und daher Berlin zu entscheiden aufgerufen, was jetzt Deutschland davon noch „wegzuschnippeln“ bereit sei.

Große Tränke vertrocknet

Schellnhuber mit Großer Tränke

Szenario für die Großer Tränke

Bei einer Erhöhung der Durchschnittstemperatur um 3,5 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau bzw. einer atmosphärischen CO2-Konzentration von 550 ppm sei bspw. ein Hitzesommer wie 2003 mit 35.000 Toten in Europa jedes zweite Jahr zu erwarten. Was den regionalen Wasserhaushalt betrifft, wird in „normalen“ Sommern der Pegel an der Großen Tränke, dem Zuflusspegel zum Berliner Gewässersystem, um achtzig Prozent niedriger liegen, in Hitzesommern aber auf Null sinken, d.h. die Spree wird trockenfallen und ein aufwendiges künstliches Wassermanagement mit Wasserüberleitungen von der Oder, Talsperren etc. notwendig, um Berlin mit Wasser zu versorgen − und den Spreewald mit Touristen [von der Fahrgastschifffahrt auf Stadtspree und LWK mal zu schweigen, da solch mittelfristige Überlegungen nun mal als ökonomisch nicht nachhaltig gelten].

Schellnhuber mit Großer Tränke 02

Herausforderungen ans Wassermanagement

Die Waldbrandgefahr wird einerseits natürlich steigen, aber ein erheblich verbessertes Management konnte die Zahl tatsächlicher Brandausbrüche in trockenen Sommern schon jetzt deutlich verringern. Und als positive Auswirkung bleibe festzuhalten, dass sich die Produktivität unserer Kiefernwälder um 10 bis 20 Prozent steigern werde, die Kiefer also Baum der Wahl bleiben sollte. [Allgemeine Heiterkeit.]

Die Stadtentwicklung, die gleichermaßen die Ziele Vermeidung und Adaption verfolgen müsse, bedürfe eines integrierten Energie- und Klima-Programms. Der Gebäudebereich berge das höchste CO2-Einsparpotential, selbstredend besonders beim Neubau bzw. der Bebauung seit 1970. Für den Altbaubestand jedoch würden erhebliche Sanierungsinvestitionen nötig, und Schellnhuber schlug vor, nach Einstellung des Flugverkehrs auf dem Gelände des Flughafens Tegel eine Bauausstellung für Null- bzw. Plus-Energie-Häuser zu veranstalten und sie gestalterisch an einem fraktalen Schnitt quer durch alle Berliner Bezirke auszurichten. Dem Plus-Energie-Haus, das im Unterschied zu Niedrigenergie- und sog. Passivhäusern eine positive Energiebilanz aufweist, also als kleines Kraftwerk überschüssige Energie ins Netz einspeist, gehöre die Zukunft, doch der Weg dorthin sei teuer. − Und damit eilte Schellnhuber von hinnen.

Unsere [hoffentlich nicht zu] ausführliche Darstellung seines beeindruckenden Vortrags geht natürlich leider auf Kosten der anschließenden Beiträge, die ebenfalls manch Bedenkenswerte enthielten, aber im folgenden nur kursorisch dargestellt werden können.  [Überhaupt soll’s ja in Kürze eine Dokumentation der Veranstaltung auf der SenStadt-Site geben.]

Schellnhuber mit Wasserüberleitung

Handlungsoption Wasserüberleitung von Oder zur Spree

Von Hopenhagen nach ResBONNsibility

Holger Robrecht, Bereichsleiter Nachhaltigkeitsmanagement von ICLEI(International Council of Local Environmental Initiatives)-Local Governments for Substainability, und trotz Daisy und der Deutschen Bahn rechtzeitig, aus Freiburg kommend, im EnergieForum eingetroffen, gab einen Überblick über die kommunalen Wege zur Klimaanpassung unterm vorgenannten launigen Motto.

Robrecht und Hi-Tech-Beispiel

Robrecht und Hi-Tech-Beispiel

Als Management-Experte bemängelte Robrecht an COP15 zunächst einmal die Vagheit des Leitziels sowie das Fehlen von Wegebeschreibung, Monitorings- und Evaluierungsinstrumenten − was freilich bei einem vagen Ziel nicht weiter verwundern kann. An die Stelle von Ernst Blochs Prinzip Hoffnung müsse nunmehr Hans Jonas’ Prinzip Verantwortung treten, und diese Verantwortung erfordere beispielsweise eine 80prozentige Senkung des Ressourcenverbrauchs bis 2100.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Städte und Gemeinden nicht einfach nur ihren Ressourcenverbrauch zu senken, ihre Emissionen zu mindern versuchen, sondern Nachhaltigkeit steuern, entsprechende integrative Strategien und Stadtentwicklungskonzepte erarbeiten, bei Anwendung des Versicherungsprinzips im Sinne kollektiver Risikoübernahme.

Zyklisches Nachhaltigkeitsmanagement

Zyklisches Nachhaltigkeitsmanagement

Zyklisches Nachhaltigkeitsmanagement

Planung ist lt. MGM-Gründer Goldwyn die Ersetzung des Zufalls durch den Irrtum. Diese Weisheit beherzigend, bedarf es korrekturfreundlicher Systeme und als zentrales Konzept stellte Robrecht das sog. Zyklische Nachhaltigkeitsmanagement vor, das ausgehend von a) der Bestandsaufnahme und ihrer Fortschreibung und b) der im Rahmen von Planungsworkshops gewonnenen Zieldefinition über c) den verbindlichen politischen Beschluss des erarbeiteten Handlungsprogramms zu d) seiner Umsetzung und deren Monitoring verläuft. Unter e) aber erfolgen Bilanzierung und Evaluierung sowie anhand periodisch zu erstellender Sachstandsberichte ggf. Richtungskorrekturen.

Lernende Städte

Die meisten Städte verfügen Robrecht zufolge zwar über Schutzprogramme, nicht aber über Anpassungsstrategien und ein Nachhaltigkeitsmanagement. Am weitesten seien, wenn es darum gehe, die Akteure in der Region auf der Grundlage von Beteiligungsprozessen mitzunehmen, − wen wundert’s − skandinavische Städte wie das finnische Tampere oder das südschwedische Växjö, die „grüne Modellstadt“, die den CO2-Ausstoß pro Kopf bereits vor Jahren um ein Viertel senken konnte und schon 2007 den „Sustainable Energy Europe Award“ gewann; aber auch Tatabánya in Ungarn sei als Referenzgemeinde zu nennen oder das schwäbische Ludwigsburg, das schon seit 2004 durch Nachhaltigkeitsmanagement in seinem Stadtentwicklungskonzept ökologische, ökonomische, soziale und partizipative Momente erfolgreich zusammenzuführen sowie die breite Öffentlichkeit zu mobilisieren vermochte und als Beispiel der „lernenden Gemeinde“ dienen kann.

Unterm Stichwort Vernetzung verwies Robrecht auf das Urban Climate Change Research Network der Columbia Unitversity (UCCRN),ein Konsortium von Einzelpersonen und Institutionen, das sich aus der Perspektive fortschreitender Urbanisierung der Analyse von Möglichkeiten zur Minderung des Klimawandels, Anpassungsstrategien und Energiefragen widmet sowie wegweisender fachwissenschaftlicher, ökonomischer und planungsbezogener Forschung. Das Netzwerk will die Kooperation innerhalb der Forschung, aber auch zwischen kommunalen Entscheidungsträgern und Stakeholdern zu allen Aspekten von Klimawandel und urbaner Entwicklung befördern und technische Unterstützung leisten.

Die schwierigste Hürde

Mit einer nur allzu wahren Einsicht beschloss Holger Robrecht seinen Beitrag, indem er Wolfgang Socher vom Umweltamt Dresden zitierte: „Ein Haupthindernis für erfolgreiche Anpassungsstrategien und –maßnahmen ist Besitzstandswahrung. Wir können uns leicht auf langfristige Ziele verständigen, aber nicht auf die Umsetzung von Maßnahmen, soweit sie uns, unsere Generation und unseren Besitz selbst betreffen. Insofern ist 2015 viel weiter entfernt als 2050.“

Holger Robrecht und die schwerste Hürde

Holger Robrecht und die schwerste Hürde

StEP Klima Berlin

Carl Herwarth von Bittenfeld vom Berliner Planungsbüro Herwarth + Holz stellte erste Arbeitsergebnisse bei der Umsetzung des Stadtentwicklungsplans (StEP) Klima vor.

Berlin wandert, so die Ausgangsthese, bzgl. der geographischen Breite auf die Höhe von Rom oder Barcelona, was neben gravierenden negativen Begleiterscheinungen vielleicht − allerdings nur kurzfristig − auch Chancen bietet. Stichwort: Tourismusindustrie. Die Entwicklung aber müsse, durchaus auch durch Neuorganisation, von der kompakten hin zur grünkompatiblen Stadt verlaufen.

Auf Grund der vorgefundenen baulichen Gegebenheiten mit Blockrandbebauung und dem gebietsweisen Mangel an unversiegelten Freiflächen gebe es insbesondere im innerstädtischen Bereich eine Vielzahl belasteter Räume, welchem Umstand abzuhelfen die kleinteilige Eigentumsstruktur nicht einfacher mache. Hier könne es nur darum gehen, die kleinräumigen Entlastungspotentiale etwa durch Fassaden-, Hinterhof- und Dachbegrünung, den Erhalt von Baulücken auch durch Rücknahme von Baurechten etc. zu nutzen. Zugleich blieben diese Entlastungsräume sehr verwundbar.

Relevant für eine klimaoptimierte Stadtentwicklung seien nicht zuletzt die sozialräumlichen Strukturen: Hier müsse der klimatologischen Benachteiligung sozial belasteter Bereiche begegnet werden. Eine Nachverdichtung habe jeweils höchsten stadtklimatologischen Anforderungen zu genügen!4

[Update, 15.01.10: Inzwischen hat uns Carl Herwarth von Bittenfeld dankenswerterweise seinen ausformulierten Vortrag „Klima Berlin – erste Arbeitsergebnisse“ zur Verfügung gestellt, der hier, schon weil wir nur allzu knapp darauf eingehen konnten, als PDF (52 KB) runtergeladen werden kann.]

Podiumsunterhaltung

Podiumsplauderei

Podiumsplauderei

Im Anschluss an zu Bittenfeld, der von rbb-Moderator Henneberg quasi mit der Stoppuhr in der Hand nur max. 11 Minuten für seinen Beitrag bewilligt bekam und sich sichtlich stressen ließ, kam es zu einer kurzen Podiumsdiskussion, oder besser gesagt, -unterhaltung zwischen

  • Prof. Elke Pahl-Weber − Leiterin des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung
  • Claudia Gotz − Executive Director, Urban Land Institute Germany
  • Prof. Dr. Jürgen Baumüller − Stadtklimatologiedirektor a.D., Stuttgart sowie
  • Prof. Dr. Stefan Heiland − Fachgebiet Landschaftsplanung und -entwicklung an der TU Berlin

Wir schenken uns eine nähere Vorstellung der GesprächsteilnehmerInnen, nicht zuletzt weil sie trotz oder gerade wegen der mitunter bewusst provozierenden Anmoderation Hellmuth Hennebergs sich eher ein wenig mit dem Moderator  kabbelten, untereinander hingegen vorwiegend friedlich-einmütig parlierten bzw. monologisierten als kontrovers zu debattieren. − Erst in Reaktion auf die vier, allenfalls fünf Wortmeldungen aus dem Publikum, da nur lächerlich wenig Zeit zur Verfügung gestellt wurde, kam es auf dem Podium zu dosierten Divergenzen.

Prof. Baumüller legte Wert auf die Feststellung, dass in der Bauleitplanung Stuttgarts, seiner früheren Wirkungsstätte als Direktor für Stadtklimatologie, klimatische Aspekte schon seit Jahrzehnten berücksichtigt worden seien, denn im Vergleich zum Umland sei angesichts einer Differenz von bis zu zehn Grad infolge Motorisierung und Versiegelung innerstädtisch der Klimawandel ja längst eingetreten. Fünfzig Watt pro Quadratmeter gingen bspw. in Berlin als künstliche Wärmeenergie in die Atmosphäre. − Stadtentwicklungskonzepte seien zunächst einmal rechtlich überhaupt nicht verbindlich, sondern müssten Eingang in die Flächennutzungspläne finden, um die Umsetzung festzuschreiben. − Da die Sonneneinstrahlung aber erst ab 2030 gravierend zunähme, könnten wir uns mit der Entwicklung von Adaptionskonzepten durchaus noch Zeit lassen. Baumüller machte angesichts befremdeter Reaktionen im Publikum später aber noch einmal deutlich, dass es keine Zeit mehr für effektive Klimaschutzmaßnahmen gebe.

Frau Prof. Pahl-Weber erkannte in der siedlungsstrukturellen Typisierung den richtigen Ansatz, riet aber, um wirksam das Klima zu schützen, dringend zu Partnerschaften mit Städten aus Entwicklungsländern, um sie von unseren Fehlern abzuhalten, da unser eigener Beitrag hierzulande doch viel zu geringe Wirkung entfalten könne. − Auf Förderprogramme für Kommunen angesprochen, stellte Frau Pahl-Weber klar, dass sie eine Forschungsabteilung des Bundesbauamts im BMVBS leite, die keine einzelnen Kommunen fördern könne, sondern nach einem querschnittsorientierten Ansatz arbeite, fokussiert auf die private Immobilienwirtschaft −, doch in der Förderung von Baugenossenschaften, wie sie sich in Berlin vermehrt gründeten, sehe sie einen richtigen Weg.

Prof. Heiland hinterfragte den Aufruf an die zivilgesellschaftlichen Akteure, nach dem Scheitern von Kopenhagen nun die Sache eigeninitiativ anzugehen: Hier gehe es nicht nur um 190 Repräsentanten souveräner Staaten, sondern um Millionen Einzelner, von denen doch jeder warte, dass der andere anfange, weil es keinen Anreiz gebe, selber aktiv zu werden. Zudem träfen mit der Zivilgesellschaft und der Verwaltung zwei völlig unterschiedliche Welten aufeinander, und er könne keine Lösungen aus dem Hut zaubern, wie hier ein fruchtbarer Dialog anzustoßen sei. [Unser Dialogversuch mit dem Herrn Professor ist, wie berichtet, ja ebenfalls gescheitert.] − Frappierend war auch Heilands Identifizierung eines Zielkonflikts zwischen Klimaschutz und Anpassung an den Wandel: So könnte Baumbestand den Effekt von Kaltluftentstehungsgebieten vereiteln, Aufwuchs müsste ggf. verhindert werden, wenn er Luftschleusen blockiere, und in Wohnstraßen seien großkronige Straßenbäume schon deshalb ungeeignet, weil sich darunter die Autoabgase stauten, wodurch die Gesundheit der Anwohner gefährdet würde. − Da fragte Prof. Baumüller denn doch verwundert, weshalb es in dreißig Jahren noch Autoabgase geben solle.

Wie gesagt, für Fragen und Statements aus dem zahlreich erschienenen und fast vollzählig bis zum Schluss ausharrenden Publikum blieb kaum mehr Zeit; überziehen darf bekanntlich nur Gottschalk im Fernsehen.

Fragen aus der Zivilgesellschaft

Gefragt wurde von einem BaL-Vertreter, weshalb sich der Senat bei seinem offenbar hohen Problembewusstsein, seinen ambitionierten Strategie-Plänen und Absichtserklärungen standhaft weigere, anlässlich von dessen Sanierung die Förderung und Entwicklung des LWK und seiner Grünzüge in seine klimaoptimierte, nachhaltigkeitsorientierte Stadtentwicklungsplanung aufzunehmen, indem er die Federführung für eine integrierte Gesamtplanung mit Einbeziehung stadtökologischer Aspekte übernehme, auch wenn Tausende von BürgerInnen dies explizit fordern; sondern statt dessen lieber für eine 08/15-Gestaltung des Gleisdreieck-Parks mit schwerem Gerät ökologisch wertvollste Ruderalvegetation einer ehemals einzigartigen innerstädtischen Brachlandschaft schleife und mit einem versiegelten, kehrmaschienengerechten Wegenetz überziehen oder kürzlich die letzten zusammenhängenden Gehölze im östlichen Tiergarten durch ein ebensolches Wegenetz zerstückeln lasse.

Ein Vertreter von MediaSpree versenken fragte sinngemäß, warum sich der Senat beharrlich der Umsetzung des erfolgreichen Bürgerentscheids zum „Spreeufer für alle!“ widersetze.

Und ein Vertreter des Graefekiez’ wollte wissen, weshalb die Anpassungsstrategie an den Klimawandel die bestehenden Strukturen des Immobilieneigentums fördern müsse, welche doch Segregation und Gentrifizierung Vorschub leisten und alteingesessene, aber einkommensschwache Bevölkerungsteile zunehmend aus dem Kiez verdrängen würden.

Die Stadtentwicklungssenatorin schlussfolgert

Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer

Stadtentwicklungssenatorin Junge-Reyer

Senatorin Ingeborg Junge-Reyer, die laut Programm-Ankündigung Schlussfolgerungen aus den gehörten Beiträgen der Wissenschaftler ziehen wollte, berichtete zunächst von ihrem Erschrecken, als sie gehört habe, nach dem Gipfel-Scheitern läge nun alle Verantwortung fürs Handeln gegen den Klimawandel bei den Kommunen,  wiewohl sie durchaus die Verpflichtung der Verwaltung zu konkretem Handeln anerkenne. Doch „wir haben schon ein ungeheures Grünvolumen in unserer Stadt, das wir bewahren wollen.“ Für die auf dem Tempelhofer Feld [von Senatsbaudirektorin Lüscher ungeachtet des „mehrstufigen Beteiligungsverfahrens“ ganz ohne BürgerInnen-Votum] geplante IBA seien die Kernthemen: a) die soziale Integration, b) die Investorenfreundlichkeit und c) die ressourceneffiziente, klimagerechte Stadt.

Dann aber nahm die Senatorin, indem sie sich zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft bekannte und unter diesem Aspekt die Podiumsdiskussion gleichfalls allzu gemütlich fand, die Wortmeldungen der verschiedenen Initiativen zum willkommenen Anlass, statt Schlussfolgerungen zu ziehen, sich auf die Ebene von Kleinklein, Hickhack und Gegrantel zu begeben [zu den Details siehe unsern Videoclip ganz unten!]: Die Verantwortung für den 11 km weit fünf innerstädtische Bezirke durchfließenden LWK verortete sie mal wieder beim Vorhabenträger WSA, also dem Bund, der dafür zu sorgen habe, „dass die Bäume nicht ins Wasser fallen“ und die Grünzüge mit ihrer ökologischen und sozialen Funktion erhalten blieben. Dazu brauche es keiner weiteren Planungen, sondern konkreten Handelns. [Siehe hier auch die Antwort Staatssekretärin Krautzbergers auf die Kleinen Anfrage zur stadtökologischen Sanierung des LWK von Marion Plattas (Die Linke) vom 21.12.09]

Im Hinblick auf den Graefekiez wunderte sich die Senatorin, dass es früher darum gegangen sei, die Abwanderung von Reichen aus der Innenstadt ins Umland aufzuhalten, es nun aber, da Besserverdienende wieder zurückkehrten, auch wieder nicht recht sei. „Dabei brauchen wir sie im Kiez, damit es dort Läden zum Einkaufen gibt.“ − Wir ersparen uns mal, diese wohl ausreichend für sich selbst sprechende Einlassung zu kommentieren und hoffen auf Verständnis…

Und dann erfuhr die Zivilgesellschaft, dass sich der Senat die Parole „Spreeufer für alle!“ gar als „Leitbild“ zueigen gemacht habe −, doch wenn dann so eine Strandbar einen Teil des Ufers abzäune, um Eintritt nehmen zu können, und dies von der Initiative auch noch unterstützt werde, „weil der Besitzer mal zu einem Bier einlädt“, dann findet das Frau Junge-Reyer selbst auf die Gefahr hin, platt zu werden, nicht in Ordnung. − Während nun aber das Angesprochene ein Problem von gestern und längst geklärt ist, der Bezirk F’hain-Kreuzberg inzwischen aber ohne BürgerInnen-Beteiligung ausgearbeitete Bebauungspläne auf den Tisch legt, welche u.a. die Kernforderung eines 50 Meter breiten, öffentlich zugänglichen Uferstreifens verletzen, mit dem Erfolg, dass die BI „MediaSpree Versenken“ den Sonderausschuss Spreeufer längst verlassen hat, erleichtert natürlich der Senatorin die Unterstützung jener Parole. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie dagegen ein wichtiges Instrument direkter demokratischer Beteiligung, nämlich den Bürgerentscheid, noch mit der Bemerkung abgewertet und beschädigt, es sei in Kreuzberg nun mal nicht schwer, 30.000 Unterschriften gegen irgendwas zu sammeln.

Und aus aktuellem Anlass beschloss Frau Junge-Reyer ihre Schlussfolgerungen mit der Absichtserklärung, das Monopol der S-Bahn zu brechen. Diese soll also nicht etwa rekommunalisiert werden, sondern offenbar auf demselben Schienennetz die harte Konkurrenz weiterer privater Anbieter erfahren.

So reichte denn der Spannungsbogen dieser gut dreistündigen Veranstaltung von den drängendsten Fragen, denen sich die Menschheit zu Beginn des Agenda-Jahres und einer wohl entscheidenden Dekade des 21. Jahrhunderts gegenüber sieht, bis hinunter in die tiefste Berliner Provinz.


4 [Herwarth + Holz wurden übrigens von SenStadt auch mit der „Städtbaulichen Rahmenplanung Luisenstadt“ betraut und haben anlässlich eines 1. Bürgerabends am 20.10. durchaus diskussionswürdige Überlegen und von einem gewissen Problembewusstsein kündende Vorentwürfe präsentiert. − Deshalb sei an dieser Stelle auf den 2. Bürgerabend verwiesen [hier der offizielle Einladungsflyer (2 MB mit langer Ladezeit)], der am 13. Januar, 18 bis 20 Uhr, erneut in der [diesmal hoffentlich beheizten!] St. Michael-Kirche, Waldemarstraße 8-10 veranstaltet wird und Rechenschaft darüber geben soll, wie die Vielzahl der artikulierten Interessen und Bedürfnisse, Anforderungen, Anregungen und Vorschläge der BürgerInnen Eingang in die Vorplanungen gefunden haben, und dies vor dem Hintergrund, dass am 1.12.09 eine geschlossene Veranstaltung nur mit „Gebietsexperten − Institutionen, Eigentümern, Verwaltungen“ zur Rahmenplanung stattgefunden hat.]

Klimawandel, Wassermangel und Schifffahrt

Kürzlich berichtete die Presse über das Memorandum des Potsdamer Instituts für Klimafolgenforschung (PIK) vom 12.10.09, wonach ungeachtet des gefühlten feuchten Sommers und Herbstes zu geringe Niederschlagsmengen in Seen, Teichen und Flüssen wie Elbe, Oder, Havel und Spree abermals zu dramatischen Wassertiefständen geführt und die Schifffahrt teilweise zum Erliegen gebracht hat. Die Fischerei hat herbe Umsatzeinbußen zu verzeichnen, die Elbeschifffahrt ihr Transportaufkommen schon deutlich reduziert, aber viel schlimmer noch: Feuchtgebiete wie der Spreewald drohen trocken zu fallen, und wie auch schon in den vergangenen Jahren trockneten Flussläufe teilweise völlig aus, wodurch ganze Tierpopulationen verschwanden: „Allein 2006 sind in der Krummen Spree mehrere Millionen Muscheln verendet, das merkt man an der Wasserqualität. Denn es sind unsere billigsten Kläranlagen“, erklärte der Präsident des LUA Brandenburg, Matthias Freude, gegenüber dem Tagesspiegel. Und laut Potsdamer Neueste Nachrichten sind „die Klima-Szenarien der vergangenen Jahre […] nach Erkenntnis der Forscher bereits Realität geworden.“

In diesem Zusammenhang erinnern wir uns des vergeblichen Bemühens zu Beginn des Mediationsverfahrens, zum Thema „Klimawandel und Kanalsanierung“ einen Referenten des PIK zu gewinnen, doch auch von der TU Berlin, wo Wissenschaftler die PIK-Szenarien auf den Berlin-Brandenburger Raum „heruntergebrochen“ haben, zeigte sich niemand bereit, das Mediationsforum zu unterrichten. Schließlich kam Dr. Finke von der BfG und berichtete über „die Entwicklung des Spreezuflusses nach Berlin und den Landwehrkanal vor dem Hintergrund des Bergbaus und des Klimawandels“ und warnte vor allem vor dem hohen Unsicherheitsfaktor und der Fehleranfälligkeit jenes „Herunterbrechens“ des Globalen und Regionalen aufs Lokale. Zudem seien Wasserstand und Abflussverteilung im LWK weitgehend anthropogen bestimmt, mit Mühlendamm- und Klein-Machnow-Schleuse als den Hauptstellschrauben, und der Zufluss nach Berlin sei bis 2050 mehr von der Entwicklung des Braunkohletagebaus als von der des Klimas beeinflusst. Prognosen seien beim GLOWA-Elbe-Projekt auch gar nicht so entscheidend als vielmehr die von der Forschung entwickelten Bausteine, die Toolbox, welche die verschiedenen Stakeholder ab 2010 für ihre jeweiligen Entscheidungsfindungen nutzen sollten.

Derweil hatten, wie berichtet, SenStadt und SenGUV schon längst das PIK und andere beauftragt, Studien über die Auswirkungen des „Klimawandels auf die Kulturlandschaft Berlins“ und Handlungsanweisungen für die „Anpassung an den Klimawandel in der Metropolenregion Berlin“ zu erstellen. In dem im Sommer dieses Jahres vorgelegten Bericht heißt es dann auch resümierend: „In Diskussionen mit der EU- und Bundesebene sollte Berlin insbesondere auf eine Neuausrichtung von Natura 2000 und anderen Schutzgebietskulissen hinwirken. Der anhand einzelner Arten abgeleitete Schutz innerhalb kleiner und mitunter fragmentierter Schutzgebiete muss verstärkt auf die Ziele des Artikels 10 bezogen, d.h. die Verbundräume müssen gestärkt werden. Die funktionalen Beziehungen in Schutzarealen müssen stärker betont werden, und diese Areale sind besser zu vernetzen bzw. auch zu vergrößern, um Wanderung von Arten zu unterstützen. Entsprechend müssten die Biotopverbundplanungen weiterentwickelt werden und sich Leitbilder und Zieldefinitionen des Naturschutzes ändern. Landschaftsplanung und das Landschaftsprogramm sowie darauf beruhende Pläne und Programme müssten angesichts des Klimawandels neu justiert werden.“

Soweit die Wissenschaftler und ihre Theorien. Die Politik hat bekanntlich ganz andere Sorgen, sieht sich von Haushaltszwängen eingeklemmt, von chronisch leeren Kassen umzingelt und muss, abgesehen vom Zinsenzahlen und Schuldentilgen, das geborgte Geld weitestgehend dafür verwenden, Berlin nachzuverdichten und zu versiegeln, um es als Investitionsstandort aufzumotzen.

Arbeit am „Grünen Leitbild Berlin“

Nachricht von einem Symposium

Aus Anlass der 42. Verleihung des Peter-Joseph-Lenné-Preises 2009 für den Nachwuchs in Landschaftsarchitektur und Freiraumentwicklung veranstalteten SenStadt und seine Grün Berlin GmbH letzten Donnerstag (1.10.) im gläsernen Bau der Akademie der Künste am Pariser Platz ein Fachsymposium „Grünes Leitbild Berlin“ mit Referenten aus Frankreich, Italien und Deutschland.

Es hieß, dies sei die Auftaktveranstaltung und -diskussion zur Arbeit an genanntem Leitbild, der weitere folgen sollen. Vornehmlich VertreterInnen von Senat und anderen Verwaltungen, Gartenamtsleiter, Landschaftsplaner- und -architektInnen füllten das Halbrund der Stuhlreihen; manche der ohnehin nicht zahlreichen Plätze blieben allerdings leer. Zwei Mitglieder von Umwelt- und Naturschutzverbänden waren zu entdecken, aber nur ganze drei BürgervertreterInnen, und die hatten sich quasi selbst einladen müssen.

Wir können uns hier leider nicht mit den aufschlussreichen und inspirierenden Referaten zu den „grünen Ambitionen“ Amsterdams, Barcelonas, Paris’, Mailands oder auch Essens auseinandersetzen, geschweige mit den dortigen Projekten im einzelnen, worüber wir uns zunächst noch kundiger machen müssen, doch sei dennoch − vielleicht allzu summarisch − gesagt, dass jedenfalls auch in anderen europäischen Metropolen im Angesicht des Klimawandels die Beteiligung der Zivilgesellschaft, der Bürger- und AnwohnerInnen am ökologischen Stadtumbau auf dem zentralen Gebiet der Landschaftsgestaltung und Freiraumplanung nicht eben groß geschrieben wird – Agenda-21-Prozess und Leipziger Charta, welche doch zumindest für die Großstädte der EU gelten sollen, hin oder her. Exemplarisch sei hier die Auskunft des Beiträgers aus Frankreich zitiert, des Schweizer Kulturgeschichtlers und Publizisten Joseph Hanimann, einem Mitstreiter im stadtplanerischen Projekt Le Grand Paris, mit dem Präsident Sarkozy seine Wahlversprechen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung einzulösen versucht: „Mit den Bürgern“, so Hanimann „haben wir nicht gesprochen.“

Neben der Selbstdarstellung der Senatsverwaltung wollen wir kursorisch nur auf den gemeinsamen Beitrag Carlo Beckers (bgmr) und Friedrich von Borries (Raumtaktik) eingehen, da er sich eben mit dem Berliner Leitbild befasste [siehe unten].

Warum braucht Berlin ein Grünes Leitbild?

In ihrem Grußwort sprach Staatssekretärin Maria Krautzberger namens der Landesregierung von der Notwendigkeit einer strategischen Neuausrichtung. Die Bedeutung urbaner Grünräume nicht nur für die Lebensqualität der Stadtbevölkerung und die touristische Attraktivität, sondern auch als Wertsteigerung von Wohnquartieren und zunehmend harter Standortfaktor im Wettbewerb um Investitionen seien bekannt. − Verglichen mit den „grünen Ambitionen“ von New York bis Paris aber habe Berlin bereits einiges vorzuweisen.

Und so wurde das bekannte Tableau der grünen Metropole entrollt, der nach Wien waldreichsten Europas: das Stadtgebiet zu über vierzig Prozent von Grünflächen, Wald und Wasser eingenommen, mit nach Naturland und FSC zertifizierter Waldbewirtschaftung, 38 Naturschutzgebieten, davon 15, die insgesamt 7,1 Prozent der Landesfläche ausmachen, den Natura-2000-Standards genügend; das Stadtgebiet grün strukturiert durch den inneren Parkring aus Volksparks, Friedhöfen und Kleingartenkolonien um die City, deren grünes Herz der Große Tiergarten sei, und den äußeren, von Seen geprägten Parkring; diese Ringe verbunden durch ein „grünes Achsenkreuz“ − das „Grüne Band“ des ehemaligen Mauerstreifens als Vertikale −, welches ein Netz von Grünzügen und Uferpromenaden symbolisieren und verinselte Elemente des Freiraumsystems verbinden solle; zusammen über 2.500 Parks und Grünanlagen, historische Schmuckplätze, Gartendenkmale und ökologisch besonders wertvolle alte Friedhofsanlagen − und nicht zuletzt 428.000 Straßenbäume.

Diesen Schatz gelte es zu bewahren und weiterzuentwickeln, was besonders seit dem Mauerfall in bedeutendem Umfang habe geschehen können. Im Rückgriff aufs Landschafts- und Artenschutzprogramm sei das Freiraumsystem im Rahmen eines gesamtstädtischen Ausgleichsprogramms durch 16 Parkprojekte ergänzt worden, wovon 13 bereits verwirklicht seien, Mitte dieses Jahres z. B. der Landschaftspark Rudow-Altglienicke. Im Nordosten der Stadt entstehe mit der „neuen Landschaft“ auf dem Barnim das vierte große Naherholungsgebiet der Stadt. − Und besonders auch entlang ihrer Flussläufe, etwa der Spree, sei Berlin grüner geworden…

Brachliegende Industrie- und Bahnanlagen wie das Gleisdreieck böten neue Möglichkeiten für die Gestaltung von Park- und Grünanlagen, ebenso die aufgegebenen bzw. demnächst der Schließung entgegen sehenden Flughäfen Johannisthal, Tempelhof und Tegel, wobei die Gestaltung des Tempelhofer Felds das derzeit anspruchsvollste Projekt sei und Flora und Fauna im Sinne von Biotopverbund, Erhaltung der Biodiversität sowie der positiven Wirkung aufs Stadtklima in besonderem Maße zu berücksichtigen seien.

Hier kam die Staatssekretärin auch auf die immer wachsende Bedeutung von Umweltbildung und Grünen Lernorten zu sprechen, pries den zum zweiten Mal mit außerordentlichem Erfolg veranstalteten Langen Tag der Stadtnatur mit seinen über 100.000 Besuchern, erwähnte Ökowerk, grüne Waldschulen und Freilandlabore, die sich auf dem Tempelhofer Feld ansiedeln ließen und gab sich zuversichtlich, dass die Bewerbung Berlins für die Ausrichtung der Internationalen Gartenbauaustellung (IGA) 2017 auf diesem Areal demnächst auch den Zuschlag erhält.

Gute Absichten

Zur Grüngestaltung gebe es eine vorbildliche Planungsstruktur mit dem im Flächennutzungsplan auf allen Ebenen fest verankerten Naturschutz sowie speziellen Plänen wie dem Friedhofs- oder dem (wenngleich einige Schwierigkeiten bereitenden) Kleingartenentwicklungsplan und etliche weitere Planwerke. Diese setze die Senatsverwaltung gemeinsam mit den Berliner Forsten und bezirklichen Grünflächenämtern, der Grün Berlin GmbH und einer Vielzahl gesellschaftlicher Akteure um: von den Umwelt- und Naturschutzverbänden und Vereinen über die Stiftung Naturschutz Berlin und die der Allianz bis zu den FlaneurInnen, mit denen das Netz der „20 grünen Hauptwege“ verwirklicht wurde − wovon der längste, der Spreeweg von der Müggel-Spree in Köpenick bis in die Döberitzer Heide, 57 km misst −, und den vielen, sich im Sinne der Agenda 21 engagierenden Bürgerinnen und Bürgern…

Angesichts dieses Gemäldes, das natürlich auch die einschlägigen SenStadt-Webseiten oder die Senatsbroschüre „Das Grüne Berlin“ ausbreiten, könnte sich sogar nach Meinung Frau Krautzbergers für Außenstehende tatsächlich die Frage stellen, wozu es denn bei so günstigen Rahmenbedingungen, einer derart positiven Bilanz und so hochgesteckten Zielen noch eigens eines „Grünen Leitbilds Berlin“ bedürfe.

Und so ging die Staatsektärin nach so viel Grünlicht auch kurz auf die Schatten ein: An erster Stelle natürlich die chronisch prekäre Haushaltslage und daher knappe Finanzausstattung der Grünflächenämter, so dass sich eine Diskrepanz auftue zwischen Entwicklung des Freiraumsystems einerseits, Pflege und Erhalt des Vorhandenen andererseits. − Und der Hinweis, es bedürfe einer mit dem Bau von Wohnquartieren integrierten Entwicklung, kündet von handfesten Nutzungskonflikten.

Spezielle Leitbild-Elemente

Zum „Grünen Leitbild Berlin“ gehöre nämlich bspw. auch die Ermöglichung von Zwischennutzungsformen, also temporärer Grünanlagen. Vor allem aber müsse es die gewandelten Anforderungen und unterschiedlichen Ansprüche ans Stadtgrün, sei’s von Kindern/Jugendlichen und Senioren oder von Menschen mit Migrationshintergrund und aus verschiedenen Kulturen reflektieren oder die zunehmende Verlagerung sportlicher Betätigungen outdoor in die Grünanlagen, Trendsportarten wie Beach Volleyball oder die „Raumpioniere“, von interkulturellen Gärten bis Strandbars.

Greenwashing

Wir haben diese seit geraumer Zeit bei unterschiedlichen Anlässen intonierte Erfolgsstory der Senatsverwaltung deshalb so ausführlich dargestellt, weil sie nach unserer Meinung exemplarisch zeigt, wie unterkomplex, problemvergessen, additiv-beliebig und gerade nicht integrativ bei solchem Herangehen ein Leitbild geraten muss. Zum anderen demonstriert das unermüdliche Repetieren dieser Textbausteine, wie resistent sich die Verantwortlichen trotz aller Lippenbekenntnisse zum „kontinuierlichen Dialog mit möglichst vielen Beteiligten“ gegenüber der vielstimmigen Kritik von Umwelt- und NaturschützerInnen, aber auch von den zahlreich sich engagierenden BürgerInnen erweisen, die an vielen der aufgezählten Orte ausgesprochen leidvolle Erfahrungen mit der Park- und Landschaftsgestaltung von SenStadt, Grün Berlin oder auch den diversen Grünflächenämtern gemacht haben und tagtäglich machen.

Ums Berliner Stadtgrün jedenfalls ist es mittlerweile so schlimm bestellt, dass deswegen „Baumpapst“ Prof. Balder auf dem diesjährigen Baumforum schon ein Pedant zum Waldschadensbericht forderte. 1.500 Straßenbäume verlieren wir nach Zählungen des BUND alljährlich, ohne dass sie ersetzt würden, und eine ausgeglichene Baumbilanz weisen nur noch ganze zwei Stadtbezirke auf. Die immer knapperen Mittel der Grünflächenämter haben vielerorts längst zum Pflegenotstand geführt, indem sie keine fachlich qualifizierte gärtnerische Pflege mehr zulassen, sondern nur mehr eine rein reaktive, um der Verkehrssicherungspflicht zu genügen. Denn damit dies möglichst billig geschieht, wird outgescourct, und es kommt allenthalben zur Kaputtpflege mit der Kettensäge.

Gelder fließen nur in die sogenannte historische Rekonstruktion von Parkanlagen und Gartendenkmälern, wobei dann offenbar die Anlagen in jenen Zustand zurückgeschnitten werden sollen, worin sie sich zum Zeitpunkt ihrer Eröffnung befanden. Wie damit in Zeiten des Klimawandels, des Artensterbens und der feinstaubverseuchten Verkehrsadern das Andenken eines Lenné oder Erwin Barth geehrt werden soll, erschließt sich nur den Eingeweihten. Zahlreichen innerstädtischen Parks wie z. B. der Kleistpark sollen auf Grund der Bereitstellung von EU-Mitteln demnächst jenes Schicksal blühen, wovor BürgerInnenengagement den Grünzug entlang des ehemaligen Luisenstädtischen Kanals in Kreuzberg (wenigstens teilweise) bewahren konnte: Aller „Wild“- und Unterwuchs wird ausgejätet und gefällt, um Sichtachsen freizulegen, Transparenz zu schaffen und sog. Angsträume zu beseitigen. Jüngstes haarsträubendes Beispiel (nach unserer Kenntnis) der Cherusker Park in Schöneberg.

Die Forderungen von Fachkundigen, Naturschutzverbänden und engagierten BürgerInnen, eigendynamische Entwicklungen, natürliche Verjüngung, Biotopholz, kurz: mehr Wildnis im urbanen Raum zuzulassen − und zwar nicht nur wegen des Artenschutzes und Naturerlebens, sondern durchaus auch aus monetären Gründen − und vor allem das Totschlagsargument „Verkehrssicherungspflicht“ endlich zu entschärfen, stoßen seit Jahren auf taube Ohren.

Wie die Gewinnung neuer Parkflächen auf Bahnbrachen wie dem Gleisdreieck aussieht, zeigt das weitgehend gerodete und planierte Gelände des ehemaligen Anhalter Güterbahnhofs [siehe auch hier]. Der Verlust eines europaweit einzigartigen innerstädtischen Ensembles von Biotopen ist zu beklagen! Jetzt wendet sich Grün Berlin dem Westteil des Areals auf Schöneberger Gebiet zu und will nördlich der U2 mit Ausgleichsmitteln eine monströse multifunktionale, selbstverständlich versiegelte Sportfläche schaffen. Ob dies mit A&E-Geldern überhaupt zulässig ist, wird derzeit geprüft. Anschließend geht’s an den „Flaschenhals“, der nach Auskunft einer BUND-Vertreterin ökologisch noch wertvoller ist als das „Wäldchen“ im Ostteil.

Wenigstens für diese Restbrache sollten die Naturschutzverbände dringend eine Unterschutzstellung fordern, wie sie es auch für das 108 Hektar große Gelände des Biesenhorster Sand zwischen Lichtenberg und Marzahn-Hellersdorf in Karlshorst getan haben, ebenfalls eine Bahnbrache mit enormem Reichtum an seltenen und gefährdeten Arten, in dessen Erhalt NABU-Aktive seit zwanzig Jahren viel Zeit und Kraft investieren, das aber nächstens womöglich von einer Autobahn, der Osttangente, zerteilt werden soll.

Tempelhofer Parklandschaft als anspruchvollstes Projekt

Beim ehrgeizigen Projekt der „Erschließung“ des Tempelhofer Felds, womit vorsorglich schon mal Grün Berlin betraut wurde, derweil auf virtueller wie realer Ebene schon seit etlichen Jahren eine „mehrstufige“ Bürgerbeteiligungsmaschinerie läuft mit Online-Dialog, Bürgerversammlungen und -befragungen (wie letzten Juni, wo 6000 nach dem Zufallsprinzip ausgewählte BewohnerInnen der Anrainerbezirke ihre Meinung zu vier Planungsentwürfen kundtun sollten) und nun − nachdem unterm Motto „Tempelhof für Alle!“ schon nachdrücklich am Zaun gerüttelt wurde, sich BürgerInnenbeteiligung plötzlich in der Teilnahme an kostenlosen Bustouren und geführten Spaziergängen artikulieren soll, natürlich auch in Diskussionen besagter Entwürfe und im Einbringen eigener Vorschläge −, nun will der Senat „Ende des Jahres einen offenen landschaftsplanerischen Ideen- und Realisierungswettbewerb ausloben, in dessen Wettbewerbsvorgaben die Anwohnerwünsche einfließen werden“.

Hier ist selbstredend ganz besondere Wachsamkeit angezeigt, damit eine ökologisch zukunftsweisende Wohnbebauung am Rande der großen Weite einer ausgedehnten Parklandschaft mit „multifunktionalen“ Rändern nicht die heftig umworbenen Angehörigen der arrivierten Kreativwirtschaft um den Preis anzieht, dass infolge allgemeiner Wohnwertsteigerung auch in den Nachbarbezirken − Stichwort: Gentrifizierung − sozial Schwächere verdrängt werden. Bei einer solchen Versöhnung von Ökologie und Ökonomie bliebe das Soziale und Gerechte einmal mehr auf der Strecke: einer unabdingbaren breiten Akzeptanz grüner Modellprojekte nicht unbedingt förderlich.

Für naturnahe, frei zugängliche  Gewässerufer!

Dass Frau Krautzberger ihre Behauptung, besonders entlang der Gewässer sei die Stadt grüner geworden, ausgerechnet mit Verweis auf die Spree belegt, zeugt schon angesichts deren in der City massiv eingemauerten und mit sterilem Designer-Grün gezierten Lauf von einiger Unverfrorenheit. Dass aber der Senat gewillt scheint, am ohne zureichende öffentliche Partizipation geplanten MediaSpree-Projekt in F’hain-Xberg stur festzuhalten und sich über den erklärten mehrheitlichen Bürgerwillen, die Flussufer grün, unverbaut und frei zugänglich zu halten, hinwegzusetzen, wenn der Bezirk nicht pariert, also Kompromisse schließt, die von den Kernforderungen des siegreichen BürgerInnenentscheids nur kümmerliche Reste übriglassen, zeigt schlagend, welchen Stellenwert die herrschende Stadtplanung dem Erhalt und der Entwicklung von Grünräumen einerseits, der BürgerInnenbeteiligung andererseits zumisst.

Selbstverständlich ließ die Staatssekretärin auch unerwähnt, dass es nicht der Senatsverwaltung, sondern dem Einsatz von BürgerInnen, Naturschutzverbänden und engagierten PolitikerInnen zu danken ist, dass ein Kahlschlag am LWK verhindert wurde, denn für den ist ja angeblich der Bund alleinzuständig. − Doch zurück zum Leitbild:

Ein impressionistischer Entwurf

Die Suchbewegung in Richtung „Grünes Leitbild Berlin“ mit der Perspektive 2040, wie sie Prof. Carlo Becker vom Planungsbüro bgmr und Dr. Friedrich von Borries von raumtaktik (mit nur vier Wochen Zeit) unternahmen, schien uns, ums gleich vorwegzunehmen, trotz gegenteiligen Versicherns methodisch doch noch ein Stück weit in der Postmoderne zu stecken, im Betonen des Polyphonen und Polyvalenten mit der Gefahr einer Beliebigkeit des anything goes.

Frappierend zunächst, einfach anhand von Google-Hits zu zeigen, wie wenig zumindest im Web die „grüne Metropole“ Berlin im Vergleich zu Paris, London oder gar dem Spitzenreiter New York, dessen Stadtgebiet doch nur 15 Prozent davon aufweist, mit dem Schlagwort grün assoziiert wird.

Die Abfolge verschiedener Leitbilder der Stadtplanung/-entwicklung, verschiedener Leitbildstrategien seit den 1980ern – von der ökologischen Forderung des Waldumbaus der Fichten- und Kiefer-Monokulturen zum Leitbild „Ökologie in der Großstadt“, „Natur in die Stadt“, über die Forderung gleicher Lebensqualität in Ost und West zu Leitbildern, die auf die bewusster werdende Klimakrise antworten, wie das des ökologischen Fußabdrucks, der Klimaneutralität und CO2-Freiheit bis hin zum offiziell beschlossenen Hamburger Leitbild „Wachsen mit Weitsicht“… − dieser schnelle Paradigmenwechsel zeige die geringe Halbwertzeit unserer Leitbilder. Nun stehe erneut ein Update an im Ausgang von der Frage, auf welche gesellschaftlichen Transformationsprozesse ein solches Leitbild reagieren müsse, seien es Migration, Segregation, Parallelwelten, Pluralität der Lebensstile, andererseits aber auch die Notwendigkeit lokaler Klimaadaptionen.

Multicodiertheit des urbanen Grün

Auf die Multicodiertheit des Begriffs Grün wurde viel Wert gelegt und durch seine Skandierung in den elf(?) Hauptidiomen der Metropole augen- und ohrenfällig gemacht. Diese Vielfalt sei integriert zu denken, müsse bspw. verschiedenste sportliche Aktivitäten, interkulturelle Gärten und selbstbestimmtes Guerilla-Gardening einbegreifen, wobei die verschiedenen Interessen und Nutzungsanforderungen quasi zu personifizieren seien: neben, hinter- und übereinander das ästhetische Grün, das repräsentative Grün, das Seniorengrün, das Wassergrün, das sportliche Grün usf. Und es sei zu fragen, welche Raumtypologien zu stärken seien und welche durch neue Interessen und Bedürfnisse entstünden. Insbesondere müsse die Wahrnehmung und Wertschätzung dieser Multicodierung gestärkt werden, aus der ein Patchwork, ein gesellschaftliches Flirren entstünde. Der Teilraum konstituiere sich als Gegenraum, das Grün sei nicht länger der Raum des Grünflächenamts, doch leitend bleibe bei allem die klimatologische Adaption. Ressortübergreifend müsse gedacht werden, und nicht zuletzt sei das Grün ein ökonomischer Raum, weil seine Pflege Geld kostet. − Unterbelichtet blieb u. E. hier der Aspekt der gratis erbrachten Serviceleistung intakten Stadtgrüns, deren Wegfall sich etwa in seinen gesundheitlichen Folgen, sinkender Arbeitsproduktivität, jugendlichem Vandalismus u.ä. als gesellschaftlicher Kostenfaktor niederschlägt.

Becker und von Borries fordern eine Qualitätsoffensive. Das Leitbild müsse als Entscheidungshilfe für die Verwaltung allen genannten Anforderungen gerecht werden, zugleich aber auch das spezifisch Berlinerische in den Mittelpunkt stellen. − Weitere Workshops sollen folgen.

Ranking und Benchmarking

Wie gesagt: für uns flimmert das Bild noch zu viel. Allzu leicht kann die Verwaltung bzw. ihre Delegierten mit Verweis auf die Vielfältigkeit der Interessen und Perspektiven unversehens ihre eigenen schematischen Lösungen durchsetzen. Und natürlich vermissen wir wiederum eine Reflexion über die Modi der Einbindung der BewohnerInnen, der Sicherstellung von Transparenz, offenem Dialog und echter Interaktion.

Verfahrensaspekte und der prozessuale Charakter müssen auch laut Becker und von Borries ebenfalls integriert werden, ausgehend von der Frage, wohin sich die Stadt überhaupt entwickeln will. Hierzu bedarf es einer Trägerstruktur und dann Bündelungs-, und eben Kommunkations- und Beteiligungsstrategien! Das Mediationsverfahren zum LWK könnte nach unserer Meinung in diesem Kontext trotz seiner Schwächen und Grenzen durchaus Vorbildcharakter haben, indem es vor dem Ausgleich zwischen den verschiedenen Bedürfnissen, Interessen und Nutzungsanforderungen der unterschiedlichsten Stakeholders um deren Offenlegung und Rechtfertigung geht. Doch dies muss im Bewusstsein der epochalen Herausforderungen und Existenzkrise geschehen, denen sich unsere Zeit nun mal gegenüber sieht, darf weder Rhapsodie noch Potporrie bleiben, und das Mediieren zwischen zunächst als durchweg gleichrangig begriffenen Interessen mit anschließendem konsensuellem Entscheid über ihr Ranking offenbart in unseren Augen eine immanente Grenze des Verfahrens, wenn sich nicht letztlich und tatsächlich die Stärke des rationalen, empirisch abgesicherten Arguments durchsetzen kann, auch wenn ihm nicht alle Stake- und Shareholder beistimmen!

An der Diskussion der Hauptcrux indessen: dass die SenatsvertreterInnen zwar an der Mediation zur „Zukunft des LWK“ unter Beteiligung von Naturschutzverbänden, Vereinen und AnwohnerInnen teilnehmen, sich aber dann, wenn es um die komplexe, „integriert“ zu planende Qualifizierung dieser grünen, von Lenné konzipierten Ost-West-Achse entlang, inzwischen aber inmitten des Stadtgebiets geht, stur für unzuständig erklären und bzgl. des Bundes geradezu − wie etwa nach der Föderalismusreform im Bildungsbereich − ein Kooperationsverbot beobachten −, diese Diskussion wurde leider gleich im Keim als out of topic abgewürgt, und die entsprechenden Fragen, warum sich z. B. der Senat ausgerechnet bei der Qualifizierung des LWK als integraler Bestandteil der „Grünen Achse“ Berlins ungeachtet aller Kampagnen Engagierter und einschlägiger Stellungnahmen aus dem BMVBS beharrlich für unzuständig erklärt, solche Fragen blieben unbeantwortet.

Leitbild-Kampagne bis Ende 2010

Abteilungsleiter Nagel gab sich in seinem Resümee angesichts der Referate und Diskussionen inspiriert, euphorisiert, ja glücklich. Einerseits sieht er die Funktion eines „Leitbilds Grünes Berlin“ auch darin, die Verwaltungsarbeit zu entlasten, andererseits aber erkenne er die Erfordernis einer regelrechten Kampagne fürs Grün, die es nötig mache, die Arbeit gänzlich neu auszurichten. Dazu bedürfe es neben dem Leitbild aber auch eines Strukturbilds. − Er könne sich den ganzen Tag ärgern (wolle es aber nicht), weil allen Überschwang sofort die Verpflichtung dämpfe, nur das zu planen, wofür auch die investiven Mittel gesichert seien.

Und dann hörten wir wieder von der Absicht, „die verschiedenen Initiativen mitzunehmen“ (die ja z. B. das Gleisdreieck gesichert hätten!), und eine „Balance zu finden zwischen Top down [Beisp. Sarkozy] und unstrukturiertem Bottom up.“ Schließlich bedürf es der Entwicklung von Implementierungsstrategien und eines Benchmarking gelungener Gestaltung.

Im November soll die nächste Veranstaltung folgen: Wir sind gespannt, ob „die Initiativen“ diesmal wenigstens eingeladen, wenn nicht schon „mitgenommen“ werden.

Klimawandel und Kanalsanierung

Vom Wissen zum Handeln

Schon zu Beginn des Mediationsverfahrens zur „Zukunft des Landwehrkanals“, genauer: in der ersten Sitzung des Arbeitskreises Naturhaushalt am 15.1.08, hatten Mitglieder von BI/Verein Bäume am Landwehrkanal auf die Notwendigkeit qualifizierten fachlichen Inputs zu den Auswirkungen der zu erwartenden anthropogenen Klimaveränderungen für die Region Berlin-Brandenburg hingewiesen und z. B. gefragt: Wird es denn in einigen Jahrzehnten im Kanal überhaupt noch Wasser zum Schleusen geben, wenn die Spree schon jetzt sommers zuweilen quellwärts fließt? Welche Bedeutung hat der Kanal mit seinen Grünzügen als Kaltluftschleuse fürs Stadt- und Mikroklima? Oder sein Altbaumbestand als fußläufig erreichbarer Schattenspender in hochsommerlich aufgeheizten Innenstadtquartieren? Bedarf es nicht eines Verkehrskonzepts, das auf die Förderung emissionsfreier Mobilität setzt? Denn auch und vor allem die Antworten auf solche Fragen spielen bei der Gestaltung der Zukunft des LWK eine Hauptrolle.

BürgerInnen-Beteiligung und fachwissenschaftliche Expertise

Von einer SenStadt-Vertreterin, Annette Mangold-Zatti, kam damals der Hinweis aufs Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, dann auf TU-Prof. Heiland, der die PIK-Untersuchungen „auf den Berliner Wasserhaushalt herunter gebrochen“ habe, doch Prof. Heiland verwies auf seinen TU-Kollegen, den Klimatologen Prof. Scherer, der jedoch auf entsprechende Anfragen, in Plenum oder Arbeitskreis zu referieren, leider nicht reagierte.

Schließlich fand sich Dr. Finke von der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) am 13.5.08 zu einem Vortrag über „die Entwicklung des Spreezuflusses nach Berlin und den Landwehrkanal vor dem Hintergrund des Bergbaus und des Klimawandels“ bereit [siehe hier und unseren Bericht]. An diesem Vortrag fiel uns dreierlei auf, wenn wir uns mal selbst zitieren dürfen: „Die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wasserhaushalt in der Region Berlin-Brandenburg werden weit weniger dramatisch dargestellt als von Wissenschaftlern des PIK, obwohl von den gleichen Daten und Szenarien ausgegangen wird; die Möglichkeit, globale Klimaszenarien lokal herunterzubrechen und belastbare prognostische Aussagen zu treffen, wird aus methodischen Gründen bestritten; und die zu erwartenden Probleme möglicher saisonaler Wasserknappheit im LWK werden für prinzipiell technisch lösbar erachtet.“ Und Dr. Finke unterstrich: „Das Entscheidende bei GLOWA Elbe* aber seien weniger die Szenarien und Prognosen als vielmehr die entwickelten Bausteine: dass also ab 2010 die verschiedenen Stakeholder die bereitgestellte Toolbox fleißig für ihre jeweiligen Entscheidungsfindungen nutzen und selber Varianten durchrechnen!“

Damit wurden nicht unbedingt die Fragen beantwortet, welche die BürgerverteterInnen umtrieb, aber gleichwohl sollte es damit offenbar mit dem fachlichen Input zur Thematik Auswirkungen des Klimawandels und ihrer Berücksichtigung bei der Kanalsanierung sein Bewenden haben. Und das fortgesetzte Insistieren von BürgervertreterInnen auf Einbeziehung solcher Fragen auch in die Erörterung wasserbaulich-technischer Sanierungslösungen wurde als Verzögern und Bremsen abqualifiziert.

Senat war schon weiter

Inzwischen haben wir erfahren, dass sich der Senat damals längst nicht nur die gleichen Fragen stellte, sondern SenStadt bereits das PIK und die Gemeinsame Landesplanung Berlin-Brandenburg mit einer Studie zu „Klimawandel und Kulturlandschaft Berlin“ beauftragt hatte, und SenGUV ließ „die besonderen politischen Aufgaben unter dem Titel ’Anpassung an den Klimawandel in der Metropolenregion Berlin − Vom Wissen zum Handeln’ vom Klimaschutzrat 2008 ermitteln, die Ergebnisse sind im ‚Ersten Bericht zum Klimawandel in Berlin − Auswirkungen und Anpassung‘ zusammengefasst“, wie es in einer kürzlichen Pressemitteilung der Senatsverwaltung heißt.

Nun muss das Wissen noch die Planung leiten

Natürlich begrüßen auch BI/Verein BaL nachdrücklich, wenn nunmehr Senatorin Junge-Reyer mitteilen lässt: „Ergebnisse der Studie lassen erhebliche Belastungen für die Kulturlandschaft Berlins erwarten. Besondere Konsequenzen ergeben sich infolge der temperaturbedingten Verstärkung der städtischen Wärmeinsel. Daher muss die Erholungsfunktion von Landschaften gestärkt werden, die Freihaltung von Kaltluftschneisen, die Mehrung von Kaltluftentstehungsgebieten und die Vernetzung kleiner und mittlerer Grünflächen zur Durchlüftung der Stadtquartiere ist entscheidend für den Erhalt städtischer Lebensqualität. Zugleich dient die Vernetzung von Freiräumen dem Austausch der Arten zur Förderung der Biodiversität. Sowohl neue Überlegungen zur Bewässerung von Grünanlagen als auch Schutzmaßnahmen vor Starkregen werden künftig in die Planung einfließen.“

Die erkannte Gefahr, so weiß mensch natürlich auch bei Senatens, ist erst dann gebannt, wenn das „Wissen zum Handeln“ führt −, sei’s auf dem Gleisdreieck, auf dem Tempelhofer Feld, am Spreeufer oder eben entlang der 11 km innerstädtischen Wasserstraße Landwehrkanal, möchten wir ergänzen.

Und auch Umweltsenatorin Lompscher sekundiert in der genannten Pressemitteilung: „Die Wirkungen des Klimawandels sind komplex und können künftig einschneidende Folgen für die Lebensqualität der Berlinerinnen und Berliner, aber auch für die Versorgungsstrukturen der Stadt haben. Um dem zu begegnen, brauchen wir von der Stadtplanung bis zur Gesundheitsversorgung, von Forschung und Bildung bis zum Berlin-Tourismus eine umfassende Anpassungsstrategie. Der Senat von Berlin wird sich den Klimawandel bedingten Herausforderungen mit einem integrierten Klimafolgenmanagement stellen, das eine frühzeitige und umfassende Einbeziehung aller betroffenen Sektoren gewährleistet. Dabei wird er im Rahmen der Umsetzung der deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel eng mit der Bundesregierung und den anderen Bundesländern kooperieren.“

LWK-Sanierung als Testfall

Als konkreten Anwendungsbereich dieser „Anpassungsstrategie“ fordern wir seit längerem − und im Rahmen einer Kooperation von Bund und Land − eine integrierte Gesamtplanung der Sanierung des LWK, welche Aspekte wie

  • Gewässergüte und -durchlässigkeit
  • Vernetzung kleiner und mittlerer Grünflächen zur
    • Durchlüftung der Stadtquartiere
      und der
    • Förderung der Biodiversität (Biotopverbund),
      sowie nicht zuletzt die
  • Lebensqualität von Anwohner- und BesucherInnen

einbeziehen muss und unbedingt erforderlich ist, soll die Sanierung den zukünftigen Herausforderungen gewachsen sein!

Die Federführung dieses Projekts den Bezirken aufhalsen zu wollen, war da ein oberpeinlicher Fauxpas, den nur ein Über- und Umdenken vergessen machen kann. Wie hieß es doch noch im kürzlichen Schreiben des Verkehrsministeriums an ein BI-Mitglied (13.6.09): „Eine abschließende Entscheidung des für die städtebauliche Planung zuständigen Landes steht zur Zeit noch aus.“


* der Untersuchung der Auswirkungen des globalen Wandels auf die Elbregion, siehe auch hier.

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