Wiedergewinnung von Stadt

BürgerInnen-Inititative Bäume für Kreuzberg

Vom 2. Bürgerabend zur Städtebaulichen Rahmenplanung Luisenstadt

Ein Angebot an die BürgerInnen?

Gestaltung

Das Gestaltungskonzept

Die sog. Angebotsplanung von Herwarth + Holz, steht bzw. Anregungen und Kritik des Bürgerabends Numero 2 am vergangenen Donnerstag (13.1.) werden rasch, sehr rasch noch eingearbeitet, denn am 15. Januar, also gestern, war schon Redaktionsschluss: Dann wird der Entwurf zur „Städtebaulichen Rahmenplanung Luisenstadt“ den zuständigen Stadträten von Mitte und F’hain-Kreuzberg vorgelegt, und diese wiederum leiten sie an die beiden Kommunalparlamente weiter − „zur Kenntnisnahme“, wie es heißt.

Der diesmal ausreichend beheizte Kirchenraum war seltsamerweise so abgeteilt und bestuhlt, als würde nurmehr die Hälfte interessierter BürgerInnen erwartet als zur Auftaktveranstaltung am 20. Oktober, doch trotz völlig unzureichender Bewerbung kamen diesmal zur sichtlichen Überraschung der VeranstalterInnen noch deutlich mehr, so dass Frau Thomas von der katholischen Pfarrgemeinde St. Michael auch noch die Treppe als gute Sitzgelegenheit empfehlen musste…

Der Informationsstand der von der geplanten „Wiederentdeckung von Stadt“ Betroffenen − immerhin 22.000 EinwohnerInnen im zweieinhalb qkm großen Planungsgebiet − den wir schon anlässlich jenes ersten Bürgerabends vor drei Monaten bemängelten, hat sich trotz gegenteiliger Beteuerungen zwischenzeitlich kaum verbessert, ja vor der Weihnachtspause hatten sich z. B. auch die Mitglieder der entsprechenden Fachausschüsse der BVV F’hain-Xberg noch wenig bis gar nicht informiert bzw. interessiert an diesem „großen Ost-West-Projekt“ gezeigt, da es doch ganz überwiegend nur Mitte betreffe…

Erste Garnitur der beteiligten Bezirke terminlich verhindert

Podium

Das Podium

Die Damen der Verwaltung, die auf dem Podium Platz genommen hatten: Gudrun Matthes von SenStadt, Abt. IV., mit den Bereichen Stadterneuerung, Soziale Stadt sowie Mittelvergabe gemäß Förderprogramm Städtebaulicher Denkmalschutz; Kristina Laduch, Fachbereichsleiterin Planen im Bezirksamt Mitte, die Baustadtrat Gothe vertrat; und Jutta Kalepky, Baustadträtin von Xhain, in Vertretung von Bürgermeister Schulz −, sie alle gaben sich überzeugt, dass für ausreichende Öffentlichkeitsarbeit gesorgt worden sei, doch außer Pressemitteilungen (die von der Presse nicht aufgegriffen wurden und auch im Web nicht zu finden sind) und die Verteilung von Flyern an die direkten AnwohnerInnen wussten sie wenig aufzuzählen. − Die Pläne hätten bei Bürgerfesten ausgelegen, seien intensiv mit dem Bürgerverein Luisenstadt sowie in „Stadtteilrunden“ diskutiert worden, beeilte sich noch der auch diesmal den Abend moderierende Carl Herwarth von Bittenfeld vom beauftragten Architekturbüro Herwarth + Holz zu ergänzen.

Keine Partizipation2.0 − kein webbasierter Dialog

Gestaltung 02

Gestaltungsvorschläge

Die Anregung, das Internet nicht nur einkanalig als virtuellen Schaukasten, sondern als interaktives, zweikanaliges und dazu unschlagbar kostengünstiges Medium einzusetzen, also mit Wiki, Forum oder wenigstens einer digitalen „Pinnwand“ echten Dialog zu ermöglichen, um bei diesem Großprojekt, das auf Grund seines Bezirks- und Verwaltungsebenen übergreifenden Charakters immerzu, und jetzt auch wieder von Frau Matthes, als modellhaft gepriesen wird, die gesetzlich ja nun mal vorgeschriebene BürgerInnenbeteiligung gleichermaßen modellhaft anzugehen −, dieser schon am vorigen Bürgerabend unterm Motto einer Partizipation2.0 dringend angeratene Weg wurde wieder nicht beschritten. Und das Reden von „wir haben dies und jenes eingestellt“ [was noch nicht einmal stimmte], nährt den Verdacht, dass hier was beharrlich [und vorsätzlich?] missverstanden wird.

Ausgangssituation

Herwarth von Bittenfeld beschreibt die Ausgangssituation

Natürlich ist dieses „Einstellen“ von Unterlagen, Plänen, Protokollen etc. notwendige Bedingung5, denn sonst erhalten, wie mehrere, darunter vor allem jüngere, TeilnehmerInnen zu Recht hervorhoben, die zu „Gebietsexperten“ beförderten BürgerInnen eine Stunde lang eine frontale Breitseite unterschiedlichster Daten, Fakten, Hintergründe und haben dann eine weitere Stunde Gelegenheit zur Replik [„die letzte“, wie die Senatsvertreterin zu allem Überfluss auch noch dramatisierte], aber eben keine Möglichkeit, sich im Vorfeld in Ruhe mit der Materie auseinanderzusetzen (die lt. Herwarth ein 200-Seiten-Kompendium umfasst), mit prinzipiellen wie mit Detailfragen, was doch angesichts der Komplexität des auf eine zehnjährige Umsetzungsphase angelegten Vorhabens selbstverständlich sein müsste. − Und so bleibt eben nur, sich entweder auf Einzelheiten zu kaprizieren, die mehr oder minder direkt den eigenen Wohnbereich berühren, oder allzu abstrakt übers große Ganze zu extemporieren − auf die Gefahr hin, sich in Schlagworten und Gemeinplätzen zu verlieren, was dann auf gleicher Ebene gekontert werden kann und den Nährwert des Austauschs gegen Null tendieren lässt.

Problembewusstsein der Planer6

Leitziele

Leitziele

Erfreulicherweise zeigen Herwarth + Holz, was das Gebot der Stunde, sei’s in ökologischer oder sozialer Hinsicht, angeht, ein beachtliches Maß an Problembewusstsein. Die Planer müssen jedoch den Vorgaben der (Haupt-)Verwaltung nachkommen, die durch allerlei Kampagnen für Klima- und Artenschutz, Grünes Leitbild, Lärm- und Feinstaubminderung oder Förderung des Radverkehrs zwar wenig Nachhaltiges, aber viel fürs Greenwashing tut, an ihren konkreten Taten gemessen, jedoch täglich unter Beweis stellt, das es ihr vor allem um „Aufwertung“ im monetär-materiellen Sinn geht, um in einem unserer Meinung nach völlig überholten Verständnis von „Investorenfreundlichkeit“ die „harten Standortfaktoren“ der urbanen Mitte Berlins zu stärken. Ums zuzuspitzen: Wenn vom Erhalt der „Grünen Metropole“ und unseres „ungeheuren Grünvolumens“ geredet wird, ist hauptsächlich die Tourismusindustrie der Adressat; wenn grüne, soziale und kulturelle Infrastruktur „qualifiziert“ werden sollen, dann vor allem, um die solventere Klientel in der City zu halten oder zur Rückkehr aus dem Speckgürtel zu locken.

Fördermittel von Land, Bund und EU

Frau Matthes betonte also noch mal das besondere Interesse der Senatsverwaltung an der Luisenstadt und resümierte, dass in Fortführung des Stadterneuerungsprogramms aus 66 geprüften Gebieten 13 ausgewählt worden seien, um sie binnen zehn Jahren aufzuwerten, darunter eben die nördliche Luisenstadt, für die nun vorbereitende Untersuchungen liefen, ob sie die Kriterien eines Sanierungsgebiets erfülle, so dass neben den Fördermitteln aus dem Programm Städtebaulicher Denkmalschutz auch solche für Stadterneuerung und -umbau fließen können.

Das städtebauliche Leitbild

Schwerpunktthemen

Schwerpunktthemen

Herwarth von Bittenfeld präsentierte das städtebauliche Leitbild der Rahmenplanung, in das die vielfältigen Anregungen der BürgerInnen eingearbeitet worden seien, ohne freilich auszuführen, welche wo und wie, aber nach Beschluss dieser „Angebotsplanung“ durch die beiden BVVen würden ja erst die einzelnen Projektplanungen ausgeschrieben, und bei deren konkreter Ausführung gebe es für die Betroffenen dann noch viel Gelegenheit, sich einzubringen und mitzuwirken, so dass es sich bei der gegenwärtigen Veranstaltung also keineswegs schon ums Finale handele. Die Botschaft hörten wir wohl −, doch prangen auf den Plänen bspw. schon reichlich hell- und dunkelrote Felder, die entweder Vorplanungen für Neubauvorhaben oder einen bereits verbindlich Planungsstand, nämlich die vielen bereits erteilten Bauvorbescheide signalisieren, das Ergebnis zahlreicher intensiver Arbeitsgespräche, von denen Frau Laduch vom Stadtplanungsamt Mitte berichtete. (Am 1.12. hatte es ferner eine geschlossene Veranstaltung mit den eigentlichen „Gebietsexperten“ gegeben: „Institutionen, Eigentümern, Verwaltungen“, worüber nichts an die Öffentlichkeit gedrungen ist −, doch es wurde versichert, dass denen gar nichts anderes präsentiert worden sei als uns jetzt.)

Die Ausgangslage

Maßnahmen

Maßnahmen

Städtebaulich zeigt die Luisenstadt gegenwärtig nach Westen, zum Stadtzentrum hin (Achse Lindenstraße) eine sehr urbane „Mantelzone“ mit wenig Wohnbebauung und hohem Dienstleistungsanteil, die nordöstlich entlang der Spree stark gewerblich geprägt ist. Nach Südosten hin folgen auf den „Mantel“ lockere Strukturen von mit Gewerbe durchmischter Wohnbebauung und relativ hohem Grünanteil, woran sich dann auf Kreuzberger Seite die „gründerzeitlichen“ Strukturen hochverdichteter Wohnquartiere anschließen, mit Läden, Gastronomie, kulturellen Einrichtungen, Agenturen etc., kurz: der Kreuzberger Mischung vor allem im Erdgeschoss. − Ins Auge springt die Heterogenität der städtebaulichen Struktur, die Koexistenz der Gegensätze, die durch „die Geschichte“ erzeugten Brüche und Brachen, ein Nebeneinander von Zerstörung und Aufbau.

Justierung

Wallstraßenblock

Der Wallstraßenblock

Angesichts dieser Ausgangssituation präsentierten Herwarth + Holz als städtebauliches Leitbild für die Luisenstadt eine „Justierung zwischen der (Über)Urbanisierung der Gründerzeit und der (Unter)Urbanisierung der Moderne.“ In Bewahrung und Nutzung des historischen Gedächtnisses dieses Stadtteils gelte es, seine Gebäudesubstanz (mit Ausnahme einiger abzureißender Lagerhallen am Spreeufer) zu erhalten, behutsam weiterzuentwickeln und zu ergänzen, die Lücken und Brachen zu verbinden und zu vernetzen.

Von der Wiedergewinnung eines Stadtteils zur Wiedergewinnung von Stadt

„Wiedergewinnung von Stadt“ meine in diesem Fall, das Erreichen einer hohen Wohn-, Aufenthalts- und Lebensqualität durch Entwicklung der sozialen, kulturellen und grünen Infrastruktur, Verflechtung der Luisenstadt nach innen und außen, ihre Heranführung „an neue Ufer“, also das der Spree, Schaffung bzw. Stärkung stadtraumbedeutsamer Grünverbindungen, zentraler Orte und des Geschäftszentrums, die Entwicklung der Straßen zu öffentlichen Räumen für AnwohnerInnen, Beschäftigte und BesucherInnen.

Gestaltung

Sebastianblock

Der Sebastianblock

Entlang der Achse Prinzen- und Heinrich-Heine-Straße, also in der „Mantelzone“, soll durch zahlreiche Bauvorhaben über die Schaffung von „Synapsen“ die Verschmelzung beider Stadtteile, Luisenstadt und Mitte, an zentraler Stelle beispielhaft gelingen. Nördlich der Annenstraße könne noch verdichtet und in der Folge das Heinrich-Heine-Forum als „Marktort“ in seiner Zentrumsfunktion gestärkt werden. − Die Grünanlage am Moritzplatz sei weiterzuentwickeln, auch die Erinnerung an den Grenzübergang Heinrich-Heine-Straße als eine Art „Klein-Checkpoint Charlie“ zu bewahren. − Längs der Köpenicker Straße sollen die „zerfransten“ Blockränder ergänzt werden; gegenüber des ver.di-Gebäudes gebe es noch einen Großstandort für Baugruppen. − In Abkehr vom Planwerk Innenstadt und seiner Wiederherstellung straßenbündiger Blockrandbebauung solle es entlang der Alexandrinenstraße grüngliedernde Elemente geben und auch eine entsprechende Qualifizierung entlang Heinrich-Heine- und Oranienstraße, eine Vernetzung der Grünanlagen, wenn auch nicht in direktem Anschluss, so doch  im Geiste Lennés, und eine Anbindung über Michaelkirch- und Lichtenberger Straße bis zum Volkspark Friedrichshain. − Neben dem genannten Planwerk seien auch alle übrigen kontroversen Planungen gründlich gesichtet und hinterfragt und, nach Übernahme des Brauchbaren, nunmehr ersetzt worden im Bestreben, „aus Gräben Baugruben“ zu machen, worüber übrigens verwaltungsübergreifend bereits Konsens herrsche.

Unter bzw. hinter dem Mantel definierten die Planer sechs Großräume oder Schwerpunktbereiche, und zwar der

  • Wallstraßen-
  • Sebastian-
  • Dresdener-
  • Annen-
  • Holzufer- und der
  • Stallschreiberblock

Maßnahmen

Dresdenerblock

Der Dresdenerblock

Zu den hier geplanten Maßnahmen [siehe auch unsere  − angeklickten − Fotos]: der Bebauung; bzgl. der Straßen, Wege und Plätze; der Grünanlagen und -verbindungen sowie der sozialen Infrastruktur äußerte sich Herwarth-Kollege Thomas Fenske in sehr gedrängter Form, da er ja nicht von dem Stündchen Diskussionszeit noch was abknapsen mochte. Er betonte − sicher auch in Reaktion auf das Thesenpapier (S. 1 + 2) der AG Verkehr im BV −, dass keinerlei neuen Straßenöffnungen geplant seien (auch die Dresdener Straße werde mitnichten wieder Durchgangsstraße), stattdessen aber viel radverkehrliche Maßnahmen, besonders auch auf der Annenstraße, dazu Straßenverengungen etwa durch Baumpflanzungen: Das Votum der Verkehrsberuhigung sei also aufgenommen und nur noch auf der Köpenicker, der Oranien- und der Heinrich-Heine-Straße 50 km/h vorgesehen, überall sonst aber Tempo 30 oder noch darunter! Ferner sei der ÖPNV zu verbessern, namentlich die Bus-Frequenz, der U-Bhf. Heinrich-Heine-Straße aufzuwerten, und sodann der Spreeuferweg als Freiraum offen zu halten, mit „grünen Fenstern und Trittsteinen“ (und in Absprache mit den Eigentümern), ferner der Köllnische Park zu qualifizieren und das Märkische Museum aus seinem Dörnröschenschlaf zu wecken. Die Grenze mit ehemaligem Mauerstreifen sei endgültig zu überwinden, und über Brachflächen seien bauliche Brücken zu schlagen.

Keine Chance zu qualifizierter Stellungnahme

Annenblock

Der Annenblock

Es würde unseren Rahmen sprengen, hier Leitbild, Entwicklungsziele, Gestaltungsprinzipien und „-vorschläge“ im Einzelnen zu diskutieren und zu bewerten [die offiziellen sind unseren − angeklickten − Fotos zu entnehmen], wie auch das durch die Zubilligung nur einer einzigen Stunde für Verdauung und Reaktion einigermaßen überforderte Publikum in der sogleich sehr lebhaft aufbrandenden Debatte nur einige wenige Details und Gesichtspunkte quasi herauspicken konnte und angesichts dieses künstlich erzeugten, für ernstgemeinte Beteiligung absolut kontraproduktiven Zeitdrucks einigen Unmut bekundete. Es hätte, wie gesagt, für eine qualifizierte Diskussion im Sinne wenigstens rudimentärer Beteiligungsansätze einer eingehenden Vorbereitung anhand der (kommentierten) Planunterlagen bedurft −, doch auf der anderen Seite verblüffte der Vorsitzende des Bürgervereins Luisenstadt, der offenbar in alter Tradition einmal mehr als privilegierter Träger der BürgerInnen-Beteiligung mit einigen Materialien bedacht worden war, indem er sich über die Fülle des ihm Übersandten beklagte.

Einige Schlaglichter

Nachverdichtung, Brachen und Grünanlagen

Daten

Daten

Wenn z. B. die 16 ha Brachflächen alternativ als „untergenutzte Flächen“ figurieren und andererseits für den erwarteten Bevölkerungszuwachs von 5 bis 8000 Menschen 4100 neue Wohneinheiten entstehen sollen, wird schnell klar, dass neben der Frage, in welchem Preissegment sich diese Wohnungen bewegen werden − was heißt denn in diesem Zusammenhang „Aufwertung“? −, die Art und Weise der Nachverdichtung interessieren muss. Denn angesichts der Folgen des Klimawandels, die insbesondere unsere Region und genau solche innerstädtischen Bereiche schon in wenigen Dekaden heimsuchen werden, muss Nachverdichtung sorgsam gegen den Bedarf an Freiflächen, Schattenzonen und Kaltluftentstehungsgebieten abgewogen werden. Und wenn auch die Pläne prima facie einen ordentliches grünes Netz aufzuweisen scheinen und ja auch viel von Qualifizieren, Stärken und Verbinden die Rede war, so bleibt festzuhalten, dass sich unterm Strich der Grünanteil keineswegs erhöht und hierfür von der Verwaltung auch gar kein Bedarf gesehen wird, weise dieses Stadtviertel doch einen außerordentlich guten Index auf, wenn es um fußläufig erreichbare Grünflächen gehe − so als sei Grünfläche gleich Grünfläche; so als habe ein Grünstreifen, auch wenn mitunter türkisch-deutsche Familien zum Verschnaufen damit Vorlieb nehmen mögen, irgendeine Aufenthaltsqualität. − Hier ist, wie schon öfter in diesem Blog betont, eine öffentliche, stadtnaturschutzfachlich unterlegte Leitbild-Debatte überfällig, nach welchen Kriterien wir unser öffentliches Grün künftig gestalten und pflegen wollen, um endlich den Anforderungen an ökologische Nachhaltigkeit zu genügen, und dies auch mit Blick nicht nur aufs Ballspielen, sondern auf die Naturerfahrung von Kindern und Jugendlichen und das Existenzrecht unserer nichtmenschlichen urbanen Mitwelt!

Stallschreiberblock

Der Stallschreiberblock

Und über dem Totschlagsargument, die Brachflächen, auf denen oft wertvolle Ruderalvegetation in schon weit fortgeschrittenen Entwicklungsstadien gedeiht, seien derart von Altlasten kontaminiert, dass sie erstmal eines kompletten Bodenaustauschs bedürften, sollten wir dies doch bitteschön zunächst im Einzelfall überprüfen und abwägen, anstatt das Ganze umstandslos als Bauland auszuweisen, und uns ansonsten konsequenterweise auch so akribisch um die Altlasten von morgen bekümmern, die unser heutiger Lebensstil tagtäglich produziert.

An die Wohnungsbaugesellschaften sei jedenfalls das Angebot ergangen, unter Wahrung der grün geprägten Wohnstrukturen und dem Aspekt seniorengerechten Wohnens ihren Bestand weiterzuentwickeln, doch für Standard und Ausstattungsniveau, worin private Investoren Wohnraum bereitstellen, könnten, so Senats- und Bezirksvertreterin Mitte unisono, selbstverständlich keinerlei Vorgaben gemacht werden. Primär bemesse sich die Qualität von Wohnraum ohnehin an seiner Lage. − Hier muss vor allem z. B. per Grundbucheintrag festgeschrieben werden, dass die Innenbereiche nicht unbegrenzt versiegelt und überbaut werden dürfen.

Erhalt von Möglichkeitsräumen

Unbefriedigend sei auch die Situation der alternativen Wohn- und Lebensprojekte wie z. B. des Schwarzen Kanal, die sich nur einer geduldeten Zwischennutzung auf Privatgrund mit ständiger Räumungsdrohung erfreuen. Sondernutzungsformen wie der Tresor u.a. und Möglichkeitsräume für Experimente würden auf diese Weise schrittweise verdrängt. Obwohl den Leuten lt. Frau Laduch vom Planungsamt Mitte unter persönlichem Einsatz von Stadtrat Gothe „20 bis 30 Alternativstandorte“ [sic!] angeboten worden seien, habe keiner ihren Anforderungen genügt.

In Reaktion auf die Forderung, den Mauerweg unbedingt auch weiterhin als geschichtliche Spur zu betonen und entsprechend offenzuhalten, versicherte Senatsvertreterin Matthes, das bleibe selbstverständlich weiterhin Thema.

Auch im Hinblick auf die Verkehrsberuhigung setzte es einerseits heftige Kritik seitens eines Bürgervereinsvertreters, der im „Nadelöhr“ Michaelkirchstraße, das durch einen Radstreifen noch weiter verengt werden soll, den Hauptgrund für den zweimal täglichen Rückstau des Autoverkehrs bis zum Moritzplatz sieht, deshalb also vehement für Erweiterung eintrat und dabei Schützenhilfe von AnwohnerInnen erhielt, die schließlich mit ihrem Auto nach Hause und von dort auch wieder wegkommen müssten −, während andere das vorgestellte Verkehrsberuhigungskonzept ausdrücklich lobten, das Autofahren in der Luisenstadt ja gerade unattraktiv machen solle, aber in der Ergänzung der Blockrandbebauung, zumal in Nord-Süd-Richtung, also etwa entlang der Heinrich-Heine-Straße, Schluchten entstehen sehen, die durch die hier nun mal vorherrschenden Westwinde nicht mehr durchlüftet werden könnten. Und vollends grotesk sei es, die Blockränder als Lärmschutz fürs private Grün der Innenhöfe zu errichten, zumal wir doch davon ausgehen sollten, dass Lärm und sonstige Emissionen produzierender Individualverkehr, der in Berlin schon jetzt erfreulich rückläufig sei, bald ganz der Vergangenheit angehören müsse, wenn denn überhaupt noch Verkehr in unseren Ballungszentren möglich sein soll. − Die Straße werde durch Blockrandschließung mitnichten zum öffentlichen Raum, sondern dabei allenfalls nach dem „Presswurst-Prinzip“ verfahren: ein langer eng gequetschter Abschnitt bar jeder Aufenthaltsqualität; dann eine Ab- (oder in diesem Fall Auf-)schnürung durch ein Grün- oder Freiraumsegment, woran sich der nächste schluchtartige Abschnitt anschließt.

Und wie geht’s weiter?

Mehrfache Nachfragen, wie denn im weiteren Verlauf die BürgerInnen-Beteiligung, die es bislang und ausgerechnet bei diesem modellhaften Großprojekt wieder nur in Schrumpfform gegeben habe, gehandhabt und ihrerseits noch aufgewertet werden solle; wie sich Interessierte etwa in Bebauungsplanverfahren einbringen könnten, wenn sie nicht einmal darüber informiert würden; ob nicht die Einrichtung einer Management- oder Anlaufstelle für Partizipation Sinn mache − all das blieb unbeantwortet. Pünktlich und reichlich mürrisch aufbrechende SeniorInnen lieferten den VeranstalterInnen den willkommene Anlass zum Hinweis, dass doch nun wohl genug diskutiert worden sei…


5 Carl Herwarth von Bittenfeld hat die zeitnahe Übersendung der weiter modifizierten Pläne zugesagt, die wir dann, wie schon beim letzten Mal, hier anstelle der Fotos veröffentlichen werden. Obschon gestern, wie gesagt, „Redaktionsschluss“ war, ist bislang allerdings noch nichts eingetroffen.
[Update, 21.01.
: Die Präsentation von Herwarth + Holz sowie die zugehörigen Planunterlagen finden sich nach Abschluss der Endredaktion nunmehr auf der Firmen-Website (unter den ersten beiden Fotos).]
6 Siehe auch den Herwarth-Vortrag „Klima Berlin – erste Arbeitsergebnisse“ auf der kürzlichen StadtForums-Veranstaltung 2 Grad Plus am 7. Januar im EnergieForum.