VertreterInnen von Senat und Atelier Loidl beehren Friedrichshain-Kreuzberger BVV

Endlich Widerstand auch von gewählten BürgervertreterInnen

Bezirksverordneten und interessierte BürgerInnen Kreuzbergs brauchten sich doch nicht bis 2012 zu gedulden: Vergangenen Dienstag (16. März), fanden VertreterInnen von SenStadt und Atelier Loidl tatsächlich den Weg ins ehemalige Rathaus in der Yorkstraße und in die gemeinsame Sitzung von Umwelt- und Stadtplanungsausschuss der Xhainer BVV, um Konzeption und Planung des großen Parks auf dem Gleisdreieck-Gelände zu erläutern. Allerdings wurde auf dem Ostteil, dem einstigen Anhalter Güterbahnhof, diese Planung längst in grundlegenden Teilen und irreversibler Weise auf Kosten einzigartiger, phänomenal artenreicher Ruderalvegetation ins Werk gesetzt.

Fokus auf „Umgang mit dem Wäldchen“

Obwohl bei gewählten wie ungewählten BürgervertreterInnen großes Interesse bestand, auch über den Westteil des Parks, dem die „Freiräumung“ demnächst ja noch bevorsteht, Näheres zu erfahren, konzentrierten sich Senatsvertreterin Ursula Renker und Loidl-Planer Felix Schwarz in ihren Darstellungen weitestgehend auf den Ostpark und hier aufs so genannte Wäldchen, dem letzten Rest der in vierzig Jahren relativer Ungestörtheit entstandenen Sekundärvegetation, die in spektakulärer Weise die technischen und baulichen Relikte des ehemals pulsierenden Verkehrsknotens durch- und überwuchert und für die Natur zurückerobert hatte. Ansonsten wurden diese malerisch von Baum, Strauch und Kraut umschlossenen kulturgeschichtlichen Spuren: Gleise, Weichen, Signalanlagen, Rampen, Großsteinpflaster… mit deutscher Akribie und, mit Verlaub, geradezu chinesischer Geschichtsvergessenheit rigoros herausgerissen, beseitigt, getilgt und zugleich eine Vielzahl von Bäumen, Büschen, Farnen und seltenen Kräutern, Kleinbiotopen und Habitaten buchstäblich platt gemacht.

Ein lesenswerter Spiegel-Essay!

Hierzu entdeckte eine Vertreterin der AG Gleisdreieck im Online-Archiv des SPIEGEL einen höchst aufschlussreichen Artikel aus dem Jahr 1981, der soviel seherische Qualität entfaltet, dass wir allen Interessierten seine Lektüre dringend ans Herz legen möchten!

Nun jedenfalls, wo es an die „Erschließung“ des Filetstück, eben des Wäldchens gehen sollte, hat die BVV F’hain-Xbergs nach einem verschenkten Jahr [siehe unsere Beiträge hier, hier und vor allem hier] endlich doch noch Sand ins Getriebe der senatseigenen Grün Berlin GmbH gestreut und mit großer Mehrheit das Bezirksamt beauftragt, die Unterschutzstellung des Wäldchens als GLB zu beantragen. Bis zur Bescheidung dieses Antrags aber soll ein Veränderungs- und vor allem Fällverbot erwirkt werden.

Proteisches Parkkonzept

In dieser Situation kam nun die Senatsverwaltung offenbar nicht mehr umhin, erstmals für ihr, sich im Zuge seiner Umsetzung beständig wandelndes, die delegierten BürgervertreterInnen in der so genannten Projektbegleitenden Arbeitsgruppe immer wieder vor vollendete Tatsachen stellendes, eben „prozessbezogenes“ Park-Konzept vor den Bezirks- und BürgerInnenvertretern F’hain-Xbergs ausdrücklich zu werben − natürlich nur, was diesen besonderen Fall des Umgangs mit dem Wäldchen angeht!

Das große Ganze blitzte in Schwarzens Metapher von Ost- und West-Park als „Geschwistern“ auf, die nach gleichem Grundkonzept gestaltet würden [so dass die Rede von „Zwillingen“ vielleicht angemessener wäre]: Jeweils in der Mitte, wo sich die meisten befragten BürgerInnen Wildblumenwiesen wünschen, eine riesen Rasenfläche − nicht nur zum Grillen, sondern auch zum Fuß- und Federball, zum Frisbee und sonst was spielen, und alles eingefasst von einem vegetativen Rahmen, der sich inzwischen „prozessbedingt“ [s.o.] in versiegelte, bis zu dreißig Meter breite, kehrmaschinengerechte „Promenaden“ verwandelt hat, worin Vegetationsinseln [wahrscheinlich in regelmäßigen Intervallen] einen „Puffer zur umgebenden Stadt“ bilden sollen.

Eine verdrängte Umfrage

In diesem Zusammenhang verlohnt auch ein Blick in die Wettbewerbsdokumentation „Park auf dem Gleisdreieck“ von 2006: In einem dort abgedruckten Interview mit dem Preisträger Atelier Loidl antwortet Bernd Joosten auf die Frage, welche Erwartungen der Bürger an den neuen Park auf dem Gleisdreieck er nicht teile, mit wünschenswerter Deutlichkeit: „Wer braucht einen Stadtwald, der nicht betreten werden darf, wer will über alte Gleise stolpern, nur um zu wissen, dass Berlin auch schon vor 150 Jahren Metropole war?“

Hier sollten wir uns auch der aufwendigen Bürgerbefragung erinnern, die Zebralog 2005 durchführte: Wir greifen nur die Beurteilung von vier Parktypen heraus:

  1. Wie gefällt Aktivitätspark? Überhaupt nicht: 60,4 %, sehr gefallen 8,4 %
  2. Wie gefällt naturnaher Park? Überhaupt nicht: 6,1 %, sehr gefallen 57,5 %
  3. Wie gefällt Landschaftspark? Überhaupt nicht: 4,1 %, sehr gefallen 48,8 %
  4. Wie gefällt „moderner“ Stadtpark? Überhaupt nicht: 15,8 %, sehr gefallen 23,5 %

„Deutlich wird, dass der so genannte Aktivitätspark auf die geringste Zustimmung bei den Befragten stößt. Ca. 70 Prozent der Befragten gefällt eine solche Anlage überhaupt oder eher nicht; etwa genauso viele könnten auch keinen Gefallen an einem längeren Aufenthalt in einer derart gestalteten Parkanlage finden. Eher gut oder sehr gut gefällt ein solcher Park nur knapp 15 Prozent der befragten Anwohner/innen. […] Die stärkste Zustimmungswerte weist der so genannte naturnahe Park auf, der etwa 73 Prozent der Befragten sehr gut oder eher gut gefällt; über 75 Prozent würde ein längerer Besuch in der Anlage sehr gut oder gut gefallen. [S. 27/28]. Die Befragten wurden gebeten, hypothetisch ihre zehn nächsten Parkbesuche zwischen den genannten vier Parktypen aufzuteilen. Die meisten (hypothetischen) Parkbesuche entfallen auf den Parktyp Naturpark, wobei der Parktyp Landschaftspark diesem in der Besuchshäufigkeit recht dicht folgt. Während immerhin noch knapp 18 Prozent auf den Parktyp 4 entfallen, sind dies bei Aktivitätspark nur knapp 10 Prozent […]“

Dass die Befürworter einer naturnahen Parkgestaltung, die sich nicht zuletzt der Unterstützung der großen Umweltverbände erfreuen, immer wieder mit dem Verweis abgebügelt werden, sie sprächen nur für ihre kleine Klientel, sollte auch mit Verweis auf diese Studie mit aller Schärfe zurückgewiesen werden!

SenStadt ist BürgerInnenwille schnuppe

Ungeachtet dessen war und ist viel von Spiel- und Sportflächen die Rede, die naturgemäß ebenfalls versiegelt werden müssen und deren Zahl und Fläche auf dem Westteil sogar noch weit höher zu liegen scheint. Immerhin, so wurde wieder und wieder betont, wollen und sollen die 300.000 Menschen im Einzugsbereich diesen neuen Park ja vielfältig nutzen.

Zunächst ging es ums „Sportgleis“ auf jenem aufwendig befestigten und planierten Streifen zwischen Wäldchen und Fernbahntrasse. Hier und nur hier, wo eh der ICE alle paar Minuten vorüberzischt, könne wegen der Lärmentwicklung eine Fläche für Trendsportarten situiert werden; einen alternativen Standort, so Senatsvertreterin und Planer unisono, sei schlechterdings nicht gegeben. Dass es sich hier um zwei völlig unterschiedliche Typen von Lärmemission handelt − eine regelmäßige, vorherseh- und schließlich überhörbare und eine sich wandelnde, auf- und abschwellende, mit unberechenbaren Spitzen −, spielt für die Planer keine Rolle.

Zugang zu einer Trendsportfläche auf Kosten wertvollster Stadtnatur

Nicht genug also, dass die Tiere durchs Trendsporttreiben in unmittelbarer Nachbarschaft erheblich belästigt und auch die Aufenthalts- und Naturerlebnisqualität, sagen wir, das Beobachten von Vögeln in ihrem letzten zusammenhängenden Rückzugsgebiet auf dem Gelände, gravierend beeinträchtigt werden dürften −, nein, vor allem stellten sich die Planer der Problematik, wie die „mobile Jugend auf kürzestem Weg zu diesem Sportfeld gelange, vor dem das Wäldchen geradezu wie ein Riegel liegt. Und so kam es, um das Entstehen immer neuer [?] Trampelpfade, also einer „unkontrollierten Durchwegung“ zu verhindern, zum nun leidenschaftlich bis zum Starrsinn verteidigten Einfall, diese 3,4 Hektar wertvollsten Stadtwald an gleich drei Stellen − nördlich, südlich und in der Mitte – durch sechs bzw. drei Meter breite Betonplattenwege zu zerstückeln. Zu allem Überfluss wurde dieser Vorschlag noch auf die kabarettreife Begründung gestützt, diese Zerteilung geschehe gerade aus Gründen des Naturschutzes.

Nur die wenigsten Bäume überhaupt erhaltenswert

Wie ja schon öfter, zuletzt im Tiergarten, deutlich wurde: Vom Gedanken der Biotopvernetzung, der immerhin schon das Konzept eines Bundeswildwegeplans hervorbrachte, zeigt sich die bei Senatens genehme Landschaftsarchitektur gänzlich unangekränkelt. Diese stützt sich lieber auf verhaltenspsychologische Hypothesen z. B. vom Kaliber, dass der auf „erhabenem“, farbig abgehobenem Beton schreitende (auch jugendliche) Mensch, wenn er ihn erst betreten hat, nicht wieder verlässt. Ja auch die geplanten Betonplatten seien doch in höchstem Maße umweltschonend, indem sie kein Fundament bräuchten, sondern einfach auf die Wurzeln der seitlich übrig gebliebenen Bäume gepackt werden. Insgesamt vierzig stehen der schnurgeraden Piste allerdings im Weg und müssen fallen. Das Gutachten des Baumsachverständigen-Büros Flechner weist ohnehin den übergroßen Teil als „nicht erhaltenswert“ aus. Und wo ein betonierter Weg ist, da erhebt sich sofort die Verkehrssicherungspflicht, weshalb der Weg auch für Hubsteiger ausgelegt sein müsse, wenn es gelte, gefährliche Baumkronen zu kappen.

Überhaupt dürfe das Wäldchen, so Frau Renker, gar nicht sich selbst überlassen werden, wenn seine Schutzwürdigkeit erhalten werden solle, aber etwa ein Drittel seiner Fläche, so gestehen die Loidl-Planer immerhin zu, soll gewissermaßen als Kernzone durch ein 80cm-Dackel-Zäunchen besonders geschützt werden.

Widerstand von Grünen und Linken

Der Vorschlag von BzV der Grünen und Linken, das gesamte Wäldchen mit einem lebendigen „Zaun“, etwa einer Brombeerhecke zu umgeben, die Schutzwürdigkeit durch Infotafeln am Waldrand zu erläutern und − abgesehen vom nördlich entlang des abgezäunten Bereichs des Technikmuseums verlaufenden Generalszug − nicht trassenartige Wege, sondern nur einen einzigen bspw. mit Mulch gedeckten Pfad im Süden anzulegen, veranlasste die Senatsvertreterinnen, auf die „krimaltechnische Präventionsstrategie“ bei der Gestaltung von Parkanlagen zu rekurrieren, die sie, angeleitet von Mitarbeitern des LKA, auf den konkreten Fall angewandt hätten. Schließlich dürfe der Sicherheitsaspekt beim Umgang mit Natur nicht vernachlässigt werden. Die einschlägigen Argumentationsfiguren lassen sich der Einfachheit halber am besten mit der Sentenz eines BzV der CDU aus der sich anschließenden Diskussion umreißen: „Wo es in der Stadt Gehölz gibt, gibt es auch Dealer!“ Und die würden sich bekanntlich noch unter jeder Hecke durchgraben…

Als Antje Kapek, Fraktionssprecherin der Grünen und Initiatorin des Antrags auf Unterschutzstellung, die Loidl-Pläne (die ja längst festes Vorhaben Grün Berlins und des Senats sind) nur als „Vorschläge“ bezeichnete und auch noch einmal an den Skandal erinnerte, als die Senatsfirma 2009 mitten in der Brutperiode und ohne Begründung bzw. Benehmensherstellung den hohen Zaun ums Wäldchen niederlegen und den Hunden freien Zugang schaffen ließ; als Mirko Assatzk von der Linken Frau Kapek ausdrücklich unterstützte und betonte, Baumfällungen seien vor dem Hintergrund der negativen Baumbilanz der Stadt in jedem Fall zu verhindern, oder die Bürgerdeputierte Annette Butscher bündig feststellte, der ökologische Schaden wiege weit schwerer als der Nutzen; und als auch das um Stellungnahme ersuchte Bezirksamt in Gestalt von Baustadträtin Kalepky zwar einen breiten Weg in Verlängerung des Generalszug wegen seiner „Signalwirkung“ befürwortete, aber den mittleren immer schon für verzichtbar gehalten habe, fassten die BürgervertreterInnen, die sich seit vielen Jahren und trotz so vieler Rückschläge für die Rettung dieses Kleinods urbaner Natur und die Schaffung eines naturnahen Parks engagieren, wieder etwas Mut.

Missbrauch vom Kompensationsmitteln

Sie wollen wissen, wenn die vielen „Promenaden“ − Möckern-, York-, Flottwell- und Flaschenhals-Promenade − allesamt mit so genanntem Stabilizer versehen würden und dazu all die Sport- und Eventflächen befestigt werden müssten: wie viel Fläche, absolut und relativ zur naturbelassenen, dann insgesamt auf diese Weise und finanziert aus A&E-Mitteln versiegelt werde [genaue Zahlen sollen mit dem Sitzungsprotokoll versandt werden]. Sie verwiesen auf die Rummelsburger Bucht, wo sich durchaus „lebende Zäune“ in Gestalt von Hecken beim Schutz sensibler Bereiche bewähren und dass der naturnah mit einem Teich gestalte Bereich in der Hasenheide gerade nicht von Drogendealern frequentiert werde.

Bürgermeister beharrt auf Park-Fussball

Was nun den Konflikt zwischen Fußballfeld und Kleingärten im Westteil des Parks [Fläche C] betrifft, zu dessen Lösung Bürgermeister Schulz einen Runden Tisch einberufen hatte, der bislang viermal tagte, bekräftigte Frau Renker, dass ein wettkampfgerechtes Sportfeld mit 95 x 60 m der Parkkonzeption sowie der Verwendung von A&E-Mitteln widerspreche, dass es auch nördlich der U2 vis-à-vis der dortigen 16 Kleingartenparzellen nicht wünschenswert sei und im Übrigen ausreichend Platz für Fußball, wie auch von der Mehrheit der BürgervertreterInnen gewünscht und begrüßt, auf dem Tempelhofer Feld zur Verfügung gestellt werde −, doch Dr. Schulz beharrt auf der Durchführung einer von Senat und Bezirk gemeinsam zu finanzierenden Einpassungsstudie. Schließlich habe schon der LSB zugestimmt.

Demgegenüber ist unmissverständlich deutlich zu machen, dass die übergroße Mehrheit der Bevölkerung einen Aktivitäts-, Sport- und Halligalli-Park ablehnt!

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