Bebauungsplan „Hellweg im Yorckdreieck“ noch nicht beschlossen

Vom Baumarkt zur Bautzener Brache

Im Stadtentwicklungsausschuss

In der Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung der BVV Friedrichshain-Kreuzberg am vergangenen Mittwoch (9.1.) − diese wichtige Info sei endlich noch nachgereicht! − gab’s keine abschließende Beschlussempfehlung zum Bebauungsplan „Hellweg im Yorckdreick“ (VI-140fa VE). Der darob sichtlich verärgerte Expansionsleiter Franz Dressel versuchte vergeblich, die Sache noch zu drehen: zeitgleich fände eine Sitzung des Ausschuss-Pendants der BVV Tempelhof-Schöneberg statt, der gerade im Begriff sei, eine dem fraglichen B-Plan zustimmende Empfehlung für die kommende BVV am 16.1. im Nachbarbezirk zu beschließen − was freilich nicht zutraf.

Mit Verweis auf seine anders lautenden aktuelleren Informationen ließ der Ausschussvorsitzende, John Dahl (SPD), bzw. der BVV-Ausschuss den Hellweg-Mann auflaufen. In T’hof-Schöneberg könne nun erst Mitte nächsten Monats, in F’hain-Kreuzberg gar erst Ende Februar eine Entscheidung fallen. Zudem wurde eine vorherige weitere gemeinsame Sitzung der Stadtentwicklungsausschüsse beider Bezirke in Aussicht gestellt.

Östliche Böschung Yorckdreieck

Östliche Böschung Yorckdreieck nach teilweiser ‚Beräumung‘ im Herbst 2012

Engagierte BürgerInnen unter den Sitzungsgästen atmeten erstmal erleichtert auf. Die Tatsache, dass mehrere hundert Einwände, darunter solche vom Quartiersrat Schöneberger Norden und der BLN [Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Natur, ein Zusammenschluss der anerkannten Naturschutzverbände] sämtlich en gros „weggewogen“ worden waren, hat auf Seiten der AnwohnerInnen und ihrer Initiativen verständlicherweise für reichlich Unmut gesorgt, zumal sich etliche Einwendungen gegen die (auch nach Ansicht einiger Bezirksverordneter) völlig unzureichende frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit, wie sie das BauGB § 3 vorsieht, richten, während das Genehmigungsverfahren nun, nach unserm Dafürhalten schlicht rechtswidrig, offenbar unbeirrt fortgesetzt werden soll.

Deswegen haben Mitglieder der AG Gleisdreieck im Nachbarbezirk einen Antrag auf Einberufung einer Einwohnerversammlung gestellt, über den in der BVV Tempelhof-Schöneberg am Mittwoch, 16.1., ab 17 Uhr entschieden wird.

Wir ersparen unseren LeserInnen an dieser Stelle Vermutungen über mögliche Absprachen und Mauscheleien in den berüchtigten Hinterzimmern, und resümieren nur noch mal kurz den vielen schon bekannten Ablauf, dass derselbe Investor durch einen Strohmann ein Teil der Bautzener Brache auf Schöneberger Territorium erwarb, die mal Bahn-, also öffentliches Eigentum war. Das Bahneigentum wurde − angeblich um die Einnahmeseite des Bundeshaushalts zu verbessern − unterm Label Vivico Real Estate GmbH privatisiert und regelrecht verschleudert, und ging inzwischen ans österreichische Immobilienunternehmen (also mit Grundstücksspekulation auf private Rendite spekulierende) CA Immo. Und die verkaufte an die Wolfgang Schröder GmbH und diese wiederum ratenweise an Hellweg-Semer, der nun für das (endlich auch aus bezirksamtlicher Sicht) nach § 35 BauGB als Außenbereich einzustufende Areal Baurecht haben will. Allein dadurch würde der Grundstückspreis sprunghaft empor schnellen und der Baumarktkette einen saftigen Profit bescheren, ohne dass Hellweg auch nur einen Finger gerührt hätte. Geld „arbeitet“ eben: allerdings bei der gewöhnlich nur unter großen Verlusten rückgängig zu machenden Veräußerung sog. Tafelsilbers der öffentlichen Hand eher weniger, dafür umso „nachhaltiger“ für die privaten Hände.

Den Bezirksverordneten war in verschiedenen, von Bürgerseite initiierten Treffen jedenfalls der bezirksübergreifende Zusammenhang noch mal verdeutlicht worden. Auf Kreuzberger Seite baut der gewiefte Vorhabenträger ohne Genehmigung und gültigen Bauvorbescheid schon mal los bzw. hat es besonders im November getan, indem die Fundamente für die monströse Halle gegossen wurden.

Auf dem eigenen Grund und Boden bedürfe es dafür keiner Genehmigung, sagt das Bezirksamt, und die Bautätigkeit geschehe auf eigenes Risiko; inzwischen scheinen die Arbeiten auch eingestellt.

Baustopp auf dem Yorckdreieck!

Doch ganz unabhängig davon, ob dem nun so ist oder nicht, sollte unverzüglich ein Moratorium für Bautätigkeit beschlossen und verkündet werden, auch weil es sich hier um das zweite genehmigungsfreie Vorpreschen dieses Unternehmens handelt, das für sein robustes Vorgehen bundesweit bekannt und auch in Berlin Wiederholungstäter ist (vgl. hier und hier). Es sollen vollendete Tatsachen einzementiert werden, so dass eine von Bürgern dringend geforderte, angesichts ihrer stadtökologischen Vorteile relativ geringfügige Modifikation der Lage des Baukörpers (s.u.) schwieriger geworden ist. Doch wer wollte auch behaupten, hier sei in Betreff früh- oder besser: rechtzeitiger BürgerInnenbeteiligung einerseits und aus Sicht von Natur- und Artenschutz andererseits nur irgendwas rund gelaufen?

Yorckdreieck-Hochplateau

Yorckdreieck-Hochplateau, Sept. 2012

Also sollte der Schweinsgalopp, worin der Vorhabenträger die VolksvertreterInnen vor sich hertreibt, erstmal gebremst werden! Nicht nur nach unserer Auffassung ist nach wie vor völlig unklar und muss erneut überprüft werden, ob

  • der Vorschlag, den Baukörper 16 Meter von der Yorckstraße zurückzusetzen und auch nicht auf einen zwei Meter hohen Sockel zu stellen, ausgerechnet mit Rücksicht aufs Schutzgut Boden tatsächlich nicht umsetzbar ist;
  • der naturschutzfachliche Wert des Geländes rechtzeitig und vorschriftsmäßig bzw. dem angezeigten Vorgehen entsprechend ermittelt wurde;
  • der Eingriff durch die Baumaßnahme und die Wirkungen auf die betroffenen Schutzgüter und damit der vom Vorhabenträger zu erbringende Ausgleich sachgerecht und adäquat bilanziert wurde; und ob
  • die schiere Größe der vom notorischen städtebaulichen Rahmenvertrag in der Fassung von 2005 (unter 2.1.4) festgelegten „Sammelausgleichsfläche“ j [zwischen Debis-Parkhaus und nördlichem Flottwellstraßen-Baufeld] als Kompensation für die Baufelder Möckernkiez, Urbane Mitte, Flottwellstr. und eben das Yorckdreieck rein quantitativ überhaupt ausreicht. [Vom Leiter des F’hain-Kreuzberger Stadtplanungsamts, Matthias Peckskamp, war zu hören, dass die Bebauung des Möckernkiez’ nicht (mehr) auf der Fläche j erfolgen soll −, aber wo stattdessen, würde neben den Verordneten auch die interessierte Öffentlichkeit gerne mal erfahren!]

Für den nicht minder strittigen B-Plan VI-140i VE „Flottwellstraße Nord“ sprach der Stadtentwicklungsausschuss übrigens in derselben Sitzung eine Beschlussempfehlung aus.

Ausgleichsfläche ungeeignet

Es muss offenbar immer wieder aufs Neue wiederholt werden, dass die Sammelausgleichsfläche j untertunnelt und deswegen aus naturschutzfachlicher Sicht wenigstens zum großen Teil auf Grund unzureichender Bodenstärke nicht als Ausgleichsfläche funktionieren und ergo auch nicht gelten kann. Das war seinerzeit nicht zuletzt auch die Meinung zuständiger SenatsvertreterInnen! Die Festlegungen des Rahmenvertrags können indessen nicht sakrosankt sein! 2005 war vielleicht noch nicht ganz so deutlich wie heute, welch steigende Brisanz der sog. Eingriffregelung in Zeiten blindlings nach Höchstpreis veräußerter gemeineigener Liegenschaften und gegen alle Einwendungen durchgepeitschter größtmöglicher Nachverdichtung zukommt [immer öfter bis ans äußerste Limit: einer GRZ bis 0,8, also mit einer bei Wohnbebauung (eigentlich GRZ 0,4) nur in seltenen Ausnahmefällen „aus wenn besondere städtebauliche Gründen die Überschreitung erfordern“, jedoch keinesfalls aus wirtschaftlichen zulässigen achtzigprozentigen Grundstücksversiegelung (s. z.B. hier].

Zur kaum zu überschätzenden Bedeutung des Erhalts innerstädtischer Brachflächen und Belassen von Wildniszonen hat das Bundesamt für Naturschutz jüngst ein Skript herausgegeben: Brachflächen im Spannungsfeld zwischen Naturschutz und (baulicher) Wiedernutzung.

Missachtung der einschlägigen Landes-Strategien und Programme muss aufhören!

Auf Grund ihres hohen ökologischen Werts als Biotopverbindung, wie sie das Berliner Landschaftsprogramm schon seit 1994 hervorhebt, war und ist die Rodung von Bahnböschungsvegetation, wie zumal im westlichen Randbereich des Yorckdreiecks erfolgt, aber auch die großflächige Zerstörung ganzer Verbünde entlang der Bahnbrache an der Bautzener Straße eine erhebliche Beschädigung öffentlichen Eigentums, ganz abgesehen von ästhetischen Aspekten! Der viele Jahre lang an- und durchhaltende AnwohnerInnenprotest, wie er sich kürzlich auf der bezirklichen Infoveranstaltung artikulierte und erst recht auf jener vom BUND organisierten Diskussionsrunde mit AnwohnerInnen, VertreterInnen von Naturschutzverbänden und aus BVV sowie Bezirksverwaltung, konnte bislang die Stadtnaturzerstörung nicht aufhalten.

Bautzener Brache 2011

Bautzener Brache 2011: im Hintergrund das Schröder/Semer-Gelände

Diese von Semer erworbene Fläche, definitiv ohne Baurecht, sollte jedenfalls keines bekommen, sondern vielmehr als organischer Teil des Nord-Süd-Grünzugs erhalten und im Sinn einer Ausgleichsfläche für die Eingriffe in Natur und Landschaft desselben Investors auf dem Yorckdreieck behandelt und entwickelt werden.

Bezirksübergreifende Zusammenarbeit der Verordneten unabdingbar

Zum Bezirk T’hof-Schöneberg gehört nur ein relativ kleiner Teil des Baufelds, dessen Beplanung von dem des Kreuzberger Teils abgetrennt wurde −, aber die Umsetzung der Strategien zu Stadtlandschaft, natürlicher Vielfalt und Klimaschutz wie auch die sozialen Fragen der Gentrifizierung und Verdrängung sind bezirksübergreifende Aufgaben.

Auch in Kreuzberg wurde, was Baum- und Strauchbestand anging, seinerzeit ohne Genehmigung gerodet und beräumt, was, wie gesagt, besonders in den Rand- und Böschungsbereichen aus unserer Sicht nicht unerhebliche, vermeidbare Eingriffe in den Naturhaushalt bedeutete. Wie passt die Duldung solchen Vorgehens zu dem, was Staatsekretär Gaebler in Vertretung des Stadtentwicklungssenators Müller (beide SPD) dem anfragenden Turgut Altuğ (Grüne) für den Jahreswechsel mitgab: „Der schonende Umgang mit der Natur und dem Landschaftsraum ist Grundlage des Landschafts- und Artenschutzprogramm Berlins und muss bei allen Planungen des Landes Berlins berücksichtigt werden“? − Gilt das nicht auch für privat? Oder gibt’s Landschaftsraum nur außerhalb des S-Bahnrings?

Bautzener Brache, Dez. 2012

Anlage des Fernradwegzubringers, Dez. 2012

Wenn man, dieses Diktum im Hinterkopf, den Umgang mit dem Gleisdreieck, sei’s Ost- oder gar Westpark, die „Erschließung“ des Flaschenhalsparks, die Anlage von Radfernwegen bzw -Zubringern entlang und auf Kosten der Bahnböschung an der Bautzener Straße und in der sog. Schöneberger Schleife oder den Umgang mit der Bautzener Brache betrachtet − wofür es, wenn man etwas für ungepflanzte, „wilde“ Natur in ihrer „vierten“, der ruderalen Art im urbanen Raum empfindet, starke Nerven braucht −, wenn also bspw. die Praxis der landeseigenen Grün Berlin GmbH und schon die jeweils gekürten landschaftsarchitektonischen Entwürfe von einer Schonung von Natur und Landschaftsraum wenig ahnen lassen, ist von Privatinvestoren nur noch Ärgeres zu erwarten.

Im Fall einer Ausgleichsfläche Bautzener Brache wäre auch die öffentliche Durchwegung Richtung Gleisdreieckpark verbindlich gesichert, mit ihrer naturnahen Entwicklung aus Mitteln bspw. von Stadtumbau West aber tatsächlich mal ein zukunftstauglicher Umbau im Interesse bezirksübergreifender Allgemeinheit gefördert worden und keine Umgrünung hochpreisigen Wohnungsbaus.

Einberufung einer Einwohnerversammlung beantragt

Im Interesse echter BürgerInnenbeteiligung, die auch bei der weiteren Gestaltung von Flaschenhalspark (der nach BürgerInnnenmeinung übrigens die Bautzener Brache mit einschließt!) und Nord-Süd-Grünzug skandalöserweise längst für beendet erklärt wurde, ist es an der Zeit, angesichts der Komplexität der Problematik und der vielen offenen Fragen von der nach § 42 Bezirksverwaltungsgesetz im Fall „wichtiger Bezirksangelegenheiten“ vorgesehenen Möglichkeit der Einberufung einer Einwohnerversammlung Gebrauch zu machen. Edelgard Achilles und Matthias Bauer von der AG Gleisdreieck haben fristgerecht einen entsprechenden Antrag gestellt, denn diese sozial und stadtökologisch gravierenden Entscheidungen gebieten regelrecht den Gebrauch dieses noch vom rot-roten Senat geschaffenen, in Tempelhof-Schöneberg noch nie genutzten Beteiligungsinstruments und hätte schon viel früher geschehen sollen!

In der nächsten Sitzung der BVV Tempelhof-Schöneberg wird über den Antrag, dem für einen positiven Bescheid ein Drittel der Verordneten zustimmen müssen, entschieden werden, und wir laden alle Interessierten herzlich ein, am

Mittwoch, 16.01., 17 Uhr
im Rathaus Schöneberg

dieser Premiere beizuwohnen.

Bautzener Piste

Bautzener Bicycle-Speedway

Wie berichtet, sammeln derweil engagierte AnwohnerInnen Unterschriften gegen eine Bebauung, die ihren Kiez nicht erweitern, sondern zerstören würde (und was die ohnehin unzureichende Naturausstattung des Wohnumfelds angeht, schon zerstört hat), und freuen sich über Unterstützung! Bleibt zu hoffen, dass sich unsere VolksvertreterInnen nicht von den üblichen Investoren-Drohungen mit dem Verlust von Arbeitsplätzen oder Suche eines anderen Standorts, wenn sich die Eröffnung des Profi-Baumarkts verzögere, ins Bockshorn jagen lassen.

Bautzener Brache, Dez. 2012

Bautzener Brache: Anlage des Fernradwegzubringers, Dez. 2012

2 Kommentare

  1. Bea said,

    15. Januar, 2013 um 16:29

    Schönes Wortgeklingel ohne Folgen. Weder die SPD, noch die Grünen schützen die Stadtnatur da, wo sie jeweils regieren. Es geht immer nur ums Bauen. Die Natur und der Klimaschutz ist (u.a.) den roten und grünen PolitikerInnen scheißegal.

    „Auch in Kreuzberg wurde, was Baum- und Strauchbestand anging, seinerzeit ohne Genehmigung gerodet und beräumt, was, wie gesagt, besonders in den Rand- und Böschungsbereichen aus unserer Sicht nicht unerhebliche, vermeidbare Eingriffe in den Naturhaushalt bedeutete. Wie passt die Duldung solchen Vorgehens zu dem, was Staatsekretär Gaebler in Vertretung des Stadtentwicklungssenators Müller (beide SPD) dem anfragenden Turgut Altuğ (Grüne) für den Jahreswechsel mitgab: „Der schonende Umgang mit der Natur und dem Landschaftsraum ist Grundlage des Landschafts- und Artenschutzprogramm Berlins und muss bei allen Planungen des Landes Berlins berücksichtigt werden“? − Gilt das nicht auch für privat? Oder gibt’s Landschaftsraum nur außerhalb des S-Bahnrings?“

    • jürgen julius irmer said,

      16. Januar, 2013 um 23:24

      …und die gaebler,müller, wowereits hecheln schon dem nächsten spatenstichtermin für den A 100 wahnsinn entgegen im februar.
      diese ganzen hochkompetenten und weitsichtigen gestalten in ihren obszönen dienstwagen sorgen weiter für ein gutes,gesundes und an den interessen der menschen orientiertes leben in dieser stadt.
      „ick kann jar nich so fille fressen, wie ick kotzen möchte“!..


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