Ortsbegehung Schöneberger Schleife

Am Vorabend der Freiräumung

Erschwerte Bedingungen

Zuweilen trommelte der Regen so hart auf die Schirme, dass Projektleiter Göhler von Grün Berlin in seinen Ausführungen innehalten musste. Dem plötzlich hereingebrochenen nasskalt-stürmischen Herbstwetter trotzend, waren AnwohnerInnen und VertreterInnen von BIs und Naturschutzverbänden sowie Mitglieder der BVV Tempelhof-Schöneberg (vorwiegend Piraten, aber auch Christian Zander von der CDU) zum gestrigen Ortstermin auf den Bautzener Platz geeilt, um von dort aus die berühmte Brachfläche im Bahngraben zu erkunden.

Schon ab nächster Woche sollen die Freiräumungs- und Rodungsarbeiten für den Bau der sogenannten Schöneberger Schleife im Nord-Süd-Grünzug starten. Wenn auch die mit Stadtumbau-West-Fördergeldern finanzierten Baumaßnahmen nicht mit jenen aus GRW-Mitteln finanzierten zum Fernradweg Berlin-Leipzig koordiniert sind, wurde als optimistischer Termin der kompletten Fertigstellung der Herbst 2014 avisiert. Teilbereiche des Areals sollen aber schon im Lauf des nächsten Jahres nutzbar sein.

Erschwerte Bedingungen

Wetterfeste BürgerInnenbeteiligung

Hans Göhler erinnerte kurz an den Werkstattprozess zum Nord-Süd-Grünzug 2009 ff., nicht ohne auf die Kritik an seiner Durchführung anzuspielen, sowie ans kürzliche Treffen der Baustadträtin, Dr. Sibyll Klotz (Grüne), mit ausgewählten AnwoherInnen, wo auch dieser Ortstermin mit der Maßgabe verabredet worden war, dass nicht wieder über alle Details der Planung neu gestritten würde.

Übersichtsplan zur Ortsbegehung

Übersichtsplan zur Ortsbegehung

Wegen offener Plastikhülle war der eigens für die Begehung angefertigte und verteilte Übersichtsplan sogleich durchgeweicht und nur mehr eingeschränkt lesbar, während sich der zeitweise über fünfzig Beteiligte zählende Trupp der Interessierten infolge der schmalen Pfade und Wege durch Wäldchen oder dichtes Buschwerk auf dem Gelände in die Länge zog und mehrfach teilte, so dass nicht immer alle die Erläuterung von Frau Dr. Kiefer von Thomanek Duquesnoy Boemans Landschaftsarchitektur (TDB), Hans Göhler oder Manfred Sperling vom Fachbereich Stadtplanung mitbekamen. Die Bedingungen, unter denen diese im Übrigen sehr zu begrüßende Begehung stattfand, waren somit einigermaßen erschwert, und man hätte sich eine Nachbereitung im Trockenen gewünscht. [Update: Der erwähnte Übersichtsplan wurde, wie zugesagt, zeitnah ins Netz gestellt. (Hinweis: Die Treppe südlich der Monumentenbrücke ist darin weiterhin eingezeichnet.)]

Bevorstehende Maßnahmen

Projektleiter Göhler wies noch einmal auf den merkwürdigen Zuschnitt und Grenzverlauf zwischen öffentlichem und privatem Teil der Bautzener Brache hin, sparte aber ansonsten die Thematik von Außenbereich [nach § 35 BauGB] und versäumtem Ankauf durch den Bezirk ebenso peinlich aus wie das HELLWEG-Baufeld und -Vorhaben: Da sei im Stadtplanungsausschuss doch nur ein allererster, wenn auch wohlwollend aufgenommener Vorschlag präsentiert worden, doch niemand wisse, ob und was davon umgesetzt werde. Erstmal müsse alles − evtl. durch einen Städtebaulichen Vertrag − planungsrechtlich abgesichert werden. Das öffentliche Wegerecht sei indessen bereits im Kaufvertrag festgeschrieben. Auch treffe nicht zu, dass es nun quasi einen Wettbewerb gebe, wer zuerst zu bauen beginne, um für den Anderen bezüglich einzuhaltender Abstandsfläche Fakten zu schaffen. − Bis dato sei lediglich noch ungeklärt, ob das Tor zur Großgörschener Straße als Baustellenzufahrt genutzt werden dürfe…

[Zur Collignon-Planung soll es laut Manfred Sperling noch im Oktober eine Informationsveranstaltung geben. In der Präsentation der Wohnungsbaupotenziale des Bezirks im Stadtentwicklungsausschuss am 13.06.12 findet sich übrigens auf S. 5 bereits ein Hinweis aufs genannte Architekturbüro.]

Fernradweg-Zubringer

Ein schräg gegenüber genannter Straße von der Bautzener einmündender und dann parallel zu ihr verlaufender Radweg, „Zubringer“ zum Fernradweg Berlin-Leipzig, soll vier Meter breit asphaltiert werden. Von ihm wird dort, wo sich das anfangs schlauchförmige öffentliche Grundstück erweitert, ein Weg mit wassergebundener Decke abzweigen, um das Gelände in Richtung geplantem „Intensiv-“ oder Themen-Kinderspielplatz („Von der Nordsee bis zu den Alpen“) und zweier, relativ weit auseinander liegender Sportflächen „fußläufig zu erschließen“, und kehrt dann im Bereich, wo vor der Monumentenbrücke eine weitere Treppe die Böschung hinab führen wird, zum Radweg zurück.

Zahlreiche Bäume, mit deeskalierendem Hellgrün markiert, müssen ebenso weichen wie dicht verwachsene Stauden und dicke Krautschicht. Gewachsene Biotope, Lebensstätten und Rückzugsräume für Vögel und Kleinsäuger, werden zerstört, ein weiteres Stückchen „Wildnis“, entlang von Bahntrassen bekanntlich besonders vielgestaltig und wertvoll, wird verschwinden.

Gelände für Intensiv-Spielplatz

Gelände für den Themen-Spielplatz

Aufgreifen naturschutzfachlicher Einwände?

Die heruntergekommenen Baulichkeiten der halblegalen Zwischennutzungen, Mauerreste etc. werden ab nächster Woche abgerissen, mit Asbest kontaminierte Gebäudeteile, aber auch Böden und allerlei Müll entsorgt und befestigte Flächen entsiegelt. Der Geländeversprung hinter den abgerissenen Hütten wird zur Stabilisierung nicht verspundet, sondern nur angeböscht, die obere Mauer als Sockelmauer erneuert und mit einem Geländer versehen. Die Vegetation dahinter und entlang der Bautzener Straße wie überhaupt die der gesamten Böschung soll, wo irgend möglich, unangetastet bleiben bzw. nachgepflanzt werden. − Hier scheint die Planung auf die Kritik von NaturschützerInnen ein Stück weit reagieren zu wollen, doch warten wir’s ab!

Die leidenschaftlich umstrittene Treppe vom Bautzener Platz herab soll 3,80 Meter breit werden und angeblich nur einen einzigen Ahorn kosten, der benachbarte Böschungsbewuchs erhalten bleiben bzw. Bodendecker nachgepflanzt und „der schöne Weißdorn herausgearbeitet“ werden, so Planerin Kiefer.

Doch zumal für Rad- wie Fußweg wird einiges fallen. Auch wenn davon nicht viele Bäume die Maßgabe der Baumschutzverordnung erfüllen mögen [achtzig Zentimeter Stammumfang in 1,30 Meter Höhe], wird, wie gesagt, der Gehölzcharakter weitestgehend zerstört. Sodann bleibt abzuwarten, was das zum Einsatz kommende schwere Gerät vom Rest überhaupt noch übrig lässt.

Wegeverlauf

Braucht’s hier einen wassergebundenen Weg mit 0,5m-Fundament?

Wie sich Grün Berlin nach der Pannenserie beim Parkbau auf dem Gleisdreieck einer ökologischen Baubegleitung, und sei’s nur als vertrauensbildende Maßnahme, beharrlich verweigern kann, zeigt nur, was dieser Senatsfirma das Verhältnis zu den von ihren Maßnahmen Betroffenen wert ist.

Streetball statt Bäume

Eine Bedarfsanalyse habe die Notwendigkeit der beiden Sportflächen erwiesen, und an eine baumschonendere Verortung des aus Lärmschutzgründen weit im Süden liegenden Streetballfelds, wie einige BürgerInnen angesichts der großen, grün markierten Bäume spontan vorschlugen, sei seit Festsetzung des Bebauungsplans durch die BVV und im jetzigen Prüfstadium der BPU schon wegen des Verwaltungsaufwands gar nicht mehr zu denken.

Südlich des Fußball- und nördlich besagten Streetballfelds soll je eine Ökoinsel mit den darin befindlichen Gleisanlagen erhalten und (nur während der Bauarbeiten) durch Zäune geschützt werden. Zur S-Bahn hin wird dagegen, wie vorgeschrieben, ein dauerhafter, sechs Meter hoher Ballfangzaun gestellt. Die Verwandlung der sich südlich an den Spielplatz anschließenden Ruderalfläche in eine Wildwiese soll durch regelmäßiges Entfernen aufkommender Schösslinge unterstützt werden und der durch den südlichen Ökobereich zum Bolzkäfig führende Fußweg gar einen „Schmetterlings- und Wildbienensaum“ bekommen. − Dass eine Ruderalfläche mit viel nicht-einheimischem Kraut ökologisch weniger wert sei als eine Wildwiese aus autochthonen Gewächsen, wie Frau Kiefer überzeugt ist, erscheint uns im Hinblick auf die Artenzusammensetzung im urbanen Raum und zumal an Bahnanlagen doch recht zweifelhaft.

Und ob von lärmigen Sportflächen flankierte Ökoinseln für menschliches und nichtmenschliches Leben hohen Aufenthaltswert bieten können, muss sich ebenfalls erst zeigen.

Nicht noch eine Treppe!

Dass vis-à-vis der Intensiv-Spielfläche, wo die Vegetation entlang der Bautzener Straße stark ausgelichtet ist, da nicht zu ermittelnde Täter(!) dort seinerzeit Bäume fällten, nun ein Ausblick mit Sitzbänken geschaffen werden soll, ist laut TDB-Vertreterin keineswegs eine neue Idee, sondern immer schon so geplant gewesen. − Unstimmigkeiten zeigte der Übersichtsplan bezüglich einer weiteren Treppe südlich der Monumentenbrücke: Obwohl dieser dritte Abgang durch die dicht bewachsene Böschung fallen gelassen wurde, findet er sich noch eingezeichnet, und nach einigem Hin und Her waren sich die PlanerInnen gar nicht mehr sicher, ob auf diese Treppe tatsächlich verzichtet werden soll. Sie wäre auf einer Strecke von kaum zweihundert Metern jedenfalls der vierte Zugang zur Grünanlage.

Planungsstand Flaschenhals unbekannt

aus der Collignon-Präsentation

aus der Collignon-Präsentation zu HELLWEGs Bauprojekt (Fotos zum Vergößern anklicken!)

Abschließend − den VertreterInnen von Planung, Projektsteuerung und Verwaltung war für ihren Einsatz gedankt worden − gab es noch die Nachfrage, wie es denn zu erklären sei, dass das Architekturbüro Collignon seinen Wohnbebauungsvorschlag mit einer Planskizze vom Flaschenhalspark garnieren konnte, die weder BürgerInnen noch BzV kennen −, doch stellte sich heraus, dass sie auch dem Vertreter Grün Berlins wie dem des Tempelhof-Schöneberger Bezirksamts unbekannt sei. − Scheint leider so, als klappe nicht mal eine lediglich informierende „Beteiligung“ unter der neuen Bezirksregierung besser als unter der alten.

Teil des Fernradwegs Berlin - Leipzig quer durch Gleisdreieckpark

Landstraßenbreiter Fernradweg-Stummel – der demnächst auch den ökologisch besonders wertvollen Flaschenhalspark zerteilen soll – im Gleisdreieckwestpark

2 Kommentare

  1. Sabine said,

    8. Oktober, 2012 um 12:28

    Wieso setzt sich der Senat mit seiner Firma „Grün Berlin“ regelmäßig nicht für den Erhalt ökologisch wertvoller Bäume in der Stadt ein?

    Extrem teure Parkgestaltungen wie den unverständlicherweise mit anachronistischen, versiegelten breiten Betonwegen gepflasterten Gleisdreickpark (24 Mio. Euro teuer !) und offenbar geplante zahlreiche Fällungen auf dem Tempelhofer Feld sind der Bevölkerung nicht vermittelbar.

    Für den Erhalt der Uferbäume am Landwehrkanal interessiert sich der Senat auch nicht.

    Da kann der Senat seine Fachtagungen zu klimaschutzgerechter Stadtentwicklung auch einsparen, wenn er in der Praxis nicht in diese Richtung handelt. Die Grünen sind in den Bezirken, in denen sie Regierungspartei sind allerdings leider auch meist nicht besser.

  2. 9. Mai, 2013 um 13:16

    […] nicht anpacken kann, sondern statt dessen die Bau- und Spekulationswirtschaft fördern muß. Um den südlichen Teil der ”Bautzener Brache”, der von der Bebauung verschont bleiben soll, haben sich […]


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