Bäume am Gendarmenmarkt noch mal gerettet

Zweidrittel-Mehrheit für Erhalt der Kugelahorne

Beteiligungsformat fragwürdig

Publikum

Das Publikum

Insgesamt wurden im Verlauf der Podiumsdiskussion zu den vier Gestaltungsvarianten des Gendarmenmarkts in Berlin-Mitte am gestrigen Dienstag (25.1.) 879 Stimmen abgegeben. Davon entfielen immerhin 149 auf die Variante A, die Wunschvariante von Senatsbaudirektorin Lüscher, Baustadtrat Gothe, der Interessengemeinschaften Gendarmenmarkt und Friedrichstraße, ja sogar von Tourismus GmbH und Kirchengemeinde −, für den Landschaftsarchitekten Rehwaldt bemerkenswerterweise die „eleganteste“, indem sie einen „Verzicht aufs Gestaltungselement Baumdach“, die „grüne Watte“, sprich eine völlige Abholzung der Kugelahorne und Erhalt nur einiger Solitäre vorsieht.

Podium

Das Podium

57 Stimmen gab’s für Variante B: Erhalt nur eines Baumdachs an der Charlottenstraße, 77 für C mit einem Baumdach längs der Französischen Straße (plus einiger Solitäre in beiden Varianten) und − 596 Stimmen für Variante D mit dem Erhalt des gesamten Baumdachs! Damit haben sich die „Freunde und Förderer Gendarmenmarkt e.V.“, der BUND und jene 23.000 Menschen, die für die Bewahrung der bestehenden Gestaltung des Platzes, eine behutsame Sanierung und vor allem den Erhalt der 115 Kugelahornbäume aussprachen, mit überwältigender Mehrheit durchgesetzt.

Zum Ablauf

Podium

Podium

Die ersten Interessierten waren schon um 10 Uhr früh ins Konzerthaus am Gendarmenmarkt gekommen, um über das Ob und wenn ja, das Wie der Umgestaltung dieses bislang unverwechselbaren Platzes in Berlin-Mitte abzustimmen, mussten aber unverrichteter Dinge wieder abziehen, kehrten, wie ihnen bedeutet, um 16 Uhr wieder und erfuhren dann, dass sie sich, um über das Schicksal der 115 gesunden Kugelahornbäume mit entscheiden zu können, noch bis um 19:30 Uhr zu gedulden hätten. Daraufhin verloren manche die Geduld, mochten so lange nicht warten, während Hartnäckige dreimal wiederkamen, doch um 18:00 Uhr erklärten die Angestellten am Eingang zum Konzertsaal, dass auch eine sofortige Stimmabgabe möglich sei, ohne der Podiumsdiskussion folgen zu müssen, und händigten die verschiedenfarbigen DIN-A4-großen Wahlpappen aus, die als Stimmzettel dienten. (Sinnigerweise stand dabei die Farbe Grün für Abholzen und ein knalliges Rot für Baumerhalt, d. h. kein noch so grobschlächtiger Manipulationsversuch wurde ausgespart.) Gegen 19 Uhr musste schließlich eine Türsteherin manchen Leuten erklären, dass sie keine Wahlkarten mehr habe, freilich nur deshalb, weil diese Personen ihrer Meinung nach schon ein halb Dutzend Mal welche abgegriffen hatten…

VerwaltungsvertreterInnen

v.l.n.r. Senatsbaudirektorin Lüscher, Stadtrat Gothe und C. Reich-Schilcher (SenStadt)

Zum Auftakt der Podiumsdiskussion − mit Regula Lüscher, Ephraim Gothe sowie VertreterInnen von Evangelischer Kirchengemeinde Friedrichstadt, IHK (Gewerbetreibende Mitte), Berlin Tourismus & Kongress GmbH, der „Interessengemeinschaft Gendarmenmarkt“, der „Interessengemeinschaft Friedrichstraße“, den „Freunden und Förderern Gendarmenmarkt“, einem Sprecher des Konzerthauses und last not least dem BUND − meinte dann noch Moderatorin Elisabeth Ferrari, man könne auch für alle vier Varianten zugleich stimmen und fügte erst auf verwunderte Nachfrage hinzu, dass dies aber vielleicht doch nicht sinnvoll sei.

Lernprozess Partizipation noch immer am Anfang

Auszählung

Auszählung

Dies mag veranschaulichen, was von diesem Abstimmungsprozedere − ganz abgesehen vom Ergebnis − zu halten ist. Der „Wahlausgang“, da geben wir Stadtrat Gothe natürlich recht, war indessen so eindeutig pro weitestgehenden Baumerhalt, dass all diese Ungereimtheiten und Unregelmäßigkeiten letztlich nicht weiter ins Gewicht fielen. Bei einem knappen Ausgang hätten sie ihm hingegen Sorgen bereitet.

Doch wenn das die Kulmination einer BürgerInnenbeteiligung war, die 250.000 Euro gekostet haben soll, und deren Schwächen die Moderatorin damit entschuldigte, dass man eben noch lerne und keine Routine habe, so muss das nach knapp fünf Jahren, seit das Abgeordnetenhaus im Mai 2006 die Lokale Agenda 21 beschloss, doch einigermaßen erstaunen. Diese Agenda stellt bekanntlich bei einer zukunftsfähigen Stadtplanung und -entwicklung echte Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger in den Mittelpunkt, und es wurden in den letzten Jahren in der Stadt − sei’s auf Bundes-, Landes- oder Bezirksebene − auch schon einige Formate erprobt: Mediationsverfahren, moderierte Planungswerkstätten, Projekt begleitende Arbeitsgruppen u. dgl. m., dass man sich allmählich Sorgen machen muss, wenn das lernende System „zivilgesellschaftliche Partizipation“ immer wieder mit Lektion 1 beginnt.

Die Verfahrensschwächen

Wir möchten unsere Hauptkritikpunkte noch einmal wiederholen:

  • Lösungsvarianten wurden von Planern detailliert entwickelt und erst wenige Tage vor der Entscheidung dem „Publikum“ präsentiert, ohne dass die zu berücksichtigenden Interessen und Bedürfnisse transparent ermittelt, in einem offenen Diskurs begründet und als Kriterien einer guten Lösung formuliert worden wären, woran sich dann die Entwicklung von Varianten zu orientieren hat;
  • die Regeln und Modalitäten des Verfahrens zur Entscheidungsfindung wurden einseitig von der Verwaltung definiert und vorgegeben, blieben auch noch bis zuletzt den meisten unklar bzw. wurden noch kurz vorher willkürlich abgeändert (z. B. Zeitpunkt der Abstimmung);
  • die Methode des Mehrheitsentscheids wird in Beteiligungsprozessen allgemein als wenig produktiv erachtet, denn die Akzeptanz der beschlossenen Lösungen seitens der Überstimmten ist fraglich, bei der Gestaltung ihres Lebensumfelds jedoch unverzichtbar, d. h. es darf nicht einmal nur um den Kompromiss auf kleinstem gemeinsamem Nenner gehen, sondern in einem diskursiven Prozess, in dessen Verlauf alle Beteiligten ihre Interessen und Bedürfnisse angemessen berücksichtigt finden, muss eine konsensuelle Lösung angestrebt werden.

Variante Erhalt für Verantwortliche verbindlich

Baudirektorin Lüscher, die im Verlauf der Diskussion erklärt hatte, das Bürgerforum und seine Entscheidung hätten beratenden Charakter, erklärte diese später, wenn 500 BürgerInnen an der Abstimmung teilnähmen, für „bindend“, nach Vorliegen des Ergebnisses und auf ausdrückliche Nachfrage dann aber explizit als verbindlich. − Dies ist zu begrüßen!

Partizipation muss weitergehen!

Und dennoch darf das nun nicht heißen, dass die Beteiligung der BürgerInnen damit zu Ende ist, denn wie Frau Lüscher erklärte, jede Variante müsse bspw. der Forderung der Barrierefreiheit gerecht werden, so ist auch in der Phase der Ausführungsplanung und ihrer Umsetzung echte bürgerschaftliche Partizipation unabdingbar: der Teufel steckt bekanntlich im Detail und kann nur gemeinsam ausgetrieben werden.

Auszählung

Auszählung mit Baudirektorin Lüscher

In diesem Sinn forderte Ada Withake Respekt vor der Gestaltung der Vorgänger zwischen 1976 und 84, vor den unterschiedlichen geschichtlichen Spuren und der gewachsenen Vielfalt dieses „Berliner Salons“, der die Vielfalt der Stadt reflektiere. Und gerade dies fasziniere die Gäste (immerhin ein Drittel der 23.000 Unterschriften wurden von TouristInnen geleistet). Der Gendarmenmarkt sei nicht schwer krank, sondern bloß „erkältet“, bedürfe also keiner Rosskur, keiner Umgestaltung, sondern einer schonenden Sanierung auch seines unter Denkmalschutz stehenden Bodenbelags. Vor allem aber dürfe auch der südliche Teil des Platzes, dessen Gestaltung gar nicht Gegenstand der Abstimmung war, nicht abgeholzt werden und zur Steinwüste veröden.

Freunde und Förderer Gendarmenmarkt

Forderungen der Freunde und Förderer Gendarmenmarkt e.V.

Auch einige BürgerInnen, die zu diesem Zweck links der Bühne geduldig Schlange standen, um dann doch nur teilweise Rederecht zu erhalten, sprachen sich für den Erhalt der Bäume und der geschichtlichen Spuren aus, machten sehr plastisch klar, dass Barrierefreiheit durchaus nicht bedeuten müsse, alle Treppenanlagen einzuebnen, und warnten davor, angesichts der gravierenden Finanzprobleme der Stadt derart mit Steuergeld um sich zu werfen.

Dass daraufhin Stadtrat Gothe bzgl. der Herkunft der Mittel  auf den EU-gespeisten Fördertopf zum Ausbau der touristischen Infrastruktur verwies sowie ausgerechnet aufs Beispiel Tiergarten, wo sie so nutzbringend verausgabt worden seien, kam gar nicht gut an: Dort wurden nämlich ohne Ankündigung oder Beteiligung von Naturschutzverbänden, geschweige BürgerInnen durch ein völlig verfehltes überdimensioniertes Wegekonzept auch noch die letzten zusammenhängenden Gehölzbestände zerschnitten und durch die Baumaßnahmen der Wurzelraum zahlreicher Bäume geschädigt. Eine Maßnahme zur Tourismusförderung wurde zu einer Maßnahme zur Vernichtung der touristischen Qualitäten von Berlins berühmtestem Park, kritisierten seinerzeit NABU und BUND unisono. Es mussten sogar Wege wieder zurückgebaut werden…

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