Fortschritte in Kommunikation und Beteiligung

Redaktion der Mediationsvereinbarung ohne MediatiorInnen

Allenthalben werden kritische Stimmen laut gegen die aktuell praktizierten Formen der Bürgerbeteiligung. Das quer durchs Parteienspektrum in Aussicht gestellte Mehr an Demokratie wird als „Beteiligungs- oder Mitmachfalle“ geschmäht, als perfides neoliberales „Steuerungs- und Herrschaftsinstrument„, und vor dem Hintergrund zahlreicher Rückschläge in Berlin und anderwärts beäugt die interessierte Öffentlichkeit laufende Verfahren mit Fug und Recht besonders kritisch.

In diesem Spannungsfeld wird auch die Mediationsvereinbarung „Zukunft Landwehrkanal“ beurteilt werden, auch wenn das Verfahren bereits den beachtlichen Erfolg einer konsensualen, hoch detaillierten, ökologisch vorteilhaften und kostengünstigen Zielvariante der Sanierung gezeitigt hat. Doch eine eigentliche Mediationsvereinbarung, die vor allem die Modalitäten der Beteiligung in der Umsetzung des gemeinsam Geplanten regeln muss, war vor gut einem Jahr, wie erinnerlich, aus Zeitgründen − eben um mit dem Entwurf-Haushaltsunterlage noch in den Haushalt 2014 zu kommen − kurzerhand davon abgetrennt worden, was sich im Nachhinein besser nicht als folgenschwerer Fehler erweisen sollte.

Auch die BI, die 2007 den Widerstand gegen die geplante Kahlschlagsanierung am LWK organisierte, die „Bäume am Landwehrkanal“ nämlich (aus der dann unser Verein hervorging), hat dem Mediationsverfahren zu Teilen von Anbeginn sehr skeptisch gegenüber gestanden, obwohl es ohne sie gar keins gegeben hätte. Aber dass es ohne Beteiligung verantwortlicher Entscheidungsbefugter ablief, war für manche inakzeptabel.  − Nun also, zum Schluss des Verfahrens, das inhaltlich, wie gesagt, längst in einen partizipativen Planungsprozess übergegangen war, sitzen zumindest deren direkt Beauftragte plötzlich doch noch mit am Tisch, und wir sind zu sagen gehalten: besser spät als nie! Es sind die „entscheidenden Gäste“ einer Beteiligung auf Augenhöhe, und GDWS– wie WSA-Vertreter dürfen nur in der Feinjustierung mal anderer Meinung sein.

Die Frage ist aber, ob dies auch für die anderen Stakeholder, zumal für die BürgerInnen gilt, denn dies wäre für die Qualität des Beteiligungsprozesses und seine Kontinuität fatal! Wir wollen, ums zu wiederholen, auch im Ausführungsplanungs- und Umsetzungsprozess entscheidungsrelevant beteiligt und eben nicht nur (zu spät) informiert werden, sonst wäre von Beteiligung nun mal keine Rede. Und der soziale Friede sollte für die Verwaltung der Ernstfall sein.

Der harte Kern?

Namens des BMVBS hatte Jochen Kies von der Unterabteilung Wasserstraßen zu dieser neunten Redaktionssitzung eingeladen, doch Bezirks-, Landes- und ReedervertreterInnen waren nicht erschienen, obschon es doch vor allem darum geht, bis Ende Oktober eine vom Forum abgesegnete Vereinbarungsfassung zu haben, die den Gang durch die Prüf- und Genehmigungsinstanzen auch der anderen am Forum beteiligten Behörden und Institutionen antreten muss. Auch sie verpflichten sich durch ihre Unterschrift zur Einhaltung der Vereinbarung in ihrem Aufgaben- und Zuständigkeitsbereich.

Die BaL-Vertreter haben die prinzipielle Kritik am augenblicklichen Verfahrensfortgang (es folgt noch eine weitere Sitzung ohne MediatorInnen, die terminliche Gründe anführten), also am Wie, in der Montagsrunde am 30.9. unmissverständlich geäußert, sei es, was gerade in der Aushandlungsphase einer „nachhaltigen“, mindestens zehn Jahre brauchbaren Abschlussvereinbarung einer sechsjährigen Mediation eben den Verzicht auf professionelle Mediation betrifft; sei es, dass mehr oder minder nach Richtschnur der „abgeprüften“ Ministeriums- bzw. WSV-Version navigiert werde oder dass im Umgang miteinander schon jetzt von der Kooperation wieder ins Konfrontative zurückgefallen worden sei u.a.m. −, doch als ginge es darum, die Haltlosigkeit der ja schon im Vorfeld bekannten Kritik zu erweisen: z.B. die Entbehrlichkeit des Mediationsteams; die Existenz eines konstruktiven Klimas der Kooperation statt Konfrontation etc., wurden im Vereinbarungsentwurf sowohl auf Verfahrens- wie Sachebene des künftigen Partizipationsprozesses, etwa bei der Struktur der Beteiligung, durchaus nennenswerte Fortschritte  erzielt −, zumindest in den Augen der Beteiligten und natürlich immer unter dem Vorbehalt, ob und wie die teilweise immer noch relativ unkonkreten Formulierungen künftig mit Leben erfüllt werden, beginnend bei der Bereitstellung der benötigten personellen wie materiellen Ressourcen.

Tilmann Heuser vom BUND sprach jedenfalls für die meisten, als er, die generellen Vorbehalte unterlaufend, vorschlug, strittige Punkte zunächst auszuklammern und das anzugehen, worüber Übereinkunft erzielt werden könnte.

Information über WSV-Belange hinaus

Die Zentralstelle Öffentlichkeitsbeteiligung (ZÖB), eine im WSA Berlin zu installierende Kommunikations- und Dialogstelle, deren Besetzung man zeitnah ausschreiben will, soll jetzt die „interessierte Öffentlichkeit“ auch über Vorhaben Dritter informieren, selbst wenn sie keine originären WSV-Belange tangieren, und dabei auch tendenziell aktiv auf Maßnahmen am Kanal hinweisen, um die dann hoffentlich eintreffenden Informationen weiterzuleiten, die zu übermitteln sich ja alle Unterzeichneten verpflichten.

Übernahme der Regelungen durch die Bezirke unverzichtbar!

Mit juristischem Beistand wurde der Beschluss zum Umgang mit Gefahr im Verzug, die Schadensfälle mit Bäumen betreffen − 2008 der erste Beschluss des Mediationsforums überhaupt − dahingehend angepasst, dass dann, wenn sich die Gefahr durch Sicherungsmaßnahmen zunächst abwenden lässt, die Frist für ein Veto um mindestens 24 Stunden verlängert werden kann.

Bei diesem Beschluss bedarf es noch der ausdrücklichen Zustimmung der Bezirke bzw. der Flankierung durch korrespondierende interne Regelungen. In den drei südöstlichen ist dies ja bereits geschehen bzw. in der Vergangenheit schon wiederholt entsprechend verfahren worden.

„Vor Ort sofort“

Bei unvorhergesehenen gravierenden Veränderungen im Planungs- und Bauablauf wird nach der bewährten Routine VorOrtSofort verfahren [siehe auch hier] und die VertreterInnen der jeweils relevanten Gruppen in den möglichst konsensualen Entscheidungsprozess einbezogen. Wenn keine gemeinsame Entscheidung gefunden werden kann, wird aus Gründen der Fachaufsicht und des Haushaltsrechts die nächst höhere Instanz in der Entscheidungskette angerufen, also die Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt (GDWS).

Vorhaben Dritter

Für den Fall neuer Bauvorhaben Dritter müssen sich die potentiellen Vorhabenträger − Bezirke, BWB, Reeder − ebenfalls zur Einhaltung dieser Routine verpflichten und intern Analoges vereinbaren. Die jeweiligen Veränderungsmitteilungen sollen eine kurze Erläuterung mit Hinweis auf den Grad der Dringlichkeit beinhalten und werden von der ZÖB an die interessierte Öffentlichkeit weitergeleitet. Hans Bärthel von der GDWS betonte, dass diese über ihren gesetzlichen Auftrag „weit hinausgehende Informationspolitik“ der WSV auf den „Dunstkreis“ des LWK beschränkt bleiben müsse.

Im Fall eines Planfeststellungsverfahrens ist eine Entscheidungsfindung im VorOrtSofort-Format natürlich nicht möglich, sondern bei etwaigen Änderungsbedarfen obliegt es hier allein der Planfeststellungsbehörde abzuschätzen, ob und wenn ja, welche anderen rechtlichen Betroffenheiten ins Spiel kommen und ggf. ein Planänderungsverfahren anzustoßen. − Darüber kann wiederum die ZÖB lediglich informieren.

Expertenkreis

Den bedeutsamsten Durchbruch hat es aus unserer Sicht dadurch gegeben, dass sich das nebulöse „Expertengespräch“ zum „Expertenkreis“ konkretisierte, dessen Mitglieder sich aus jenen des früheren Mediationsforums rekrutieren, der aber prinzipiell weiteren TeilnehmerInnen offen steht. „Die ZÖB bindet den Expertenkreis turnusmäßig zu Planungsentscheidungen, insbesondere bei der Ausführungsplanung und Baudurchführung ein“, heißt es jetzt im Vereinbarungsentwurf. „Kann keine Klärung herbeigeführt werden, erfolgt die Konfliktbewältigung auf Grundlage des Bürgerhandbuchs für gute Bürgerbeteiligung. Die jeweilige Methode zur Konfliktlösung soll möglichst einvernehmlich festgelegt werden. Diese Vorgehensweise wird analog auch den anderen Vorhabenträgern eindringlich empfohlen.“

3 Kommentare

  1. Zarah said,

    7. Oktober, 2013 um 11:48

    Einen großen Dank mal an dieser Stelle für die immer sehr ausführlichen und fundierten Berichte! 🙂

    Ist es sinnvoll, als BI einen Verein zu gründen? ‚Worauf muß man da achten? Die meisten in der BI Crellekiez sind noch sehr neu in diesen Dingen.

    Für den Wannseebahngraben wurde ja auch „Bürgerbeteiligung“ versprochen, aber viele befürchten, daß das wirklich auch nur eine „Mitmach-Falle“ sein könnte, in der die BürgerInnen beschäftigt werden und das Gefühl haben, tatsächlich ein Mitspracherecht zu haben, während hinterher doch alles genau so gemacht wird, wie es schon von Anfang an geplant war. Wie kann man erkennen, ob es mit der Beteiligung ernst gemeint ist? Oder muß man die PlanerInnen einfach immer wieder nerven? Angeblich sollen im Crelle-Urwald schon Leute unterwegs sein, die markieren, was da alles weg kann. Aber das hab ich nur gehört, nicht selbst gesehen.

    Danke für eure Arbeit! 😀

    • BaL said,

      8. Oktober, 2013 um 0:30

      Erstmal ganz herzlichen Dank für die Anerkennung!

      Die Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Vereinsgründung ist sicher nicht generell zu beantworten. Wir bzw. die sog. Kerntruppe der BI „Bäume am Landwehrkanal“ hat sich ziemlich frühzeitig und einmütig zur Vereinsgründung entschlossen (2008), und das aus verschiedenen Gründen: um als Verhandlungspartner ernster genommen zu werden, als „juristische Person“ mehr Handlungsoptionen zu haben, unser Engagement zu verstetigen, Fördermitglieder zu gewinnen usw. (Als der Verein gegründet war, sind ihm dann nicht alle BI-Mitglieder beigetreten.)

      Wir haben nicht zuletzt auch das Betätigungsfeld erweitert und kümmern uns um Baum- und Stadtnaturschutz über Kreuzberg und den Landwehrkanal hinaus, machen auf der anderen Seite unsere Erfahrungen mit verschiedenen „Beteiligungsformaten“ in dieser Stadt öffentlich.

      Ob sich das auf „Crellekiez Zukunft“ und auf die Thematik der Rettung des „Crelle-Urwalds“ (und der überlebenden Linde vor der 22a!) anwenden lässt, können wir nicht beurteilen. Die Ausweitung des Engagements auf den Schutz und die naturnahe Entwicklung des Wannseebahngrabens oder überhaupt des sog. Nord-Süd-Grünzugs liegt natürlich nahe. – Aber der bürokratische Aufwand so einer Vereinsgründung ist nicht unerheblich.

      Die „Ideenwerkstatt“ zur „Erschließung“ des Wannseebahngrabens, die jetzt auf November vertagt wurde, muss natürlich ganz unabhängig von solchen Fragen – dafür die Erfahrungen mit ihren Vorgängerinnen im Hinterkopf! – mit kritischem Blick auf Verfahrens- und Sachebene begleitet werden.

      Was das Verfahren angeht, fällt das Übliche auf: das (undatierte) Protokoll des „Vorgesprächs“ z.B. wurde nicht wie abgesprochen via E-Mail verschickt oder -linkt, sondern Interessierte mussten es auf der Bezirkssite schon selbst finden. Auf der von SWUP gibt’s auch noch nichts, obwohl am 19.9. anderes verlautete.

      Inhaltlich gilt es vor allem möglichst früh herauszustellen, worin die (angeblich) unverhandelbaren „Rahmenbedingungen“ bestehen und zu fragen, ob diese für Anwohner- und NutzerInnen, die „Planungsbetroffenen“ eben, und aus naturschutzfachlicher Sicht: Flora und Fauna sind am ärgsten betroffen – überhaupt akzeptabel sind.

  2. Beobachter said,

    10. Oktober, 2013 um 18:43

    Es ist doch sehr sehr seltsam, dass ausgerechnet dann, wenn es im Endspurt um den Inhalt der Mediationsvereinbarung geht, die Mediatoren nicht teilnehmen und die BürgerInnen mit den Ministeriums- und anderen VerwaltungsvertreterInnen allein da sitzen.


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