Bäume raus, Beton rein!

Teileröffnung des teuer verunstalteten Ottoparks

Von einer zweistufigen, pfützigen Betonbühne herab, für die sechs gesunde Altbäume hatten fallen müssen, dankten anlässlich der gestrigen (24.8.) Teileröffnung des „aufgewerteten“ Ottoparks in Moabit Mittes Bezirksbürgermeister Hanke und sein neuer Baustadtrat Spallek dem Senat fürs Geld, den Firmen von Baum-Lorberg bis Atom-Vattenfall und allen befassten MitarbeiterInnen aus Politik und Verwaltung, ob noch aktiv oder schon in Pension, dass sie alle die Umsetzung einer Planung ermöglichten, die diesen vorher angeblich unwirtlichen, ja gemiedenen Ort den AnwohnerInnen und vor allem ihren Kindern endlich wieder zurückgebe.

Das rund 300 Menschen umfassende Publikum, darunter viele MigrantInnen mit ihren Kindern, applaudierte.
[Galerie am Schluss des Beitrags. Fotos anklicken.]

Notwendiges Übel Bürgerbeteiligung

Gleichwohl gäbe es da ein wichtiges und schwieriges Thema, räumte Spallek (CDU), ein: die Bürgerbeteiligung. Und auch jetzt gäbe es ja wieder „lautstarke Zwischenrufe und kritische Anmerkungen einiger“, die sagten, sie fänden das alles gar nicht so toll. − Dass viele BürgerInnen seit 2010 ehrenamtlich mitgearbeitet und womöglich noch Schlimmeres verhütet haben, blieb selbstverständlich unerwähnt. Partizipation ist und bleibt der Verwaltung ein lästiges Übel.

Dabei, so Spallek weiter, seien doch so viele Diskussionen, Rundgänge und Informationsveranstaltungen mit interessierten Anwohnern durchgeführt worden, aber − ja − es gäbe da einige „lautstarke“ Gruppen, die heftig Kritik übten. „Diese Kritik nehmen wir ernst und auch an“, versicherte der Stadtrat.

Ungenehmigte Meinungsäußerungen stören Veranstaltung

Während seiner Ausführungen versuchten einige Polizisten, BürgerInnen, die stumm Transparente in die Höhe hielten oder Nachfragenden antworteten, beharrlich daran zu hindern, sie einzuschüchtern und abzudrängen mit der Begründung, sie würden die Veranstaltung stören, indem sie ungenehmigt politisch demonstrierten. Auf die Frage, inwiefern ein Protest gegen Naturzerstörung und Verunstaltung öffentlicher Anlagen per se als genehmigungspflichtige politische Demonstration zu werten sei, kam die rhetorische Frage, wer denn die Bäume habe fällen lassen, welche die Beamten sich auch gleich selbst beantworteten: das Bezirksamt. Öffentliche Kritik am Amt aber ist genehmigungspflichtig. Mit dem Hinweis aufs Recht zur freien Meinungsäußerung war da nicht zu punkten.

Vielgestaltiger Protest

Die verschiedenen Initiativen von SilberahornPLUS bis zur BI KTO (Kleiner Tiergarten/Ottopark) hatten viele bunte, galgenhumoristische Poster, Banner und aufwändige Figuren gemalt und gebastelt. Mitglieder der letztgenannten verteilten eine selbst gefertigte Zeitung mit einer Chronologie der abgelaufenen Ereignisse. Sie belegt eine völlig unzureichende Bürgerbeteiligung bei der 1,3 Millionen teuren Umgestaltung dieser Parkanlage zwischen den lärmenden Verkehrsadern Alt-Moabit und Turmstraße.

  • Jeder dritte Baum wurde gefällt (insgesamt 67)
  • über 60 Prozent der Hecken und Sträucher gerodet und
  • die Vegetationsfläche von 60 auf 40 Prozent reduziert
  • 7 bis 10 Meter breite Asphalt-Rollbahnen

Die BI KTO hatte ihren improvisierten Stand am äußersten Rand des Ottoplatzes fernab vom wuchtigen Betonpodium und außerhalb des Verkehrsraums aufgestellt. Streng genommen hätte es dennoch einer polizeilichen Genehmigung bedurft, aber erst die Intervention der früheren Umweltsenatorin und jetzigen stadtentwicklungspolitische Sprecherin der LINKEN im Abgeordnetenhaus, Katrin Lompscher, vermochte die Staatsgewalt von einer Räumung abbringen und zu zähneknirschender Tolerierung veranlassen −, ob auch von einer Anzeige, bleibt freilich abzuwarten.

Über die Berechtigung des Protests aber kann es keinen Zweifel geben. Neben Kindern und Jugendlichen gibt es nämlich auch ältere Erwachsene, welche die stattlichen gesunden Bäume schätzten, die jetzt Liegerasen weichen mussten; die sie haben aufwachsen sehen, in ihrem Schatten ausruhten, den Vögeln lauschten, Karten spielten usw., wie ein älterer Herr erzählte. Wie wurden, wenn es schon nicht um Artenschutz und Anpassung an den Klimawandel geht, die Wünsche und Bedürfnisse dieser NutzerInnengruppen berücksichtigt?

Eigentlich wurde gestern ja nur der (unbetreute) Spielplatz eingeweiht, weil mehr gar nicht möglich war: erst vormittags rumpelte der letzte Bagger vom Gelände, überall müssen noch Bauzäune die monotonen Rasenflächen schützen, ja selbst auf dem Spielplatz konnte nicht mal ein Basketballkorb, der doch einem Wettkampf dienen sollte, rechtzeitig angebracht werden.

Und der schiere Anblick der wulstig-glatten Betonbomben − „Sitzkiesel“ in der Sprache des Planungsbüros Latz & Partner; von der BI Silberahorn „Latz-Haufen“ geheißen −, die auf die Spraydose warten und, wie glaubhaft berichtet, sogleich zum schmerzhaften Sturz eines Kleinkinds führten; der schwer erträgliche Zynismus einer Tafel vor gefällten und in den Split geworfenen Bäumen, die solches als „Lernort Stadtnatur Ottopark“ für naturentwöhnte Stadtkinder anpries; ausgedehnte, Pfützen übersäte Asphaltflächen; die bis hart an die Stämme der restlichen Bäume reichende wassergebundene Tenne; das mickrige Friedhofsgrün anstelle der vielen gerodeten Hecken: all das hätte noch weit massiveren, vernehmlicheren Protest legitimiert!

Brot und Spiele

Doch Kinder und Eltern, mit Saft und Kuchen gratis verköstigt, ließen sich von einem akrobatischen Rahmenprogramm, das der Bezirk organisiert hatte, begeistern, und wer wollte es ihnen verdenken? Panem et circenses sind seit je die probaten Mittel, um von staatlichem Versagen abzulenken.

Auf der jüngsten, infolge allzu starken öffentlichen Interesses am ebendieses missachtenden Mauerpark-Deal abgebrochenen und nunmehr auf den 13. September vertagten 10. Sitzung der BVV Mitte sollte es laut aberwitziger, sage & schreibe über 150 Einzelpunkte umfassenden Tagesordnung unter TOP 12.41 auch um einen Antrag der bündnisgrünen Fraktion um die „Nachbesserung der Planungen zur Umgestaltung des Kleinen Tiergarten für den Bauabschnitt zwischen Thusnelda-Allee und Stromstraße“ gehen, also der nächsten „Aufwertungsetappe“, konkret um den Erhalt von 16 weiteren Bäumen und eine Optimierung des Beteiligungsverfahrens.

Auch wenn seit einiger Zeit von Politik und Verwaltung die sich für Stadtentwicklung und -naturerhalt engagierenden BürgerInnen und ihre Initiativen, sobald sie Verwaltungshandeln kritisieren, als „lautstarke Einzelne“ diskreditiert und delegitimiert werden, da sie nicht die (schweigende) Mehrheit repräsentieren:

„Was im Ottopark begann, darf im Kleinen Tiergarten nicht weitergehen!“

Demokratie bewährt sich im Schutz von Minderheiten und dazu gehören auch die nichtmenschlichen Mitbewohner der Stadtnatur von Baum bis Nachtigall, die uns so viele gratis Serviceleistungen angedeihen lassen.

Das Baumgutachten vom Landschaftsarchitekten Dr. Neumann von 2011 (vgl. dazu auch hier).

Siehe auch die Stellungnahme des NABU Berlin vom 24.8.12

7 Kommentare

  1. Zeander said,

    26. August, 2012 um 16:39

    Die Politiker machen allerorten zunehmend unsere Stadt kaputt und geben dafür auch noch unserere Steuergelder aus, die sie angeblich meist befreundeten Baufirmen zuschanzen.

    Das soll wohl künftig auch im Mauerpark passieren, wo sich der CDU-Stadtrat Spallek (Mitte) nun durch sein unakzeptables politisches Kippen des Ergebnisses der jahrelangen Bürgerbeteiligung als untragbar geoutet hat, ebenso wie der Bezirksbürgermeister.

    https://www.taz.de/Mauerpark/!100318/

    Diese ganze vollkommen verfehlte Stadtentwicklungspolitik, die komplett an den Interessen der Bürgerinnen und Bürgern vorbei geht, wird vom Berliner Senat (SPD/CDU -Koalition), flankiert bzw. angeschoben.

    Die hinterhältigen, noch unbekannten Sanierungspläne für die Bundeswasserstraße Landwehrkanal, die der Bund hinter dem Rücken des Mediationsverfahrens verfolgt, sind allerdings politisch vom CSU – Verkehrsminister Ramsauer zu verantworten.

    Aber die Oppositionsparteien wie die Grünen und die Linkspartei (die SPD kann man ja vergessen, weil sie im Berliner Senat ständig für die veraltete Betonpolitik eintreten wie beim überflüssigen, extrem teuren Bau der A 100) sind viel zu lasch und unterstützen die Bürgerinnen und Bürger kaum. Das gilt für die Landes- und die Bundesbpolitik. Und oft genug auch für die Bezirkspolitik, wo die Grünen ja gern selbst eine unmögliche anti-Umweltpolitik praktizieren – z.B. in Sachen wieder kehrender unnötige Baumfällerei in Friedr.-Kreuzberg, die auch noch brütende Vögel schädigt. Und mit der Genehmigung von Baumaßnahmen gegen den Willen der Anwohnerinnen und Anwohner (wie u.a. in Schöneberg unter Baustadträrtin Klotz, Grüne).

    Wo bleiben eigentlich die Piraten? Macht die Piratenpartei überhaupt irgend etwas für eine umweltgerechte Stadtentwicklungspolitik in Berlin??? Die sind doch immer – wie die Grünen-offiziell für Bürgerbeteiligung! Was machen sie denn, um die Bürgerinnen und Bürger zu unterstützen?

    Die Umweltbewegung ist anscheinend von allen Parteien verlassen.

  2. Moabiter said,

    26. August, 2012 um 17:02

    Ich kenne die Turmstraße und die ganze Gegend und weiß wie wichtig in dieser durch den Autoverkehr verlärmten und verdreckten Luft ein Park mit vielen Bäumen und unversiegelten Flächen (auch wegen den vielen Starkregenfälllen!) wäre.

    Wenn ich das lese, wieviel Steuergelder der SPD-CDU -Senat, zusammen mit dem CDU-Baustadtrat, da wieder völlig verantwortungslos für eine sinnlose, unnötige Zerstörung der Stadtnatur im Ottopark aus dem Fenster geworfen hat, wird mir schlecht. Wo ist da die klimagerechte Stadtentwicklungspolitik, von der u.a. Stadtentwicklungssenator Müller (SPD) immer so gern redet?

    „1,3 Millionen teuren Umgestaltung dieser Parkanlage zwischen den lärmenden Verkehrsadern Alt-Moabit und Turmstraße.

    – Jeder dritte Baum wurde gefällt (insgesamt 67)
    – über 60 Prozent der Hecken und Sträucher gerodet und
    – die Vegetationsfläche von 60 auf 40 Prozent reduziert
    – 7 bis 10 Meter breite Asphalt-Rollbahnen“

    Die „7-10 Meter breiten Asphalt-Rollbahnen“ braucht keiner. Die waren wohl nur für die Baufirmen ein Fest. Daran haben die verdient und danach richtet sich die Planung. Nicht nach den Wünschen der Bürgerinnen und Bürger. Solche Pisten stören schon im teuren Gleisdreieckpark, den die Planer der senatseigenen Firma „Grün-Berlin“ beeindruckend schlecht geplant haben. – Auch mit möglichst viel Stadtnaturzerstörung und möglichst teuren Baumaßnahmen für die Amigo – Chefs in den Baufirmen.

  3. 26. August, 2012 um 22:54

    […] der Eröffnung gab es dann aber doch noch etwas Protest, unter anderem im Namen eines Spatzen, der fragt, wo sein Kuschelstrauch geblieben sei. Die Polizei musste ein bisschen intervenieren. […]

  4. 28. August, 2012 um 5:56

    […] (9308) 335. Die-Fans.de News (9381) 336. Hauptstadt-Diva (9467) 337. Johanns Fahrradblog (9483) 338. Landwehrkanal-Blog (9507) 339. Schiedrichtergespann (9586) 340. Der Weg ist das Ziel (9595) 341. Täglich Textarbeit […]

  5. Rudolf Blais said,

    3. September, 2012 um 11:46

    Ottoparkeröffnung

    Die positive und umfangreiche kritische Presseberichterstattung über die Protestaktionen zur Ottoparkeröfnung am 24.8.2012 hat auch meine Erwartungen übertroffen, und ich kann nur nochmal an alle Politiker, Planungsbeteiligten usw. zum Umdenken appellieren, um „Ähnliches im Kleinen Tiergarten“ zu verhindern, wie es bereits auf zwei Plakaten der BI KTO lautet.

    Siehe folgende Presseberichte:

    Das ist nicht unser Park“ in: Berliner Woche vom 29.8.2012 mit Foto,

    Das ist nicht unser Park“ in: Berliner Morgenpost vom 28.8.2012,

    Klettern auf gefällten Bäumen“ in: Berliner Abendblatt vom 1.9.2012 mit Foto (u.a. Kunstbaum).

    Des weiteren gibt es einen Artikel vom Umweltverband Naturschutzbund (NABU) auf der NABU-Internetseite.

    Den BVV-Antrag von Bündnis 90/Die Grünen Mitte zur Rettung von 16 Bäumen und weiterer dringend notwendiger Planungsänderungen für den zweiten Bauabschnitt Kleiner Tiergarten, Mittlerer Teil, ist unter den bekannten Informationen der BVV Mitte im Internet zu entnehmen. Dieser BVV-Antrag soll am 13.9.2012 in der BVV abgestimmt werden (voraussgesetzt er kommt wegen einer sicherlich sehr langen BVV-Tagesordnung überhaupt dran).

    Ansonsten ist von der Ottoparkeröffnung noch eine kleine Demonstration der Hecken und Sträucher in Blumentöpfen, die auf dem Beton der Sitzkiesel standen, zu ergänzen.

    Rudolf Blais

  6. Susanne said,

    3. September, 2012 um 22:58

    Die Kinder haben die Spielmöglichkeiten jedenfalls begeistert angenommen, auch die Sitzkiesel und viele andere Anwohner freuen sich über den neuen Weg.
    Ich bin nun wirklich kein Fan der Planung, aber immer mit den 67 Bäumen zu argumentieren, geht mir wirklich auf die Nerven. Die vielen dünnen hochgeschossenen Stangen am Weg zählen da alle mit. Ja, um ungefähr 6 Bäume ist es schade. Dennoch finde ich die Entscheidung für viel neue nutzbare Spiel- und Bewegungsflächen richtig.
    Es gibt eben viele unterschiedliche Ansprüche an den Freiraum, die alle beachtet werden sollten!

    • BaL said,

      4. September, 2012 um 0:55

      Mal davon abgesehen, dass wir nur Leute trafen, die über die teuren Betonblasen bloß noch den Kopf schütteln konnten und dass Kindern ein abgehackter Kletterbaum lieber ist als gar keiner, gibt es gewandelte stadtökologische und naturschutzfachliche Erfordernisse an die Gestaltung innerstädtischer Grünanlagen.

      Großflächige Versiegelung widerspricht ihnen bspw. diametral und genügt bitte wessen Ansprüchen? Ebenso steht’s mit der Beseitigung von Lebensstätten und Rückzugsräumen für Vögel und Kleinsäuger. Es ist schlimm genug, dass deren Erhalt nur mit dem Verweis auf die Ansprüche jener Minderheit begründet werden kann, für die Naturbeobachtung Erholung bringt, oder auf die ökologischen gratis Serviceleistungen, und gewachsener Stadtnatur nicht ein eigenes Lebens- und Existenzrecht zuerkannt wird.

      Wir verstellen unseren Horizont mit immer mehr Beton und wollen in unserer Angst vorm wachsenden Kontrollverlust ausgerechnet im Auf- und Ausräumen der Parkanlagen freie Sicht und Durchblick zurückgewinnen.

      Vor einer Fortsetzung dieses neurotischen Vorgehens gilt es nicht nur den 2. und 3. Bauabschnitt des Kleinen Tiergartens zu bewahren! (Selbstredend gibt es noch ein Bündel weiterer Antriebe für diese anachronistische Spielart von „Landschaftsarchitektur“.)


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