Kronenschnitt und Fällung in der Vegetationsperiode
Bezirke versäumen Information des Mediationsforums
Ob das dpa-Foto vom Amazonas-Kahlschlag die Wichtigkeit des Baumschutzes hierzulande relativieren oder ihn gar lächerlich machen soll, bleibt das Geheimnis der taz-Redaktion. Fakt ist, dass wir auch in Berlin fachlich nicht gerechtfertigte und deshalb in der jetzigen Vegetations- und Brutperiode (1. März bis 31. August jetzt auch in Berlin [BNatSchG: 30. September]) gleich doppelt unrechtmäßige Kronenrückschnitte oder Fällungen [siehe § 29 (1) 5 NatSchGBln entspr. § 39 (5) 2 BNatSchG] nicht deshalb hinzunehmen bereit sind, weil es woanders noch ungleich schlimmer abgeht.
[Update 26.3.: Hier aus aktuellem Anlass eine von den BaL beauftragte Stellungnahme des Baumsachverständigen, Dr. Barsig, zu Baumarbeiten in der Vegetations- und Brutperiode .]
Nach viereinhalb Jahren Mediation ist es nicht nur eingedenk seiner Veranlassung, sondern auch mit Rücksicht auf die insbesondere von den BürgervertreterInnen in dieses komplexe Verfahren ehrenamtlich investierte Arbeitszeit und -kraft schlicht unerträglich, dass trotz aller einschlägigen Absprachen und vereinbarten Handlungsroutinen, wenn es um Bäume involvierende Maßnahmen am Landwehrkanal geht, von diesen immer mal wieder entweder erst im Nachhinein nach längst vollendeten Tatsachen oder durch eine lapidare Pressenotiz auf der entsprechenden Bezirksamtswebsite zu erfahren.
So wurden am Kreuzberger Fraenkelufer nahe der Synagoge schon im Februar die Kronen Ortsbild prägender Platanen, der wohl stattlichsten und schönsten Bäume im weiteren Umkreis, in einem Maß beschnitten, was − völlig unabhängig von der konkreten Veranlassung und Begründung − vorab den Forumsmitgliedern im Mediationsverfahren „Zukunft Landwehrkanal“ hätte bekannt gemacht werden müssen, so wie alle anderen größeren Baumpflegemaßnahmen auch, von Fällungen gar nicht zu reden.
Frühlingsfällen in Alt-Treptow
Zu ebensolchen aber kam es dann letzten Donnerstag (22.3.) am Lohmühlenufer in Alt-Treptow, Höhe Wagenburg. War in der erwähnten Bekanntmachung von „in den nächsten Wochen“ die Rede, so hatten diese also gleich vorgestern begonnen, und wir konnten, von einem BaL-Mitglied sowie einem Anwohner alarmiert, nur noch Stubben und Schnittgut fotografieren.
Behördliche Infos unzureichend bis falsch
Absolut inakzeptabel aber war das Verhalten der um Auskunft gebetenen Zuständigen im Treptow-Köpenicker Grünflächenamt. Dort hieß es, das WSA habe, nachdem sich die in Rede stehenden sieben Bäume als bezirkseigen herausgestellt hätten, den Bezirk ersucht, sie zur Herstellung der Verkehrssicherheit unverzüglich fällen zu lassen. [Die allesamt wegen Morschungen am Stammfuß bzw. im Stammbereich stark umsturzgefährdeten Bäume hätten in der vegetationsfreien Zeit jedoch auf Grund der bezirklichen Haushaltssperre nicht gefällt werden können.] Auf Nachfrage wurden auch zwei Namen von WSA-Mitarbeitern sowie eine Rufnummer mitgeteilt, doch während jene im Amt beide unbekannt sind, stellte sich diese als Privatnummer einer älteren Dame heraus. − So befördert man das Vertrauen zwischen BürgerInnen und angeblich in ihrem Auftrag handelndem Amt mit Sicherheit nicht, und wenn’s gerade auf dieser Ebene nicht klappt, wird das nichts mit der Partizipation!
Selbstverständlich, so die Grünamtsmitarbeiterin weiter, seien die Bäume nach Maßgabe des Natur- und Artenschutzrechts vorher fachkundig auf Nist- und Lebensstätten von Wildtieren hin untersucht worden, nämlich vom Revierleiter höchstpersönlich!
Wozu Benehmensbereisungen?
Zur Festlegung von Maßnahmen, die den Uferbaumbestand betreffen − angefangen von der Herstellung des vorgeschriebenen Lichtraumprofils über die Versorgung von Windbrüchen bis zur Entfernung von „Unglücksbalken“, Totholz und die BWI behindernden Strauchwuchses −, gibt es alljährlich im Frühling und Herbst per WSA-Boot eine sog. Benehmensbereisung mit VertreterInnen des Abz Neukölln, der fünf Anrainerbezirke, der Bürger- und AnwohnerInnen und last but not least eines Baumsachverständigen, der das Vertrauen des Mediationsforums genießt.
Während dieser Fahrt von Ober- zu Unterschleuse werden die von den Baumkontrolleuren von WSA und/oder Bezirken für notwendig erachteten Maßnahmen in Augenschein genommen, Erforderlichkeit, Art und Umfang fachlich diskutiert und schließlich einvernehmlich festgelegt [also anders, als obige Bezeichnung vermuten lässt, nicht nur ein Benehmen, sondern Einvernehmen hergestellt!], in der jeweils nächsten Sitzung des Mediationsforums abgesegnet, im WSA-Newsletter [siehe bspw. den 93. vom Mai 2011, S. 2f.] veröffentlicht und dann in der vegetationsfreien Zeit ab 1. Oktober (→ nach Bundesrecht) des betreffenden Jahres durchgeführt. Dieser Ablauf ist in der Vergangenheit, wie alle Beteiligten bestätigen werden, immer sehr kooperativ und konstruktiv von statten gegangen.
In Fällen von Gefahr im Verzug, die kurzfristiges Handeln verlangen, wird nach einer bereits im Januar 2008 vereinbarten Verfahrensroutine seitens der Zuständigen eine Mail möglichst mit Fotos des Gefahrenbaums/ der ~bäume über den Verteiler der Mitglieder des Arbeitskreises Kurzfristige Maßnahmen versandt, mit einer − je nach Zeitpunkt der Versendung − zwischen sechs- bis vierundzwanzigstündigen Veto-Frist. Wird ein Veto fristgerecht eingelegt, kommt es zwei Stunden später zum Ortstermin mit Hinzuziehung eines Baumsachverständigen des Vertrauens. Schließt sich der Sachverständige der Einschätzung des WSA-Baumkontrolleurs und/oder bezirklich Zuständigen an bzw. haben sich die Fachleute über das notwendige Vorgehen geeinigt, pflegen auch die BürgervertreterInnen etwaige Einwände zurückzustellen, und die Eingriffe werden durchgeführt.
In der Vergangenheit hat dieses Verfahren ausnahmslos gut funktioniert. In einigen Fällen wurde statt einer Komplettrodung baumerhaltenden Maßnahmen der Vorzug gegeben, welche Entscheidung sich im Rückblick durchweg als richtig erwiesen hat. − Stellt sich also mal wieder die Frage nach der Haltbarkeint von Forumsbeschlüssen.
Wie wir zwischenzeitlich erfahren haben, sind Freitagabend, nachdem der Xhainer Baustadtrat Hans Panhoff die angeblich wegen Frostschäden zur Stammentlastung erforderlich gewordenen Kronenrückschnitte am Fraenkelufer erst vor genau einer Woche stoppen ließ, an gleicher Stelle erneut Halteverbotsschilder mit der Aufschrift „Kronenschnittmaßnahmen [ab 26.3., 7:00 Uhr]“ aufgestellt worden. Der Stadtrat wurde darüber informiert, will in der 35. Mediationsforumssitzung am kommenden Montag (26.3., ab 16:30 Uhr) erläutern, weshalb über die vorangegangenen Maßnahmen nicht informiert wurde. Angesichts sener Zusage, die Kronenbeschneiung am Kanalufer zu stoppen, wird Panhoff auch die neuerliche, die Anwohner beunruhigende Ausschilderung erklären müssen.
Jutta said,
24. März, 2012 um 18:28
Laut online-Baumfällliste will das Bezirksamt Friedr.-Kreuzberg aktuell 26 Bäume am Landwehrkanal fällen.
Wann steht nicht da.
BaL said,
24. März, 2012 um 21:44
Auf die Online-Fälllisten ist leider nur bedingt Verlass [die aktuelle siehe auch hier], das Problem amtsseitig schon länger bekannt und in Bearbeitung. (Seit Jahren machen sich BaL-Mitglieder mit der Verifizierung einige Mühe!) − Den jeweiligen Fälltermin setze die beauftragte Firma selbst fest, weshalb er vorab nicht bekannt gegeben werden könne.
Laut Baustadtrat Panhoff soll es am LWK (wie auch sonst im Bezirk) in der Vegetations- und Brutperiode [in Berlin bis 31.8.] keine Fällungen und auch keine Kronenrückschnitte mehr geben, außer bei unmittelbarer Gefahr im Verzug.
Andernfalls handelt es sich entweder um eine Ordnungswidrigkeit oder, wenn Lebensstätten streng geschützter Arten zerstört werden, um eine Straftat. − Hier sind Aufmerksamkeit und Mithilfe der BürgerInnen gefragt!
Wie gesagt: In der Mediationsforumssitzung am kommenden Montag wollen sich die Xhainer BezirksvertreterInnen zu den aufgetretenen Kommunikationsproblemen zwischen Verwaltung und Forum bzw. BürgerInnen äußern.
Die Vereinbarungen zum Umgang mit dem Uferbaumbestand müssen − durchaus auch, was andere Anrainerbezirke (s.o.) betrifft − unbedingt mit neuem Leben erfüllt werden!
Rahel said,
26. März, 2012 um 9:04
Vor der Görlitzer Str. 68 habe ich am Freitag, 16.3. gesehen (und gehört!), wie die Wurzeln eines frisch gefällten großen Baumes ausgefräst wurden. Weiß jemand, warum dieser Baum gefällt wurde? Die Antwort auf eine Frage nach dem Grund an den Arbeiter dort, war „Mischpflanzung“. Damit kann ich leider nichts anfangen… Auf der Baumfällliste diesen Jahres ist dieser Baum jedenfalls nicht verzeichnet.
Anwohner said,
26. März, 2012 um 13:39
@lBaL
Wieso dauert die Brut- und Vegetationsperiode in Berlin nur vom 01.März bis zum 31.August und nicht bis zum 30. Septemer wie es das Bundesnaturschutzgesetz grundsätzlich festgelegt hat?
Bestimmt „der Grüne“ Herr Panhoff jetzt persönlich wie kurz die Brut- und Vegetationsperiode in Berlin ist?
„Laut Baustadtrat Panhoff soll es am LWK (wie auch sonst im Bezirk) in der Vegetations- und Brutperiode [in Berlin bis 31.8.] keine Fällungen und auch keine Kronenrückschnitte mehr geben, außer bei unmittelbarer Gefahr im Verzug.“
BaL said,
26. März, 2012 um 14:16
Diese Frage ist an den Gesetzgeber zu richten, in diesem Fall also ans Abgeordnetenhaus von Berlin. Das Berliner und das Bundesnaturschutzgesetz [siehe die Links oben] weichen in den §§ 29(1)5 bzw. 39(5)2 bzgl. Ende der Vegetationsperiode voneinander ab.
Tabul A. Raza said,
26. März, 2012 um 18:44
Großstadtvögel brüten eben etwas schneller.
BaL said,
26. März, 2012 um 23:21
…bzw. Großstadtbäume hören früher auf mit Fotosynthese und Wachsen 😉
Anwohner said,
27. März, 2012 um 11:32
Dr. Barsig bezieht sich in seiner gutachterlichen Stellungnahme aber auf die längere Frist des Bundesnaturschutzgesetzes (Brut- und Vegetationsperiode bis 30.09.)
jürgen julius irmer said,
27. März, 2012 um 22:31
…der ganze regelungs- und verordnungs- und gesetzeswahn ist immer wieder obsolet, weil „…außer es besteht…“ immer inklusive ist.
das gilt natürlich nur staatlicherseits von oben nach unten, nicht etwa:
„..außer es bestehen begründbare und nachvollziehbare bürgermeinungen und erkenntnisse…“; so bleibt der apparat sich treu („grün“ hin oder her) und wir reiben uns weiter die augen…
Kreuzhainer said,
28. März, 2012 um 22:47
@ jürgen julius irmer
Das stimmt. Der Gesetzgeber meint es nicht ernst mit dem Umwelt- und Naturschutz, sonst würden nicht solche „Gummi-Gesetze“ gelten, die nichts für den Klimaschutz bringen.
Genauso schlimm: Parteien und Ämter nutzen meist noch nicht mal den Spielraum, den die „Gummi – Gesetze“ hergeben um die (Stadt-)natur zu schützen.
Wie wenig Substanz und politischer Wille auch bei der Partei BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hinter ihrem Gerede vom Umweltschutz vorhanden ist, sieht man jedes Jahr wieder u.a. in der Brut – und Vegetationsperiode, wenn in Friedr.-Kreuzberg munter Bäume gefällt und Büsche gerodet werden, als gäbe es kein morgen.
Ölologie? Egal!
Klimaschutz? Egal.
Tier- und Artenschutz (Bäume und Büsche sind Brutstätten für Vögel)?
Egal.
Und im Sommer lasssen sie dann wieder schön alles Grüne u.a. im Görlitzer Park verrecken, weil sie es nicht genug wässern. Aber immer schön Bäumchen pflanzen, wenn eine TV-Kamera in der Nähe ist, das können sie, die Damen und Herren Politiker von den Grünen!
Und ein schickes Abgeordnetenhaus-Mandat holen, weil man ja die Rettung der Bäume am Landwehrkanal so „freudig“ unterstützt hat. Aber was die eigene Partei im eigenen Wahlkreis an Natutrzerstörung verantwortet, das schweigen die sonst so kritischen Herren Behrendt und Ströbele lieber tot.
– Da ist dann abgeblich die Verwaltung allein an allem schuld. Als hätten wir keinen „grünen“ Bezirksbürgermeister Schulz und keinen „grünen“ Umweltstadtrat Panhoff in Friedr.-Kreuzberg.
Toll!
Und unheimlich glaubwürdig.