Experten im AK Naturhaushalt und Landschaftsbild
Angesichts der kurzfristig offenbar unüberwindlichen Schwierigkeiten, so etwas wie eine Gesamtkonzeption einer ökologisch modellhaften Sanierung des LWK auf den Weg zu bringen, muss es nach unserer Auffassung darum gehen, in Anknüpfung an die einschlägigen Grundsatzreferate des Leiters des Fachbereichs Wasserwirtschaft bei SenGUV, Matthias Rehfeld-Klein, im vergangenen Jahr [siehe hier + hier] entsprechende konkrete Vorschläge dafür zu entwickeln, in welcher Form und an welcher Stelle ökologische Optimierungsmaßnahmen entlang des Kanals Sinn machen, insbesondere vor dem Hintergrund des Törkel-Erlasses, der in Umsetzung der EU-WRRL die WSV zu aktiven ökologischen Maßnahmen bei der Gewässerunterhaltung verpflichtet, sowie der mit Sicherheit erforderlichen Kompensationsmaßnahmen des WSA für Eingriffe in Natur und Landschaft im Zuge der Instandsetzung der Ufermauern.
Eine Initiative von BürgerInnen-Seite
Deshalb hielt auf Initiative der BaL der renommierte Fischökologe Dr. Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) auf der 6. Sitzung des Arbeitskreises Naturhaushalt und Landschaftsbild am vergangenen Mittwoch (4.11.) einen so inhaltsreichen wie luciden Vortrag über „die Gewässerökologie des Landwehrkanals und die fischökologischen Belange“. Sowohl 2003 als auch im letzten Jahr beschäftigte sich Dr. Wolter im Rahmen von Studien des IGB zur Fischfauna der Berliner Kanäle auch mit dem LWK und konnte daher Vergleichsdaten zur Bestandsentwicklung präsentieren. − Auch der Biber- und Gewässerexperte des BUND, Manfred Krauß, war der Einladung der Mediationsteams gefolgt.
Fische wandern
Zunächst und bekanntermaßen handelt es sich beim LWK um ein künstliches Gewässer, und es kann sicher nicht darum gehen, ihn in einen naturnahen Flusslauf umzugestalten; vielmehr geht es ums Aufzeigen der Möglichkeiten und Grenzen seiner ökologischen Aufwertung. Von Fischen wiederum gilt allgemein, dass sie insbesondere im juvenilen Stadium strömungsberuhigte, für größere Fische unzugängliche Flachwasserbereiche benötigen; dass alle Arten wandern, wobei Laichwanderungen, larvale und juvenile, Nahrungs-, Überwinterungs- und Wanderungen zur Korrektur von Verdriftung und zur Kompensation von Sauerstoffmangel zu unterscheiden sind; und auch ontogenetisch sind die Arten auf unterschiedliche Habitate angewiesen, damit die adulten die Jungfische nicht verspeisen. Wanderung wiederum verlangt barrierefreie Durchlässigkeit des Gewässers.
Hauptdefizite
Der LWK hat infolge seines geringen Gefälles und der Stauhaltung die Eigenschaften eines Stillgewässers, weshalb er kaum Fischarten der Fließgewässer aufweist und ganz überwiegend nur von limnophilen Arten wie Rotfeder, Schleie und karpfenartigen wie Plötze und Moderlieschen besiedelt wird. Seine Hauptdefizite sind mangelnde Strömungs- und Substratvielfalt, also das Fehlen von Kies und Wasserpflanzen für litho– und phytophile Arten, das sind solche, die auf kies- und geröllartigem Substrat laichen bzw. ihren Laich an Pflanzen heften. Selbst Flachwasserbereiche wie im Urbanhafen sind gepflastert, die steilen Ufermauern etwa im Tiergarten tote Wände. − Große Ausnahme: das naturnah gestaltete und gepflegte Salzufer in Charlottenburg.
Artenbesatz
In den Probefängen 2003 fanden sich insgesamt immerhin 14 verschiedene Arten, wobei jedoch die Plötze, ein karpfenartiger Fisch ohne besondere Umweltansprüche, 78 Prozent ausmachte und der Barsch 19 Prozent; die restlichen drei Prozent teilten sich die karpfenartigen Aland, Blei, Güster und Moderlieschen sowie Aal und Hecht; im Schnitt wurden 122 Fische pro 100 Meter Uferstrecke gefangen, davon insgesamt nur 0,5 Prozent Flussfische. Aber während entlang der steilen Tiergartenmauer nur ganze zwei Fische pro 100 Meter in den Kescher gingen, waren es vor der Tiergartenschleuse genau 2501, und am Salzufer − mit ins Wasser hängenden Weidengirlanden und Strauchwerk − 1500, bei einem immerhin zwei-prozentigen Anteil von Flussfischen. − 2008 aber konnten nur zehn verschiedene Arten gefangen werden, und jetzt betrug der Anteil der Plötze sogar 96,2 Prozent.
Generelle Ziele
Überhängende Ufervegetation, die ja viele Kanalabschnitte prägt, erweist sich damit als wichtiges Ersatzstrukturelement z.B. für phytophile Arten wie den Hecht, so dass es bei der Herstellung des Lichtraumprofils eines tragfähigen Kompromisses bedarf zwischen den ökologischen Anforderungen einerseits, der Leichtigkeit der Schifffahrt wie den ästhetischen Ansprüchen des Denkmalschutzes und seinem Verlangen nach „freier Sicht aufs steinerne Bauwerk“ andererseits. Generell muss eine ökologische Aufwertung Engpässe beseitigen, Schlüsselhabitate und -funktionen revitalisieren, und insofern der LWK nicht isoliert ist und die Fische, wie gesagt, wandern, können sie sich dann von Trittstein-Biotop zu Trittstein-Biotop, die, je nach Raumangebot, durchaus auch mal zwei Kilometer auseinander liegen dürfen, selber Habitate erschließen. Mithin muss es nicht an jeder Stelle alles geben und eine flächige Lösung Zielvorstellung sein, sondern diese muss an den LWK angepasst und ein möglichst optimales Netz solcher Trittsteine geschaffen werden, welches Modell auch schon Matthias Rehfeld-Klein wiederholt vorgestellt hat. − Im Übrigen kann es nur darum gehen, die Bedingungen für die im Kanal bereits vorhandenen eutrophilen Fischarten zu verbessern [das sind solche, die an Bedingungen mit hohen organischen Anteilen und niedrigem Sauerstoffgehalt angepasst sind], nicht aber darum, neue Arten in den Kanal zu ziehen, um seine Artenvielfalt zu erhöhen, denn solche Versuche sind andernorts schon öfters gescheitert.
Exemplarische Lösungen
Zumal in engen Kanalpassagen, so unterstrich Manfred Krauß, würde etwa ein schilfbestandener „Vorgarten“ hinter der Spundwand keinen ausreichenden Schutz vor den mechanischen Kräften des Schiffsverkehrs bieten, also wenig Sinn machen und nur nutzlos vermüllen. Dagegen würde Totholz im Wasser − siehe Salzufer − von Fischen sehr gern angenommen, und der Putzfimmel, dem jeder naturbelassene Bereich unordentlich vorkomme, sei auch bei der Pflege der Uferregionen nach Möglichkeit einzudämmen.
Vielmehr bietet sich exemplarisch einerseits eine barrierefreie Verbindung zu den Tiergartengewässern an, um namentlich Kies- und Pflanzenlaichplätze zur Verfügung zu stellen, sowie am anderen Kanalende ein Pendant zur Spree, und zwar mittels einer Umgestaltung des Flutgrabens: Hier sollte das Ufer abgeflacht und durch Aufbringen eines Grobsubstrats in Form einer Raurampe modifiziert, der Querschnitt des Grabens verringert und außerdem unterhalb der Schlesischen Straße durch ein kleines Wehr ein Höhenunterschied geschaffen werden. Ohne eine solchermaßen erreichte Erhöhung der Fließgeschwindigkeit würde sich nämlich das Lückensystem künstlich geschaffener Kiesbänke schnell mit Sediment verfüllen, und die Steine überzögen sich mit einem Biofilm, woran Laich dann nicht mehr haften kann, d.h. die Kiesschüttung müsste jedes Frühjahr aufwendig gesäubert werden, was erfahrungsgemäß nicht durchzuhalten ist. − Umgestaltung des Flutgrabens und Katarakt an der Unterschleuse würden auch einen weit kostspieligeren Umbau beider Schleusen etwa durch Integrierung von Fischaufstiegshilfen überflüssig machen.
Sodann eignet sich der Urbanhafen, etwa das linksseitige Uferareal vor der Baerwaldbrücke, für die Anlage einer mit Röhricht zu bepflanzenden Flachwasserzone. Solche Zonen sollten generell ein Minimum von fünf bis zehn Meter Länge und ca. 100 qm Fläche aufweisen, um sowohl als Strömungsschutz für Laich als auch für die anfangs nur wenige Milimeter messenden Jungfische zu dienen, die bis zum Erreichen einer Größe von etwa 15 cm ein Zeitfenster in strömungsberuhigten Bereichen brauchen, damit sie nicht von den hydraulischen Kräften des Schiffsverkehrs verdriftet werden. − Auch das sog. Studentenbad bietet entsprechende Möglichkeiten.
Außerhalb der Ichtyologie bleiben noch viele Fragen offen
Was das Reich des Makrozoobenthos, also der auf dem Gewässerboden lebenden Tiere von Muscheln bis Krebsen betrifft, war bedauerlicherweise kein Experte anwesend. Dr. Wolter und Manfred Krauss sahen, vielleicht auch durch ihr jeweiliges Fachgebiet befangen, in dieser Hinsicht im LWK vorwiegend nur Neozoen wie Dreikantmuscheln und amerkanische Flusskrebse zugange, die, wie immer man auch persönlich dazu stehe, zumindest nach WRRL nicht Teil der zu schützenden Biodiversität sind −, aber selbstverständlich sei schon im Hinblick auf die Nahrungskette die Förderung auch des Makrozoobenthos, ob autochthon oder eingewandert, durch Schaffung geeigneter Strukturen von Bedeutung.
Die Anlage von Ausstiegshilfen für Wasservögel bleibt noch in einer anderen Arbeitskreis-Sitzung zu erörtern und solche für den zurückgekehrten Biber, einer Leitart im Berliner Biotopverbund, will Manfred Krauß im aufzuwertenden ökologischen Korridor LWK eher nicht haben, sondern diese Art in der Spree halten − außer vielleicht, was ja auch schon dem W.Recker-Gutachten zu entnehmen ist, den Bereich Flutgraben und Lohmühleninsel als Zwischenstation.
[Nachtrag vom 9.11.: Vor allem müssen, ums noch mal zu betonen, auch sämtliche über die Fischökologie hinausgehenden Belange unbedingt in die Aufgabenbeschreibung der zu erstellenden UVS aufgenommen und von entsprechend ausgewiesenen Fachleuten aus Botanik, Ornithologie, Limnologie, Entomologie, Arachnologie etc. bearbeitet werden −, um der Sache willen, aber auch, damit die Erörterungen im Arbeitskreis den sich retrospektiv zuweilen einstellenden Anflug von Beschäftigungstherapie abstreifen!]
Einschränkungen
Mit Bezug auf die Umgestaltung des Flutgrabens gab Matthias Rehfeld-Klein den zu erwarteten Rückgang der Zuflussmengen zu bedenken; dies dürfe indessen nicht mit der Aufrechterhaltung der Schiffbarkeit vermengt werden, die durch Stauhaltung selbst dann noch zu gewährleisten sei −, doch ob, mal abgesehen von den Fischen, Anwohner- und BesucherInnen die dann zweifellos entstehende Kloake noch attraktiv fänden, ist zu bezweifeln. Natürlich, so der Senatsvertreter weiter, gebe man sich mit der derzeitigen Wasserqualität, auch wenn sie deutlich verbessert worden sei, nicht zufrieden, doch könnten auch nach Verbau der zur Kapazitätserweiterung der Mischwasserkanalisation zur Verfügung stehenden 100 Mio. Euro [mit der angestrebten Erhöhung der jährlich zu verausgabenden Summe von 3 auf 7 Mio. fürs gesamte Berliner Kanalsystem], wie schon öfter ausgeführt, Entlastungsfälle nach Starkregen mit anschließendem Fischsterben, wie erst in diesem Sommer, nicht gänzlich vermieden werden: dies zu erreichen, würde eine Investition von drei bis vier Mrd. Euro erfordern! Die regelmäßigen Fischsterben mit all ihren unliebsamen Begleiterscheinungen seien zwar bedauerlich, aber eben nicht bestandsgefährdend.
WSA gibt sich ökologisch ambitioniert
Der Vortrag von Dr. Wolter wie auch die Ausführungen von Manfred Krauß stießen nicht zuletzt bei der Leiterin der Arbeitsgruppe LWK, Frau Dr. Ernst, auf großes Interesse: Vor allem im Hinblick auf die beschlossene Erstellung von UVS, UVP und LPB unter Federführung von Henrik Täger, Leiter des WNA Magdeburg, wurde mit den beiden „Wissensträgern“ umgehend enge Kooperation im Sinne von Austausch und Beratung verabredet, bei welcher Gelegenheit Annette Ernst noch einmal betonte, dass die entsprechenden Untersuchungen, Kartierungen und Bestandserhebung selbstredend von zu beauftragenden Fachleuten vorgenommen würden, niemals jedoch von WNA-Mitarbeitern selbst. [Das WNA Berlin unter Leitung von Rolf Dietrich, der gerade gestern (7.11.) auf dem Naturschutztag des BUND Brandenburg über den „Ausbau der Wasserstraßeninfrastruktur als Chance für die Kulturlandschaft an der Havel“ referierte, konnte nach Auskunft von Frau Ernst diese Beauftragungen am LWK wegen derzeitiger Arbeitsüberlastung nicht übernehmen.] Das werde in aller Öffentlichkeit ganz sauber abgearbeitet! Eine Art Scoping-Termin wurde noch vor Weihnachten in Aussicht gestellt. Die Prüfung von Kompensationsmaßnahmen werde noch breiten Raum einnehmen, und hier gehe es dem WSA darum, nachhaltige Dinge zu fördern, also „besser eine gute große Maßnahme planen und umzusetzen als viele kleine, die dann nicht gepflegt werden können.“ − Auf Anregung von Mediator Kessen sollen in der Arbeitsgruppe Lösungssondierung entsprechende Ideen und Vorschläge eingebracht, diskutiert und anschließend geprüft werden.
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